Schulbank für Manager: Ist Digitalisierung lernbar?
Egal in welchem Alter, ein Thema bringt Menschen immer zum Lachen: Sex. Es ist ein Donnerstagmorgen in Hamburg, Marco Maas steht vor einer weißen Leinwand, auf die der Grundriss seiner Wohnung projiziert wird. Vor dem Datenjournalisten sitzen 13 Personen auf einer Reihe brauner Sofas, die Augen auf ihn gerichtet. Maas erzählt, dass er nicht nur seine Wohnung mit Sensoren ausgestattet hat, sondern auch seine Matratze im Schlafzimmer. Die Sensoren, so erklärt er, messen, wie gut er schläft, ob er sich viel herumwälzt oder nicht. Sie kann aber auch andere Aktivitäten messen. Man könne sie auch 30 Minuten ausschalten – wenn man so lange brauche, sagt er. Lacher, höhö, wenn man so lange brauche.
Das Amüsement erinnert an die Schulzeit, an den Sexualkundeunterricht, wenn der Lehrer die Aufmerksamkeit seiner Schützlinge nur bedingt kontrollieren konnte. Man könnte die Lacher als primitiv abtun, als ursprünglichen Instinkt des Menschen, als Hinwegkichern über intime Themen. Man könnte sie aber auch als Zeichen dafür werten, dass sich viele Menschen noch gar nicht vorstellen können, in welche Bereiche die Digitalisierung schon vordringt und noch vordringen wird.
Dieses Wissen verbreiten – das haben sich selbsternannte Digitalisierungsberater und Digitalisierungsexperten vorgenommen. In Vorträgen, Sitzungen, Seminaren erklären sie die Veränderungen, die dieses Internet mit sich bringen wird, von Blockchain und Plattformökonomie und Smarthome und Affilate-Marketing. Zu ihnen gehören auch die Macher der Good School in Hamburg, die Marco Maas für einen Vortrag eingeladen haben. Beim „Update Digital“ werden drei Tage lang alle Buzzwords auseinandergenommen, es wird von Big Data geredet und von Immersion, von Chatbots und Virtual Reality. Und darüber, was das eigentlich heißt für Führungskräfte in Unternehmen.
Denn digitalisieren wollen sie sich natürlich alle, vom großen Dax-Konzern bis zum lokalen Spezialanbieter. Nur bedeutet Digitalisierung nicht immer die komplette Durchdringung aller Prozesse. In manchen Konzernen wird darunter eine Website und vielleicht noch ein Facebook-Kanal verstanden. Dann ist die Digitalisierung abgehakt. Und wenn das doch nichts bringt, wird entweder die Digitalisierung verteufelt oder aber es werden teure Berater eingekauft, die es richten sollen. Manchmal lagern die Firmen die Verantwortung die Digitalisierungsprozesse komplett an Agenturen aus, „aus unerkannter Dummheit“, wie es Gunter Dueck einmal in seiner FAZ-Kolumne formulierte.
