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Diese Gründer wollen mit Pilzfasern den Welthunger stoppen

Das Food-Tech-Startup Keen 4 Greens hat eine Anlage entwickelt, mit der Lebensmittel aus Pilzfasern hergestellt werden können – nachhaltig, gesund und kostengünstig. Für die neue t3n-Serie #BesserMacher haben wir mit den beiden gesprochen.

Von Insa Schniedermeier
6 Min.
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Die beiden Keen 4 Greens Gründer Franziskus Schnabel und Daniel MacGowan von Holstein. (Foto: Keen 4 Greens)

Keen 4 Greens hat in seiner Seed-Runde 1,8 Millionen Euro eingesammelt. Mit dem Geld will das Foodtech-Startup seine Produktion veganer Lebensmittel skalieren und ein 6.000 Quadratmeter großes Innovation-Hub in Niedersachsen aufbauen. Das Unternehmen züchtet sogenanntes Myzelium (Pilzgeflecht) von Speisepilzen in einem selbst entwickelten Bioreaktor und will damit unabhängiger vom Weltmarkt für Weizen- und Erbsenproteine werden. Ein Patentantrag läuft.

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Zu den Investor:innen gehören Business-Angels von Better Ventures, wie die Gründer von Ankerkraut oder Flaschenpost, die Gorillas-Gründer Ugur Samut und Kağan Sümer sowie der Ex-HSV-Fußballspieler Dennis Aogo. Angeleitet wurde die Seed-Runde vom Frühphasen-Investor Foodlabs. 

Umami-Geschmack als Vorteil

Speisepilze hätten diverse Vorteile als pflanzliche Proteinquelle, wie Mitgründer Franziskus Schnabel im Zoom-Call erklärt: Sie seien nicht so allergen wie Weizen, könnten nachhaltiger produziert werden als beispielsweise Soja und sie enthielten „alle acht für uns Menschen essenziellen Aminosäuren, die normalerweise in veganen Produkten nicht enthalten sind“.

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Zudem weist er auf den natürlichen „Umami-Geschmack“ von Pilzen hin. Denn Keen 4 Greens will nicht nur Veganer und Veganerinnen ansprechen, sondern alle. Ziel sei es, den Fleischkonsum insgesamt zu reduzieren. So könnten herkömmliche Fleischprodukte beispielsweise mit dem Myzel von Keen 4 Greens gestreckt werden, ohne dass man es schmeckt.

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Burger statt Anwaltsjob

Die beiden Gründern Franziskus Schnabel und Daniel MacGowan von Holstein betonen, dass die Produkte clean seien, also ohne eine Vielzahl an Zusatzstoffen auskämen. Beide haben einen Hintergrund in Gastronomie und Lebensmittelproduktion. 

Schnabel hatte als Architektur-Student „durch Zufall“ einen alten Bauernhof auf dem Land gekauft, mit dem er zunächst als Wochenendprojekt unter der Marke Beef & Basics in die Produktion von hochwertigem Rindfleisch einstieg. „Ich habe immer gerne gekocht, hatte aber Schwierigkeiten, die richtigen Zutaten zu bekommen“, erinnert er sich. Das sei jetzt acht Jahre her. Über sein Business lernte Schnabel bald Co-Gründer Daniel MacGowan von Holstein kennen. Der gelernte Rechtsanwalt hatte seinen gut bezahlten Anwaltsjob aufgegeben, um in Hamburg die Burger-Kette Otto’s Burger aufzubauen. 2019 gründeten die beiden dann Keen 4 Greens, um gemeinsam pflanzenbasierte Fleischalternativen zu entwickeln.

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Vorbild Beyond Meat

Los ging es damals mit dem Experimentieren an veganen Burger-Pattys à la Beyond Meat. „Das Absurde an den Beyond Meat Pattys war, dass sie aus den USA hierher geschifft wurden. Es gab ständig Lieferengpässe und einfach wahnsinnig viel, was dagegensprach, ein Burger-Patty über den Seeweg hierherzubringen“, erinnert sich Schnabel. Die Experimente gelangen. „Wir haben das ganz gut hingekriegt, mit weniger Zusatzstoffen und dabei regional produziert“, sagt Schnabel. 

Weiter ging es mit veganer Mayonnaise und einer Alternative zu Chicken Nuggets. So ganz ohne Zusatzstoffe sei es anfangs aber nicht gegangen. Die Mayonnaise hätte sich ansonsten nach 14 Tagen aufgelöst und angefangen zu „weinen“. Mit modifizierter Stärke konnten die beiden Gründer das Problem schließlich lösen und das Geschäft begann gut anzulaufen. Zu den ersten Abnehmer:innen von Keen 4 Greens gehörten Edeka sowie verschiedene Lebensmittelgroßhändler wie Chefs Culinar, die Gastronomie-Betriebe belieferten. „Doch dann kam uns 2020 Corona in die Quere“, sagt Schnabel.

Vegan allein reicht nicht

Rückblickend sei die Corona-Pandemie gut für die beiden Gründer gewesen, da sie all das, was sie bis dato gemacht hatten, infrage stellten. Zum Beispiel: „Wollen wir eigentlich wirklich ein reines Comfort-Food herstellen, das nicht ohne Zusatzstoffe auskommt?“ Die Antwort lautete: Nein. Der Vegan-Faktor allein reiche Schnabel zufolge nicht aus: „Es ist zwar schön, wenn man Produkte bauen kann, die schmecken und ohne tierische Inhaltsstoffe auskommen. Aber wenn sie dem Menschen nicht guttut, dann ist das auch nicht cool“. Vegan, gesund und clean sollte es sein.

