Vom abgelehnten iPhone zum verpassten KI-Boom: Intels lange Liste von Fehlentscheidungen

Der kriselnde Chipkonzern Intel hat die milliardenschweren Pläne für eine Fabrik in Magdeburg aufgegeben. Intel werde künftig Kapazitäten nur noch ausbauen, wenn es dafür genug Nachfrage von Kunden gebe, sagte Firmenchef Lip-Bu Tan. Dieser „neuen Ausgaben-Disziplin“ wird auch der geplante Standort in Polen zum Opfer fallen. Zudem läuft der nächste Stellenabbau.
Das Aus für Magdeburg kommt nicht ganz überraschend. Schon im September vergangenen Jahres wurde das Projekt aus Eis gelegt – für zwei Jahre, wie damals hieß. Das Werk in Deutschland war Teil eines ambitionierten Plans des vorherigen Chefs Pat Gelsinger, Intel aus der Krise zu führen. Er wollte den Halbleiter-Pionier auch als Auftragsfertiger für andere Chip-Firmen etablieren. Die neuen Fabriken sollten her, um potenziellen Kunden ordentlich Kapazität bieten zu können.
Zudem setzte Gelsinger darauf, dass die USA und Europa mehr Chip-Produktion aus Asien in den Westen holen wollen – und dafür auch viel Geld in die Hand nehmen. Intel bot sich ihnen als vertrauenswürdiger Partner an.
Es war ein gewagter – und teurer – Plan, der am Ende gegen die Wand ging. Verzögerungen bei neuen Produktionsprozessen und Zweifel potenzieller Kunden ließen die Zeit schwinden, in der Gelsinger das Ruder herumreißen wollte. Und auch wenn die Bundesregierung 2023 staatliche Hilfen von 9,9 Milliarden Euro für die Ansiedlung in Magdeburg in Aussicht stellte – Intel hätte noch einmal doppelt so viel aufbringen müssen. Das Geld wurde aber durch fortlaufende Verluste knapper. Gelsinger musste Ende 2024 gehen.
Sein Nachfolger geht mit der Wachstumsstrategie der vergangenen Jahre hart ins Gericht. Die Fabrik-Investitionen seien «unklug und maßlos» gewesen, kritisierte Lip-Bu Tan nach Vorlage aktueller Quartalszahlen. Und die geplanten Kapazitäten hätten die Nachfrage weit überschritten. Jetzt will Intel sogar beim Werk im US-Bundesstaat Ohio im Heimatmarkt das Tempo der Bauarbeiten drosseln.
Intel lehnt iPhone-Deal mit Apple ab
Einer der größten Fehltritte Intels fand schon Anfang der 2000er statt. Damals wendete sich Apple an Intel. Das Angebot: Der Chiphersteller sollte die Produktion des Prozessors für das erste iPhone übernehmen. Damals führte CEO Paul Otellini Intel an. In einem Interview mit The Atlantic erklärte er, wie es damals zu der Entscheidung kam:
„Am Ende des Tages gab es einen Chip, an dem sie interessiert waren; für den sie einen bestimmten Preis zahlen wollten, aber keinen Nickel mehr. Und dieser Preis lag unter unseren vorhergesagten Kosten.“ Otellini betont, dass dies alles vor der Ankündigung des iPhones stattfand und niemand abschätzen konnte, wie groß das Interesse an Apples erstem Smartphone wirklich ausfallen würde. Er fügte hinzu: „Die Welt würde heute ganz anders aussehen, wenn wir es gemacht hätten“. 2013 nahm Otellini dann seinen Hut als Intel-CEO. Das geschah aufgrund des Drucks durch Investor:innen.
Im Chip-Rennen von der Konkurrenz überholt
Nach Otellini folgte Brian Krzanich als CEO von Intel. Allerdings sorgten auch seine Entscheidungen für jahrelange Probleme bei dem Chiphersteller. Allem voran, weil sich Krzanich 2014 gegen die sogenannte „Extreme Ultraviolet Litography“ entschied. Dabei handelt es sich um eine Technik, um die Anzahl der Transistoren auf Halbleitern zu erhöhen. Damals glaubte der Intel-CEO nicht daran, dass sich die Technik durchsetzen würde.
Intel-CEO Krzanich sagte dazu: „Wir wissen, dass wir 10-nm-Chips auch ohne EUV herstellen können.“ Stattdessen setzte das Unternehmen auf „Multipattering“, um mehr Transistoren unterzubringen. Laut EETimes führte diese Methode zu größeren Problemen der Chipreihe. Dazu zählten etwa längere Produktionszyklen, höhere Fehlerquoten und dadurch gestiegene Kosten für Intel.
Heute wird EUV nicht nur von Konkurrenten wie Samsung und TSMC genutzt, sondern auch von Intel selbst – allerdings erst seit der darauffolgenden Generation der 7-nm-Prozessoren. Hätte das Unternehmen früher auf die Technik gesetzt, wären sie schon ein gutes Stück weiter. Die Entscheidung sorgte unter anderem dafür, dass Samsung Intel als erfolgreichster Chiphersteller der USA überholen konnte. Zudem setzte sich der taiwanesische Hersteller TSMC als Produktionsstätte für Chips an die weltweite Spitze – unter anderem mit Kunden wie Apple und ihrem eigenen iPhone-Prozessor.