Digitalisierung: „Wir rauschen einmal quer durch das Internet“
Das „Update Digital“ bildet ein Gegengewicht dazu: Es will Führungskräfte in Unternehmen mit so viel Hintergrundwissen ausstatten, dass sie intern selbst die Digitalisierungsprozesse anstoßen und vorantreiben können. Bei der „Learning Experience“ – Good-School-Initiatorin Simone Ashoff mag das Wort „Seminar“ nicht – handelt es sich um einen Kurs für Fortgeschrittene: Wer an diesem grauen November-Nachmittag in das Haus aus roten Backsteinen in der Nähe der Sternschanze gekommen ist, der kann SEO von SEA unterscheiden und hat auch schon mal was von Snapchat gehört. „Uns geht es beim Update Digital um das Big Picture“, sagt Simone, „wir rauschen einmal quer durch das Internet.“
Abgesehen von einigen allgemeinen Vorkenntnissen unterscheiden sich die Grundkenntnisse der Teilnehmer deutlich. Sie bilden eine organisationssoziologische Landkarte deutscher Firmen, sie kommen aus Dax-Konzernen, aus Lebensmittelunternehmen, aus der Finanzbranche, aus dem Gartenbau, aus Versandapotheken, aus Agenturen. Sie sitzen im Marketing, im E-Commerce, im Consulting, im Produktmanagement. Weil kein Unternehmen aber gerne zugibt, dass es seine Mitarbeiter auf Digitalisierungsfortbildungen schickt, nennt dieser Text weder die Firmen noch die echten Namen der Teilnehmer. Vielleicht ist damit schon das größte Problem der Digitalisierung in der deutschen Wirtschaft erklärt – dass sie nicht so wirken will, als bräuchte sie Hilfe, dass sie mit Nachfragen aber einiges an Fehlern sparen und den schnellsten Weg zum Ziel gezeigt bekommen würde. Wie der deutsche Tourist in der fremden Stadt.
Interessanterweise zeigen beim „Update Digital“ vor allem die Fragen der Teilnehmer, in welchen Bereichen deutsche Unternehmen schon weit gekommen sind – und in welchen nicht. Das ist etwa beim Blockchain-Vortrag zu beobachten. Es ist Mittwochabend, der letzte Eintrag auf dem Stundenplan. Die Teilnehmer sitzen wie in der Schule in einem klassischen Stuhlhalbkreis um zwei Tische herum. Darauf liegt eine Landkarte, drei Teller mit Zetteln, eine Ticketmaschine. An die Wand wirft der Beamer die Blöcke der Blockchain. Der Bitcoin ist gerade im Höhenflug, das Thema wird in den Massenmedien heiß diskutiert. Wenn man etwas über Bitcoin und Blockchain lernen sollte, dann jetzt.
Jonas Wegener, schwarze Haare, schwarzer Bart, schwarze Brille, schwarzes Shirt, hat sich dieser Aufgabe angenommen. Er spricht in seinem Vortrag über das Mining von Bitcoins, wie mit viel Rechenpower ein Rätsel gelöst wird und dadurch eine neue Münze entsteht. Das Prinzip sorgt für Unverständnis. „Das klingt wie Zufall“, sagt Manuel, selbstständiger Kreativdirektor. „Was hat sich der Erfinder denn dabei gedacht?“, fragt Josef, Geschäftsführer einer ostdeutschen Agentur. Oliver, der zusammen mit Josef das Unternehmen leitet, schüttelt den Kopf. „Was macht das denn für einen Sinn? Das ist doch völlig außer Kontrolle!“ Jonas erklärt, dass es ursprünglich die Idee einer dezentralen Zentralbank gab, bei der jeder Geld minen kann, indem er miträt – eine Demokratisierung der Bankgeschäfte, der Transaktionen quasi.
„Die Gerechtigkeit ist für den Arsch.“
Als Jonas erklärt, dass mittlerweile große Rechenzentren in China die meisten Bitcoins schürfen, dass wir normalen Nutzer mit unserem mickrigen Rechner zu Hause gar nicht mithalten können, da schüttelt Oliver wieder den Kopf. „Jetzt bleibt es doch ein großes Monopoly. Wir schieben die Spekulationsmasse einfach nur auf ein neues Feld, weg von Immobilien hin zu Bitcoin“, sagt er. „Die Gerechtigkeit ist für den Arsch.“ Jonas nickt. „Ja, der Gutmenschenzug ist längst abgefahren.“ Exkurse in die gesellschaftlichen Dimensionen einer digitalen Idee gibt es in den drei Tagen immer wieder – Digitalisierung betrifft eben nicht nur das Business, sondern auch den persönlichen Alltag.
