Inhalte statt Aufreger auf der CES: Ivanka Trump hält eine Ode an die Berufsausbildung
Am Ende der Rolltreppe stand dann doch eine einsame Protestiererin: Auf einem kleinen Plakat forderte sie, dass Kinder von neuen Einwanderern nicht mehr von ihren Eltern getrennt werden sollten. Die Massen an Besuchern der Tech-Messe CES 2020 in Las Vegas, die aus der Keynote von Präsidenten-Tochter und -Beraterin Ivanka Trump strömten, würdigten sie kaum eines Blickes.
Fünf Etagen höher war der Protest zuvor gänzlich ausgeblieben. Ivanka Trump war von den Besuchern im Ballsaal eines Luxushotels mit freundlichem Applaus begrüßt worden. Zuvor hatte es jedoch gegen den Auftritt massive Proteste gegeben: Prominente Bloggerinnen, Journalisten und Netzaktivisten hatten sich darüber empört, dass einer der raren weiblichen Keynote-Auftritte an die Trump-Tochter ging – und nicht an prominente Vertreterinnen der Tech-Branche. Zahlreiche der traditionell liberalen Unternehmen hatten zwar von den jüngsten Steuersenkungen des US-Präsidenten massiv profitiert – gegen die immer restriktivere Einwanderungspolitik gibt es jedoch großen Widerstand.
Unter dem Hashtag #BoycottCES riefen Twitter-Nutzer daher kurz vor Auftakt der CES dazu auf, die Veranstaltung zu meiden. Vor dem Konferenzraum, vor dem die Besucher in langen Schlangen geduldig warteten, wurde darauf hingewiesen, dass Schilder aller Art im Saal verboten waren. Sicherheitskräfte waren schnell zur Stelle, wenn einige Besucher zu lange für ein Smartphone-Foto der Präsidenten-Tochter von ihren Sitzen aufstanden. Doch Protest- oder Buhrufe gegen Trump waren nicht zu hören.
Der Veranstalter der Messe, deren Hallen am gestrigen ersten Tag vor Besuchern überquollen, hatten die umstrittene Einladung zuvor vehement verteidigt. Man pflege langjährige Beziehungen zu Politikern, mehr als 200 Vertreter aus verschiedenen politischen Lagern seien in diesem Jahr vor Ort, sagte Gary Shapiro, Präsident der Consumer Technology Association (CTA), im Vorfeld der Keynote gegenüber t3n. Als Regierungsberaterin leite Ivanka Trump mit US-Handelsminister Wilbur Ross einen nationalen Beirat zur Zukunft der Arbeit, so Shapiro. „Da ist es nur natürlich, dass man ein wichtiges Thema mit einer wichtigen Person bespricht.“
Thema Arbeit taucht immer wieder auf
Das Thema Arbeit taucht auf der CES 2020 immer wieder auf – mal direkt, mal indirekt. Zahlreiche autonome Autos und Flugtaxis stehen für ein Zeitalter, in dem zahlreiche heutige Jobs nicht mehr existieren werden. Dieser Wandel sorgt – wie auch in Deutschland – für Unsicherheit und Ängste bei vielen Arbeitnehmern. Gleichzeitig haben vier von fünf Unternehmen, die in der CTA organisiert sind, schon heute Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Gerade für Schlüsselpositionen in der Tech-Industrie, etwa Programmierer oder Datenspezialisten, gibt es deutlich mehr Nachfrage als qualifizierte Kandidaten.
Auf diese Herausforderung hatte Ivanka Trump jedoch einen positiven Blick: Es zwinge die Arbeitgeber dazu, kreativer zu werden, sagte sie auf der Bühne. Dazu zählt sie in erster Linie den Schritt, von den klassischen amerikanischen Lebensläufen abzuweichen. „Es herrscht der Glaube vor, dass es einen richtigen Weg gibt“, sagte Trump, „und das sind vier Jahre auf dem College.“
Für viele Stellen sei ein akademischer Abschluss jedoch gar nicht notwendig, so Trump. Auch in Tech-Berufen könne eine praxisnahe Berufsausbildung weiterhelfen. Ihre erste internationale Reise, so berichtet die 38-Jährige, habe sie 2017 nach Berlin geführt. Dort hatte sie sich unter anderem das Ausbildungszentrum von Siemens zeigen lassen – „der Goldstandard der Ausbildung“, wie sie jetzt auf der CES 2020 lobte.
Auch Umschulungen im Gespräch
Zarte Export-Versuche des dualen Ausbildungsmodells gibt es bereits in den USA. Deutsche Autobauer bilden so Mitarbeiter für ihre Werke in den Südstaaten der USA aus. Und im vergangenen Jahr hatte IBM auf der CES das eigene Ausbildungsprogramm für andere Unternehmen geöffnet. 40 Firmen aus der CTA hätten sich bereits angeschlossen, so Verbandschef Shapiro. Darunter Amazon, HP, Sony oder T-Mobile. „Wir blicken nach Deutschland, wir versuchen uns an demselben Konzept“, sagte Shapiro.
Ebenso im Blick: Die mögliche Umschulung von Millionen von Arbeitnehmern. Gerade in Großkonzernen dürften sich in den kommenden Jahren zahlreiche Jobprofile ändern – ohne dass ausreichend Nachwuchs bereitsteht. Auch das beschäftigt Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks. Autozulieferer Bosch etwa kündigte auf der CES 2020 an, 20.000 eigene Mitarbeiter in den kommenden Jahren „tech-savvy“, also fit für die Digitalisierung, zu machen. Das Spektrum reicht dabei von kompakten Schulungen zu digitalen Geschäftsmodellen bis zur kompletten Ausbildung zum Datenspezialisten, die einige erfahrene Ingenieure durchlaufen sollen.
Trump forderte die Unternehmen auf, aktiv zu werden und eigene Programme zu entwickeln: „Es reicht nicht, nur für die Steuersenkungen dankbar zu sein.“ Staatliche Umschulungen würden nicht funktionieren, so Trump, der private Sektor wisse besser, welche Fähigkeiten gebraucht werden. Statt starrer Abschlüsse könnten so auch im US-Arbeitsleben einzelne Bildungsbausteine immer wichtiger werden. Der US-Regierung schwebt dafür ein „Interoperabler Lern-Nachweis“ vor – eine Datenbank, in der Zertifikate und Weiterbildungen jedes Arbeitnehmers gespeichert werden.
Disclosure: Die Reise unseres Autors zur CES 2020 wurde von der CTA finanziert. Einfluss auf die Berichterstattung hat das nicht.
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