Spenden gesucht! Gofundme startet in Deutschland
Wie viele US-Amerikaner beherrscht auch Rob Solomon das Storytelling. Wenn das Gespräch auf sein Unternehmen Gofundme kommt, erzählt er Geschichten. Zum Beispiel die von dem Mann aus Frankfurt, der sich bei einem Unfall in Thailand verletzte und auf 150.000 Euro Kosten für seine Behandlung sitzen blieb, weil er keine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen hatte. Oder die von Eliza O’Neill, einem Mädchen, das im Alter von drei Jahren mit dem seltenen Sanfilippo-Syndrom – einer Stoffwechselkrankheit – diagnostiziert wurde und Geld benötigte, um an einer klinischen Studie teilnehmen zu können.
Solomon erzählt nicht nur Geschichten, um sein Publikum zu unterhalten. Er erzählt die Geschichten auch, um den Sinn seines Unternehmens herauszustellen: Auf Gofundme können Privatpersonen Geld für sich selbst, einen Bekannten oder einen Freund in Not einsammeln. Wenn jemand eine ärztliche Behandlung nicht bezahlen kann, wenn jemand sein Haus nach einem Sturm reparieren muss, wenn jemand Geld für die Bildung seiner Kinder benötigt, soll er auf der US-Plattform die notwendige finanzielle Unterstützung finden. Auch Organisationen sind dort mittlerweile vertreten. Gewissermaßen Crowdfunding für den guten Zweck. Die Geschichten, die dank Gofundme gut ausgegangen sind, sind Solomons Kapital: Der Mann aus Frankfurt, der seine Kosten nicht selbst tragen muss. Eliza, die an der klinischen Studie teilnehmen kann.
Der Erfolg des Unternehmens begründet sich in seiner Strategie: Wer eine Kampagne initiiert, will größtmögliche Aufmerksamkeit und teilt sein Anliegen im besten Fall über soziale Medien. „Um Geld zu bitten, fällt oftmals schwer“, heißt es auf der Website der Firma. Gofundme soll diesen Schritt erleichtern. Einige Geschichten gehen in den sozialen Netzwerken viral – wie die von Eliza. Mit einer Funding-Summe von zwei Millionen US-Dollar zählt die Kampagne zu einer der größten, die je auf Gofundme erstellt wurde.
Aber auch nach Tragödien erfahre man einen großen Zuspruch, erzählt Alex Duncan. „Wenn etwas Schlimmes passiert, dann dauert es nur ein paar Stunden, bis es eine erste Gofundme-Kampagne zur Unterstützung der Opfer gibt“, so der Head of International bei Godfundme. Allein bei der Flut in Louisiana entstanden 4.000 Kampagnen. Manchmal konzentrieren sich die Unterstützer auch auf eine einzige. Die bislang größte gab es erst kürzlich nach dem Shooting in Las Vegas. Die Kampagne erzielte 11,6 Millionen Dollar. Insgesamt 88.000 Menschen unterstützten sie, um den Opfern und Angehörigen des Massakers zu helfen.
Gofundme kommt nach Deutschland
Solche Geschichten des Helfens will Solomon künftig auch in Deutschland erzählen. Am Dienstag launcht das 2010 gegründete US-Unternehmen offiziell in der Bundesrepublik, auch hierzulande sollen Menschen in Not von der Idee der Plattform profitieren. Damit Gofundme auch auf dem deutschen Markt funktioniert, hat die Firma einige Kleinigkeiten angepasst. Es gibt einen Whatsapp-Button, weil der Messenger eben der wichtigste Kanal hierzulande ist. Die Bezahlung funktioniert unter anderem per Sofortüberweisung oder Giropay. „Insgesamt funktioniert das Produkt aber ähnlich wie in den USA“, erklärt Duncan.
Das klingt alles zu schön, um wahr zu sein: Menschen, die andere Menschen finanziell unterstützen, wenn diese in Not geraten. Aber kann dieses Konzept in Deutschland funktionieren? In den USA bilden die Kosten für medizinische Behandlungen eine wichtige Säule des Erfolgs. Die meisten Kampagnen, die in den Staaten finanziert werden, lassen sich dem Bereich Gesundheit zuordnen. Das ist auch den örtlichen Begebenheiten geschuldet: Nicht alle US-Bürger besitzen eine Krankenversicherung. Wenn sie ernsthaft krank werden oder einen schweren Unfall haben, bleiben sie auf den hohen Kosten für eine ärztliche Behandlung sitzen. In Deutschland sind solche Fälle deutlich seltener, weil nur wenige Personen keine Krankenversicherung besitzen.