Was sich beim „Update Digital“ auch zeigt: Ohne Exkurse in andere verwandte Digitalthemen geht es nicht. Jonas erklärt in seinem Vortrag, warum die Transaktionen auf der Blockchain nahezu nicht manipulierbar sind, dass alle Blöcke auf allen Rechnern gespeichert sind und Fälschungen dadurch unmöglich werden. Er erklärt, dass das System eigentlich nur dann geknackt werden könnte, wenn durch Quantencomputing eine Transaktion umgeleitet werden kann, bevor sie ausgeführt wird. Sabine, HR-Leiterin bei einem Energieunternehmen, meldet sich zu Wort. „Was ist Quantencomputing?“
Das ist eben das Ding bei der Digitalisierung: Wer das eine große Thema verstanden hat, muss sich direkt mit dem nächsten auseinandersetzen. Denn alle Begriffe hängen irgendwie zusammen, ein Thema führt zum nächsten. Wer über die Plattformökonomie spricht, der muss auch über Netzwerkeffekte sprechen, und wer über Netzwerkeffekte spricht, der kommt auch auf die Gegenbewegung der Dezentralität zu sprechen, auf Blockchain, auf Quantencomputing, auf riesige Datenmengen, auf künstliche Intelligenz, auf smarte Chatbots, auf soziale Netzwerke, auf E-Commerce in sozialen Netzwerken, auf Marketing, auf Affiliate. Mit jedem verstandenen Begriff wird die abstrakte Digitalisierung ein bisschen konkreter, ein bisschen greifbarer.
Daten sind alles, aber ohne Auswertung sind Daten nichts
Aber daraus ergibt sich die nächste Herausforderung: Wenn man das alles verstanden hat – was ist eigentlich relevant für die eigenen Zwecke, für das eigene Unternehmen? Diese Frage stellt sich gleich für mehrere Teilnehmer nach dem Vortrag von Max Orgeldinger. Der 28-Jährige, dunkelblonde Haare, hellblaues Hemd, Jeans, rattert in seinem Vortrag durch den Zweck von Big Data, durch Datenerfassung, Datenverarbeitung, Datenauswertung. „Die Hardware wird egaler, die Software wird immer wichtiger“, sagt der Berater der Hamburger Digitalagentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr. „Wie wir mit Daten umgehen, wird entscheidender sein.“
Eine Frage, die auch Klaus beschäftigt. Er arbeitet in einem Unternehmen, das sich auf Medizintechnik fokussiert. Wenn die Firma ein Produkt verkauft hat, werden die Kunden in einer anschließenden Umfrage um ihre Meinung gebeten. Nur werden die Daten nicht ausgewertet. „Wir sitzen auf einem Riesengrab von Kundenbefragungen, aber wir machen nichts damit“, sagt er. Der Mann in dem karierten Hemd will von Orgeldinger wissen, wie man diese auswerten könne. Das klinge jetzt langweilig, sagt der Berater, aber es komme natürlich auf das Geschäftsmodell an. Allein die schiere Masse an Daten enthalte noch keinen Mehrwert, man müsse auch wissen, wonach man suche, was relevant sei.
Er nennt das Beispiel eines Roboters, den das MIT gebaut hat. „Luigi“ kann durch die Kanalisation schwimmen und feststellen, in welchen Stadtteilen welche Viren und Bakterien austreten. Das allein wäre erst einmal nur eine große Sammlung von Daten. Aber wenn die Städte sie detailliert analysieren, können sie nicht nur herausfinden, wo welche Krankheiten besonders häufig vorkommen, sondern auch, wo welche Krankheiten ausbrechen könnten. Epidemien könnten so vorab vermieden werden, etwa indem sich die Behörden rechtzeitig um Impfstoffe oder Medikamente kümmern. So müsse jedes Unternehmen für sich auch erkennen, wofür genau man die Daten brauche, erklärt Orgeldinger. „Das Thema geistert auch bei uns durch die Flure“, murmelt Marten, Marketingleiter bei einem Pflegeprodukte-Konzern. Aber eine konkrete Idee für die Auswertung von Daten gibt es auch in seinem Unternehmen nicht.