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In der Nassextrusion fanden die beiden schließlich ihre Lösung für die Herausforderung, dass die Produkte ohne Bindemittel nicht stabil blieben. „In dieser Maschine wird das Protein neu miteinander vernetzt, sodass es eine Bindung bekommt und eine Fleisch-ähnliche Textur entwickelt“, erklärt Schnabel den Prozess. Dabei bräuchte man sogar nur zwei Zutaten: Proteinisolat aus Erbsen und Wasser. 

Das Ergebnis ist in Keen 4 Greens neuen clean-label Fleischersatzprodukten zu finden, die nur fünf Zutaten enthalten. „Schmecken soll es schließlich auch“, sagt Schnabel. Alle Produkte kämen aber ohne Zusatzstoffe, Allergene wie Weizen oder Soja, Aromen oder Farbstoffe aus.

Next step: Pilzprodukte

Die cleanen Fünf-Zutaten-Produkte sind aber nur ein Meilenstein auf der Roadmap von Keen 4 Greens. Ihre eigentliche Begeisterung und Hoffnung liegt derzeit auf der Produktion von Fleischersatzprodukten aus Pilzfasern, im Fachjargon Myzelium genannt.

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Die Myzelium-Produktion ist alles andere trivial. Doch mit den richtigen Menschen am richtigen Ort haben die beiden Gründer schließlich eine Lösung dafür gefunden, die sie sich nun auch patentieren lassen wollen. „Biomass fermentation“ heiße die aus dem Pharmabereich bekannte Schlüsseltechnologie dahinter und sie sei laut Gründer MacGowan von Holstein so „groundbreaking“, dass sie das Potenzial habe, den Welthunger zu stoppen. Denn für die Produktion von Myzelium benötigt man nicht viel.

2 Liter Wasser für 1 Kilogramm Biomasse

Für den Fermentationsprozess könnten Nebenprodukte aus der Lebensmittelproduktion wie Kartoffelschalen oder Apfeltrester verwendet werden, was das Ganze nachhaltig mache. Auch der Wasserbedarf sei gering. „Zwei Liter Wasser ergeben mit unserer Technologie ein Kilogramm Biomasse“, sagt Schnabel. „Zudem sind wir effizienter in der Produktion der Lebensmittel, da die Wachstumszeit von Myzelium wesentlich kürzer ist als der natürliche Wachstumsprozess von Weizen oder Erbsen.“

Ein Blick hinter die Kulissen der Myzelium-Produktion. (Bild: DIL Technologie GmbH)

Ein Blick hinter die Kulissen der Myzelium-Produktion. (Foto: DIL Technologie GmbH)

Derzeit basteln die beiden an einer Art Pop-up-Fabrik in Schiffscontainern, die man auch in andere Länder exportieren können soll. Denn den Gründern zufolge mache es einfach keinen Sinn, Lebensmittel durch die Welt zu verschicken. Produziert werden solle da, wo Weizen, Erbsen oder Soja auch angebaut werden. Lediglich Strom könne ein Nadelöhr sein. In Nigeria sei das Problem beispielsweise, dass es dort nur acht Stunden Strom am Tag gebe, sagt MacGowan von Holstein. 

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Ein weiteres Argument dafür, eigene Produktionsanlagen zu entwickeln, seien die immens hohen Kosten der existierenden Fermentationsanlagen: Eine Investition von 100 bis 150 Millionen Euro mache für Lebensmittelproduzenten wie Keen 4 Greens derzeit keinen Sinn.

Inzwischen ist die Entwicklungsphase der Myzelium-Anlage so gut wie abgeschlossen. „Wir sind jetzt selbst in der Lage, diese Fermentationsanlagen zu bauen, und gerade dabei, sie zu optimieren. Sobald die Optimierung vollzogen ist, können wir schnell skalieren und dann auch beliebig viel Volumen schaffen, je nachdem wie viel Pilzmyzel wir brauchen“, sagt MacGowan von Holstein.

Eine eigene Fabrik auf 6.000 Quadratmetern

Bislang habe sich Keen 4 Greens aus eigenen Mitteln finanziert, gebootstrappt also. Mit dem frischen Seed-Kapital sollen die derzeitigen Entwicklungsprojekte beschleunigt werden. Für den weiteren Ausbau des Labors und der Produktionsanlagen auf dem 6.000 Quadratmeter großen Grundstück in Niedersachsen sei zudem eine Series-A-Runde in Planung – damit die neuen Produkte so schnell wie möglich auf unsere Teller kommen. Derzeit plant das Unternehmen mit einem Launch der Myzelium-Produkte innerhalb der kommenden Wochen.

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Neben einem 400 Quadratmeter großem Labor sollen auch Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Gelände in Niedersachsen geschaffen werden. „Wir planen, kleine Cottages für Besucher:innen zu bauen, beispielsweise für Studierende, die bei uns ihre Doktorarbeit schreiben wollen, oder für Mitarbeiter:innen, die nur drei Tage die Woche vorbeikommen“, sagt Schnabel. Die Anbindung sei gut, zwei Bahnhöfe in der Nähe, zudem haben die Gründer bereits E-Fahrzeuge für den Transport bestellt.

In Zukunft dürften noch weitere Food-Innovationen von Keen 4 Greens zu erwarten sein. „Wir wollen nicht in drei Jahren einen Exit machen und dann mit dem Boot durch die Karibik schippern. Wir wollen diese Firma weiterbringen und weitere Innovationen liefern“, sagt Schnabel. „Deswegen haben wir auch diese 6.000 Quadratmeter gekauft und bauen da diese riesen Anlage. Wenn es nur um einen schnellen Exit ginge, wie bei vielen anderen Startups, dann hätten wir das alles leaner gehalten“, ergänzt MacGowan von Holstein.

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