„Viele fragen sich, ob Gofundme auch in Deutschland funktioniert.“
Rob Solomon glaubt trotzdem an einen Erfolg in der Bundesrepublik. „Viele Menschen fragen sich, ob Gofundme auch in einer sozialen Umgebung wie in Deutschland funktioniert“, sagt der CEO beim Gespräch in Berlin. Er zitiert dann den Fall des Frankfurters in Thailand: Das zeigt für den US-Amerikaner, dass es auch hierzulande Bedarf für finanzielle Nothilfe gibt. Mit einem Spendenvolumen von 17 Millionen Euro sei Deutschland zudem ein wichtiges Land, so Solomon. Es dürfte demnach auch kein Zufall sein, dass Gofundme ausgerechnet im Dezember – dem spendabelsten Monat der Deutschen – launcht. Die Verantwortlichen um Solomon versichern allerdings, dass der Zeitpunkt nicht bewusst gewählt sei, sondern sich so ergeben habe.
Gofundme: Ein schwieriges Feld
Abgesehen von den lokalen Unterschieden hat sich Gofundme ein schwieriges Feld ausgesucht. Denn dass das Unternehmen an den Fundingsummen mitverdient, stößt einigen Nutzern auf. Fünf Prozent der gespendeten Beträge verleibt sich die Firma bisher ein. 2,9 Prozent davon sind Bearbeitungsgebühren, die an Zahlungsanbieter gehen. Außerdem verdienen diese in den USA 30 Cent pro Überweisung, in Deutschland sind es 25 Cent. Gerade bei größeren Spendenkampagnen würde häufiger darauf hingewiesen, dass das Unternehmen ja Profit damit mache, sagt Duncan. Gofundme hat am Donnerstag auf die Kritik reagiert und seine Gebühren gesenkt. Crowdfunding-Kampagnen von Privatpersonen sind jetzt – zumindest in den USA – umsonst. Die Bearbeitungsgebühren bleiben zwar, aber ob die Spender auch an Gofundme Geld überweisen wollen, können sie nun selbst entscheiden.
Ein weiteres Problem des Portals sind die Personen, die zwar angeben, Hilfe zu benötigen, aber gar keine brauchen. Es passiere jedoch nur ganz selten, dass jemand versuche, Gofundme auszunutzen, sagt Duncan. Für diese Fälle gibt es ein Team von Angestellten, dass möglichen Hinweisen auf eine gefälschte Kampagne nachgeht. „Sehr oft kommt aus dem sozialen Umkreis über Facebook eine Warnung wie ‚Der hat sein Haus gar nicht verloren‘.“ Gofundme fragt nach solchen Hinweisen bei den Inserenten nach. Wenn das Anliegen tatsächlich nicht stimme, löschten viele ihre Posts von selbst, sagt der Head of International.
Bisher scheint das Konzept des US-Startups, das übrigens nicht aus dem Silicon Valley stammt, aufzugehen. Bei der bisher letzten Finanzierungsrunde im Jahr 2015 bewerteten Risikokapitalgeber das Unternehmen mit 600 bis 650 Millionen Dollar. Nicht ohne Stolz verweist Rob Solomon darauf, dass man seit dem ersten Jahr profitabel arbeite. Mehr als fünf Milliarden Dollar wurden bisher von rund 50 Millionen Personen über die Plattform gespendet, die durchschnittliche Kampagne sucht nach etwa 1.000 Dollar.
Ähnlich erfolgreich soll es jetzt auch in Deutschland laufen. Das Storytelling ist dabei ein Bestandteil der Strategie. „Wir sind eine Storytelling-Plattform, auf der sich die Geschichten verändern“, betont Deutschlandchefin Jeannette Gusko. Nach einem Schicksalsschlag biete das Portal die Möglichkeit, finanziell wieder auf die Füße zu kommen. Ein Narrativ, das auch hierzulande funktionieren könnte.
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