Max Orgeldinger sieht dafür einen einfachen Grund: Das Thema ist für die Wirtschaft noch zu abstrakt, sie sieht noch keinen Mehrwert und wartet deshalb ab. „Die Unternehmen wollen erst einmal den Proof of Concept, sie wollen nicht als Erste etwas ausprobieren“, sagt er. Als Berater kann der 28-Jährige hinter die Kulissen der deutschen Wirtschaft gucken, er sieht, woran es wirklich hakt. Er glaubt, dass viele Firmen schon weiter sind als oft kolportiert. „Es wird immer so getan, als seien die deutschen Unternehmen ganz dumm. Das ist nicht der Fall, da tut sich ganz viel.“ Nur wüssten die Firmen aufgrund ihrer Risikoaversion oft nicht, wo genau sie anfangen sollten.
Digitalisierung: Eine Frage der Ethik
Ortswechsel. In einem roten VW-Bus geht es von der Sternschanze an die Außenalster, in ein kleines Bootshaus. Drinnen ein Kamin, ein paar Fritz-Getränke, Klappstühle, darauf weiße Decken. Das Programm führt als nächstes einen 24-Jährigen auf, der in die Welt der sozialen Medien einführen soll: Simon Bölts, blonde Haare, schwarzes T-Shirt. Der Berater soll eigentlich die wirklich jungen sozialen Netzwerke vorstellen, vor allem Snapchat und Musically. Aber er kommt nicht weit, nach jedem zweiten Satz wird er unterbrochen.
„Snapchat in Deutschland – wird das noch was?“, fragt Oliver.
„Was ist ein Takeover?“, fragt Karen.
„Was für einen Hashtag soll ich denn nutzen – den mit fünf Millionen Erwähnungen oder den mit 523?“, fragt Axel.
„Wann kippt das Influencer-Marketing?“, fragt Manuel.
„Gehst du davon aus, dass man die Kanäle in zehn Jahren noch nutzt?“, fragt Klaus.
Wenn es noch Zweifel daran gibt, welcher Teil der Digitalisierung in deutschen Unternehmen angekommen ist, dann sind sie spätestens jetzt ausgeräumt: Social Media machen alle, und alle wollen es noch besser machen. Es ist das erste Mal, dass alle Teilnehmer etwas beitragen, Fragen genauso wie Antworten und Anekdoten, dass viele mitschreiben. Besonders die Zielgruppe hat es den Teilnehmern angetan. „Dass es auf Musically auch über 50-Jährige gibt, halte ich für ein Gerücht“, sagt Manuel. Fast unisono antworten mehrere: „Das sind die Eltern.“ Josef berichtet etwa, dass er mit seinem Sohn snapchatte. „Für Whatsapp ist er zu faul, Snapchat ist der einzige Kanal, auf dem ich ihn immer erreiche.“
Aber die Frage nach der Zielgruppe wirft auch die Frage nach der Ethik auf. Das Influencer-Marketing sei längst gekippt, sagt Simon. Schon längst gehe es nicht mehr um Authentizität, sondern um perfekt inszenierte Bilder – und um Geld. Er verweist auf die immer wieder auftauchende Schleichwerbung, auf nicht gekennzeichnete Posts, in denen Social-Media-Stars irgendwelche Produkte anpreisen und dafür im Hintergrund enorme Summen kassieren.
„Ist Ehrlichkeit dann überhaupt nocht wichtig?“, fragt Jens. „Wir Unternehmen wollen ja verkaufen.“
Simon schüttelt vehement den Kopf. „Nutzt die fehlende Medienkompetenz eurer Zielgruppe nicht aus“, warnt er. Ein Unternehmen solle sauber arbeiten und seine Produkte kennzeichnen. Auch wenn es nicht unbedingt auf die Marke zurückfalle, wenn es das nicht tue.