Den Moment für künstliche Intelligenz verpasst
2018 trat Krzanich als Intel-CEO zurück. Das war unter anderem die Folge der weiter oben genannten Fehlentscheidungen. Auf ihn folgte Bob Swan, der bis dahin als CFO von Intel tätig war. Doch auch Swan traf in seiner Amtszeit bis 2021 eine folgenschwere Entscheidung für das Unternehmen. Wie Reuters berichtet, wurden Intel zwischen 2017 und 2018 Investitionsmöglichkeiten in das damalige Startup OpenAI vorgelegt.
Genauer gesagt sollte Intel 15 Prozent der Anteile an OpenAI kaufen. Das entsprach damals etwa einem Wert von einer Milliarde US-Dollar. Zudem stand im Raum, dass Intel 15 weitere Prozent am KI-Startup haben könnte, wenn sie die notwendigen Prozessoren für das Training künstlicher Intelligenzen zum Herstellungspreis an OpenAI verkaufen würden.

Intel hätte schon früher in KI investieren können. (BIld: Shutterstock/Below the Sky)
Wie wir heute wissen, ist dieser Deal nie zustande gekommen. Stattdessen setzt OpenAI heute auf Rechenpower von Nvidia. Die Entscheidung traf damals Intel-CEO Swan, weil er nicht daran glaubte, dass generative KI-Modelle in den nächsten Jahren auf den Markt kommen würden. Dementsprechend sah er die Investition mit dem Risiko verbunden, dass OpenAI das Geld in den Sand setzen würde.
Heute gehört OpenAI zu den erfolgreichsten Unternehmen im KI- und Tech-Bereich. Auch Nvidia profitierte enorm von der Zusammenarbeit mit dem einstigen Startup. Mittlerweile setzt auch Intel auf Prozessoren, die KI unterstützen. Die Lunar-Lake-Reihe, die im September 2024 gestartet ist, soll das Ruder für Intel herumreißen. Aber ist das Unternehmen damit zu spät auf den KI-Zug aufgesprungen?
Neue CPUs mit Problemen
Als 2021 Swan durch den neuen Intel-CEO Pat Gelsinger abgelöst wurde, hatten viele Investor:innen Hoffnungen. Der Chiphersteller hatte durch die Corona-Pandemie neuen Aufwind erfahren und den Gewinn im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gesteigert. Auf diesem Erfolg wollte Gelsinger aufbauen. Sein Ziel: „Five nodes in four years“, also fünf Chipgenerationen in vier Jahren.
Zu diesem ambitionierten Ziel gehörte auch die 2022 veröffentlichte Generation Intel 7, zu denen Raptor Lake CPUs zählen. Allerdings sorgten diese auch für wenig Begeisterung bei den Nutzer:innen. Immer wieder gab es Berichte über Stabilitätsprobleme, Abstürze und Speicherbeschädigungen (via The Register). Gamer:innen bekamen etwa die Fehlermeldung „Out of video memory“, wenn sie Fortnite spielten.
Zudem berichtete das Entwicklerstudio Alderon Games, das Path of Titans entwickelt hat, dass sie tausende Absturzberichte von Spieler:innen bekommen haben, die Raptor Lake CPUs in ihren Rechnern verbaut hatten. Auch die Server der Spieleschmiede stürzten laut den Verantwortlichen immer wieder ab, weil besagte CPUs darin zum Einsatz kamen. Das Studio wechselte nach einigen Fehlschlägen zu AMD, um die Server stabil betreiben zu können.
Es sollte mehrere Jahre dauern, bis Intel die Probleme der CPU-Reihe aufdecken konnte. Erst im September 2024 äußerte sich Intel zur Ursache. Demnach soll das Problem an „Vmin shift instability“ liegen. Im Grunde bedeutet das, dass die CPUs abstürzen, wenn sie für eine zu lange Zeit hoher elektrischer Spannung und einer erhöhten Temperatur ausgesetzt werden. Einige Gamer:innen haben diese Probleme umgehen können, indem sie die CPUs undervolten, also die Spannung reduzieren.
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Finanzielle Probleme und Entlassungswellen
Unterm Strich gab es im letzten Quartal einen Verlust von 2,9 Milliarden Dollar nach roten Zahlen von 1,6 Milliarden Dollar ein Jahr zuvor. Dabei betont Intel, das Geschäft sei in den vergangenen Monaten durch Sorgen rund um die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump zusätzlich angekurbelt worden. Kunden packten aus Angst vor neuen Zöllen zum Teil Chips auf Lager. Dieser Effekt lasse inzwischen nach.
Die Zahl der Mitarbeiter soll zum Jahresende auf rund 75.000 sinken. Lip-Bu Tan sprach in einer E-Mail an die Belegschaft von einem Abbau um etwa 15 Prozent. Doch die Zahl der Intel-Beschäftigten war bereits zum Ende vergangenen Jahres auf knapp 109.000 von gut 124.000 Ende September gesunken.
Noch ein Zeichen für die Krise von Intel: Der Konzern räumt ein, dass er die Entwicklung seiner modernen Prozessor-Technologie 14A fallenlassen könnte, wenn sich dafür nicht genug Kunden finden. Analyst Matt Bryson von Wedbush Securities sieht in einer solchen Einstellung ein Problem. Die Intel-Aktie fiel im nachbörslichen US-Handel um mehr als vier Prozent.
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Mit Material der dpa