Google Duplex: Googles smarter Assistant steht in den Startlöchern
Smartspeaker heißen sie, aber smart sind sie noch in den wenigsten Fällen. Die Mehrzahl aller Nutzer von Alexa, Google Assistant, Bixby, Cortana und Co. spielt am Anfang mit ein paar unterschiedlichen Funktionen herum, um sich dann mit Basis-Features zufrieden zu geben. Die User konsumieren vor allem Medien und Musik, sie steuern ihr Smarthome oder sie pflegen eine Einkaufsliste.
Das soll sich ändern. Für Google ist der Assistant das universelle Interface der Zukunft. Das gilt für die Android-Phones, das gilt für die Smartspeaker und das gilt bald auch für Chrome. In den USA laufen seit November die ersten Anwendungen, bei denen Chrome beziehungsweise „sein“ Assistant vollautomatisch mit Formularanwendungen auf Websites interagiert. Das gilt zunächst für sehr stark standardisierte Anwendungen wie die Buchung von Kinotickets oder Mietwagen. Es hat auf Dauer aber auch das Potenzial, jede Formularanwendung auf einer Website zu steuern, ohne dass der User sie je direkt aufgerufen, geschweige denn bearbeitet hat. „Okay Google: Buche mir eine Probefahrt für den E-Tron beim nächsten Audi-Händler“.
Dank des Dauer-Logins kann der Assistant zum Beispiel auf den aktuellen Standort oder auch auf den Kalender eines Nutzers zugreifen und die verwendeten Daten daran anpassen. Selbst die Bezahlung kann von Google vollautomatisch übernommen werden, wenn der Nutzer das wünscht.
Freund oder Feind?
Das neue System nennt sich Duplex on the Web. Duplex? Da war doch was? Stimmt. Auf der I/O 2018 zeigte Google einen Assistenten, der ein naturgetreues Telefongespräch mit einem Friseursalon führen konnte, um einen Termin zu buchen. Was die Zuschauer damals erschreckte, war die Tatsache, dass der Bot „vermenschlicht“ wurde. Er zögerte bei Fragen und verwendete überflüssige Füllwörter. Die Dame im Frisiersalon erkannte nicht, dass es sich um eine Maschine handelte.
2019 stellte Google dann die Version für Websites vor und kündigte deren Start für Ende des Jahres an. Das geschah auch. Im November 2019 berichtete ein Android-Portal, dass erste Anwendungen in USA und UK zu sehen sind. In der deutschen Dokumentation von Google findet sich ebenfalls bereits ein Dokument, das Website-Betreibern erklärt, dass ein neuer Crawler unterwegs sei. Der habe nichts mit dem Ranking in der Google-Suche zu tun und versuche nur, zu lernen, wie die Formularanwendungen funktionieren.
Der Anpassungsaufwand für Website-Betreiber wird sich im ersten Schritt in Grenzen halten. Klassische Metadaten und eine sorgfältige Bezeichnung und Sortierung der Formularfelder in der Seite werden schon helfen. Spannend wird es, wenn begrenzte Verfügbarkeiten ins Spiel kommen. Dann muss der Assistant entweder die Datenbankanfrage über das Formular auslösen (kann er Captchas lösen?) und die Ergebnisse interpretieren oder er wird direkt an die Datenbank angebunden, wie das bei Google Shopping der Fall ist.
Komfort für die Nutzer …
Aber will man das überhaupt? Im ersten Schritt ist es verlockend, als Early Adopter auch die innovativen Nutzer zu erreichen, die den Assistant frühzeitig für solche Anwendungen nutzen. Für die User selbst ist das definitiv ein Komfort-Feature, denn sie müssen sich nicht mehr mit unzähligen unterschiedlichen Implementierungen von Buchungssystemen herumschlagen und können diese auch bildschirmfrei beziehungsweise handsfree nutzen.
Und genau diese Standardisierung über viele Anbieter hinweg ist es, die den teuflischen Pferdefuß hat. Fragt mal bei der Hotelbranche nach deren Verhältnis zu Booking.com. Und wie gerne mögen die Fluggesellschaften Opodo?
Das Prinzip ist immer das Gleiche: Die Standardisierung macht es dem User leicht und aggregiert Nachfrage. Chrome hat schon 65 Prozent Marktanteil und wird weiter wachsen, denn durch die Integration des Assistant oder Augmented Reality wächst der technologische Vorsprung auf die Wettbewerber. Hätte Ex-Microsoft Chef Balmer noch Haare, würde er sie sich spätestens jetzt raufen. 2005 saß Microsoft noch in der Pole-Position.
Und wenn genug Nachfrage da ist, dann lässt sich das System natürlich monetarisieren. Booking.com verlangt bis zu 25 Prozent Provision von den Hotels.
… und Daten für Google
Und noch ein Aspekt ist extrem spannend: Google bekommt dadurch immer mehr Transaktionsdaten. Hier hatte Konkurrent Amazon bisher einen großen Vorsprung, aber der schmilzt. Google weiß jetzt schon durch die Suche ungefähr, welcher Kinofilm in welcher Stadt am besten läuft. In Zukunft weiß man es ganz genau. Und solche Daten lassen sich wunderbar im eigenen Advertising-Universum vermarkten. „Sie gehen doch nachher in der Königsstraße ins Kino. Darf ich Ihnen einen Tisch für danach im benachbarten Restaurant reservieren“. Und drei Mal darf man raten, wer diese Anzeige bezahlt.
Die gelernte Strategie der Hotels für diesen Fall ist übrigens, die Kosten für die erste Buchung zähneknirschend an Booking.com zu überweisen und dann möglichst schnell in einen direkten Kontakt mit dem Gast einzutreten, sodass man diesem einen Mehrwert anbietet, wenn er das nächste Mal nicht über die Drittplattform bucht. Und zu Spitzenzeiten wird die Menge der Tickets oder Hotelzimmer, die über Plattformen buchbar sind, einfach kontingentiert. Das wiederum verschafft dem Wettbewerber dann aber einen Vorteil.