Das mit der Medienkompetenz ist übrigens nicht nur in jungen Zielgruppen ein Problem. Auch in den Unternehmen selbst fehlt es oft an digitalem Basiswissen. „Bei uns wissen die Mitarbeiter nicht einmal, wie sie Facebook öffnen können“, sagt Marie, sie kümmert sich Marketing bei einem großen Lebensmittelkonzern. „Man könnte die hier gar nicht hinsetzen – viel zu viele Fachbegriffe.“ Auch wenn die heiße Diskussion also den Eindruck erwecken mag, dass alle Unternehmen soziale Medien verstanden haben: Das „Update Digital“ besuchen nur deren digitale Experten, nicht die digitalen Analphabeten.
Doch auch Experten kann man noch überraschen. Und zwar herrlich einfach: mit Affiliate-Links. „Making Money“ ist der Vortrag von Harald überschrieben, und das trifft den Kern ziemlich genau. Ohne Powerpointpräsentation, nur mit der Live-Eingabe von Adressen in den Browser erklärt er, wie er vom normalen Angestellten zum Umsatzmillionär geworden ist. Dafür hat er zunächst nichts anderes gemacht als Affiliate-Websites aufzubauen, also Seiten, auf denen Produkte gelistet sind, die beim Anklicken wiederum auf die Seite des tatsächlichen Herstellers führen. Kauft der Kunde dank dieses Affiliate-Links ein, bekommt der Affiliate-Seitenbetreiber einen bestimmten Prozentsatz des Kaufpreises. Ein schlichtes, aber effektives Modell.
Harald versuchte es zunächst mit der Birkin Bag. Die Handtasche kostet pro Stück schon mal 1.400 Euro. Der Unternehmer baute eine ganze Seite nur mit Bildern dieser Handtaschen auf, sie verwiesen auf andere Shops. Doch obwohl er die Kunden auf die Shoppingseiten weiterleiteten, bestanden sie darauf, dass er nicht der letzte Klick gewesen sei. Klar: Wenn der Kunde die Affiliate-Seite einfach verließ und den Originalhersteller suchte, verdiente Harald nichts daran. Er beschloss, sein eigenes Produkt herzustellen, und stieß auf ein Mittel namens Arginin. Das Nahrungsergänzungsmittel stammt aus einer Alge, die im Marketingsprech als „Superfood“ bezeichnet wird. Gemeinsam mit seinem Bruder investierte Harald 20.000 Euro in die Herstellung von Arginin-Kapseln.
Im ersten Schritt hätten sie Produktrecherche betrieben, so Harald. Sie wollten das Produkt mit dem höchsten Anteil an Chlorophyll bieten, damit die Kunden wieder kaufen. Statt einen eigenen Shop aufzusetzen, verkauften sie nur über Amazon. Dort optimierten sie das Listing, bis sie ganz oben zu finden waren, schalteten Werbung – „das machen immer noch wenige“ –, bauten wiederum Affiliate-Seiten auf, die zu ihrem Produkt führten, schrieben Partnerseiten an, ob sie das Produkt nicht bewerben wollten, investierten Geld in Anzeigen bei Focus Online. „Amazon eignet sich hervorragend für die Markenbildung“, sagt Harald und grinst verschmitzt. Im Bootshaus grinsen alle zurück, immer wieder sind ungläubige Lacher zu hören, aber die meisten sitzen einfach völlig gebannt auf ihren Stühlen.
Nicht innovativ, aber clever
Was hat Haralds Erfolg mit der Digitalisierung in Unternehmen zu tun? Diese Frage beantwortet der Unternehmer schließlich selbst. Er googelt den Namen einer Sparkasse, für die eine Teilnehmerin arbeitet. „Guck mal, da könntet ihr viel weiter vorne stehen, wenn ihr ein bisschen Content-Marketing betreibt und das Schlagwort in die Überschrift mit reinnehmt“, sagt er. Auch den Energiebetreiber nimmt er sich vor – der erscheint in der Google-Suche auf der ersten Seite ganz unten. „Da müsst ihr mal Werbung schalten, damit die Leute euch finden“, sagt er.
