Warum kostenpflichtige Retouren mehr Probleme schaffen, als sie lösen
Der Onlinehandel hat es aktuell nicht mehr so leicht wie in den letzten Jahren. Bei vielen Händlern stehen nach den beiden ersten blendend verlaufenen Jahren der Coronazeit die Zeichen nicht mehr auf Wachstum. Unterbrochene Lieferketten, schwierige Verhältnisse in der Logistik und bei der Zustellung, aber auch die Kaufzurückhaltung vieler Kund:innen haben das Leben im E‑Commerce nicht leichter gemacht.
Und dann ist da noch – wieder einmal – die Diskussion um die Retouren. Gut 30 Minuten kostet es im Schnitt den:die Kund:in, Waren zurückzuschicken. Die Händler benennen Kosten, die im Schnitt bei rund 20 Euro pro zurückgeschickter Ware liegen. Die eine Hälfte davon bezieht sich auf den (durchschnittlichen) Wertverlust, die andere auf die Portokosten und das damit verbundene Handling.
Und in der Tat sind deutsche Kund:innen rücksendefreudiger als die europäische Nachbarschaft. Ist international eine Rücksendequote von 52 Prozent üblich, was auch schon recht hoch ist, sollen es laut einer internationalen Studie von Buybay in Deutschland fast zwei Drittel sein.
Zwischen 0 und 20 Euro: Finanzielle Anreize mit Nebenwirkungen
Was also tun? Den Kund:innen pro Rücksendung 20 Euro in Rechnung zu stellen geht natürlich nicht gut. Sie mit den Portokosten an den Rücksendungen zu beteiligen wäre im Prinzip möglich, würde aber auch den Umsatz empfindlich stören.
Planspiele und Prognosen gehen davon aus, dass unterm Strich nichts gewonnen wäre, zumal diese paar Euro kaum erzieherische Wirkung hätten, sondern für die Kund:innen einfach dazugehören wie das verfahrene Benzin auf dem Weg in die Stadt.
Und viele Kund:innen bestellen ja ohnehin schon nicht mehr so viel zur Auswahl wie früher, weil sie „keine Lust mehr aufs Zurückschicken“ haben, wie es ein Vertreter eines Handelsportals formuliert. Einzige Ausnahme seien Waren, bei denen es auf die Passform ankomme, also Bekleidung und Schuhe. Hier werde meist bewusst mehr bestellt, weil klar sei, dass man ohnehin nicht um die Retoure herumkomme.
Da kann dann eigentlich auch nur der Handel mit entsprechenden Tools, dem Abfragen der Größenangaben und dem Zuordnen von Passformen anhand früherer Bestellungen nachhelfen. Abseits von Bekleidung und Schuhen dagegen kommt es auf den Content an – auf aussagekräftige Tests, korrekte Beschreibungen und Videos, die einen realistischen Eindruck der Ware vermitteln.
Doch Vorsicht: Reines Marketing-Blabla wird auch da nicht funktionieren, da es bei dem einen Teil der Kundschaft nicht verfängt und beim anderen Teil die Rücksendung dennoch erfolgen wird, wenn das erhaltene Produkt nicht den Versprechungen entspricht.
Retouren senken durch Thematisierung des Problems
Funktionieren kann hier die Kombination aus Gamification-Ansatz und Fair-Use-Regel – das aber bitte transparent und mit Vorwarnung. Wenn man den Kund:innen aufzeigt, wie viele Rücksendungen sie in der letzten Zeit getätigt haben, dies aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger tut und zugleich vermittelt, dass klar ist, dass bestimmte Waren begutachtet oder angefasst werden müssen, dann geht die Rechnung für alle Beteiligten (und die Umwelt) auf.
All das ist ein riskantes Spiel für den Handel und die Hersteller. Denn die Alternative – und das wäre vielleicht auch im Sinne der Nachhaltigkeit – ist ein partieller Konsumverzicht. So wie durch den E‑Commerce der Konsum zugenommen hat, kann er schließlich auch wieder abnehmen, wenn die Kund:innen nicht mehr so einfach bekommen, was sie wollen.
Dann wird aber der Weg auch nicht, wie sich einige das erhoffen, zurück zum Präsenzhandel führen. Denn es ist ja nicht so, dass nur Waren im Onlinehandel unnötig hin- und hergefahren werden: Wer in letzter Zeit einmal versucht hat, beliebige Gebrauchsgüter in den Innenstädten dieser Republik vor Ort zu erstehen, weiß, dass die Logistikprobleme beileibe nicht nur den Onlinehandel betreffen (was ja auch erstaunlich wäre).
Hinzu kommen im Präsenzhandel nämlich die üblichen Herausforderungen, an jedem Standort alles in allen Varianten verfügbar zu haben. Umweltschützer:innen sollten auch das auf dem Zettel haben und mal einen Filialleiter befragen, wie viel Ware hier nach der Saison ungenutzt in die Zentrale zurückgeschickt oder mit Rabatten jenseits des Einkaufspreises verramscht wird.