„Mein Montag wird ein bisschen anders aussehen.“
Natürlich ist Haralds Geschichte nicht unbedingt der innovativste Weg, um Geld im Internet zu verdienen. Ein Mix aus Suchmaschinenoptimierung, Amazon-Marketing-Services, cleverer Produktplatzierung. Trotzdem ist es einer der klügsten Wege: minimaler Aufwand, maximaler Ertrag. Als Harald fertig ist, gibt es tosenden Applaus. Simone, die Leiterin der Good School, hat am Anfang des Kurses 50 Euro gewettet, dass nach der „Learning Experience“ der Montag darauf für jeden etwas anders aussehen werde. Marten und Oliver sagen nach dem Vortrag fast zeitgleich: „Mein Montag wird ein bisschen anders aussehen.“ Alle lachen.
Aber ein bisschen Marketing, ein bisschen Datenverarbeitung, ein bisschen Social Media, das reicht nicht aus. Wer mit den Teilnehmern in Hamburg spricht, der hört immer wieder ein zentrales Thema, das die Digitalisierung in ihrem Unternehmen erschwert: das Mindset der Mitarbeiter. „Im Moment ist die Frage, die wir am häufigsten hören: Wie nehme ich die Leute im Unternehmen mit?“, sagt Simone Ashoff.
Das Thema Digitalisierung ist ihrer Ansicht nach noch zu sehr mit Angst besetzt. „Die Leute fürchten sich davor, ihren Job zu verlieren – oder ihr Gesicht.“ Deswegen sei es notwendig, dass auch eine Führungskraft mal sage, dass sie noch nicht genau wisse, welche Richtung die richtige sei. „Die Digitalisierung würde richtig an Fahrt aufnehmen, wenn wir endlich mal alle zugeben würde, dass wir alle keine Ahnung haben“, so die Good-School-Gründerin.
Wie sehr das Thema bewegt, verdeutlicht eine Podiumsdiskussion am Donnerstagabend. Aus den Stuhlreihen im Bootshaus ist ein Halbkreis geworden, auf der kleinen Theke stehen Burger und frittiertes Gemüse, auch Bier und Hugo werden ausgeschenkt. Vorne sitzen drei Gründer, Anna-Lisa Menck von Blinkist, Julian Vester von Elbdudler und Organisationsberater Sven Franke. Das etwas weitläufige Thema auf dem Papier: New Work. In der Diskussion selbst geht es dann aber viel mehr um Führungskultur als um neue Arbeitsweisen.
„Ohne Leadership geht es nicht.“
Blinkist und Elbdudler zählen zu der Generation von Startups, die sich mit Führung im digitalen Zeitalter auseinandersetzen. Beide versuchen, möglichst wenige Hierarchien einzuziehen. Und beide müssen immer mal wieder Anpassungen machen. Anna-Lisa berichtet von dem Holacracy-Experiment in ihrem Unternehmen. Bei der Führungsmethode soll es quasi keine Chefs geben, sondern nur gleichwertige Mitarbeiter, die alles gemeinsam entscheiden. Doch das Experiment funktionierte nicht – es brauchte doch etwas Orientierung. Schließlich bricht es aus Axel aus dem Publikum heraus: „Ohne Leadership geht es nicht“, sagt er. „Man muss irgendwem folgen können.“
Genau wie bei der Digitalisierung: Nur wenn es einen Plan gibt, können die Mitarbeiter eines Unternehmens ihn auch umsetzen.
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Das nächste „Update Digital“ findet vom 07. bis 09. November 2018 in Hamburg statt.