Aktivismus ftw: Wie ein Y-Titty-Star und ein Buzzbird-Gründer die Welt verbessern wollen
Kunst hatte schon immer auch eine politische Seite; das hat sich in Zeiten von Social Media nicht geändert. Ob Feminismus, Antirassismus oder Nachhaltigkeit: Immer mehr Content Creators und Influencer positionieren sich aktivistisch. An sie richtet sich das neue Unternehmen von Oğuz Yilmaz und Felix Hummel. Das Künstler*innen-Management will nicht nur Werbepartnerschaften vermitteln, sondern vor allem aktivistische Inhalte fördern. Mirella Precek (Mirellativegal) und Madeleine Alizadeh (Dariadaria) gehören zu ihren ersten Klientinnen.
Im Interview sprechen die beiden Gründer über ihren Antrieb und darüber, was sie in Zukunft von Unternehmen erwarten.
t3n: Würdet ihr euch selbst als Aktivisten bezeichnen?
Oğuz Yilmaz: Ja, schon – aber ich glaube, es gibt unter Aktivist*innen Unterschiede. Einige sind da sicher radikaler als ich. Ich finde es gut, aktivistisch zu sein, und finde, dass man das auch im Werbe- und Kommunikationsumfeld sein kann oder sogar auch sollte. Das machen noch zu wenige.
Felix Hummel: Ich sehe mich auch als Aktivist, vor allem in meinem Berufsumfeld. Ich solidarisiere mich zum Beispiel stark mit Fridays for Future und Entrepreneurs for Future. Ich finde es sehr wichtig, im beruflichen Umfeld aktivistisch zu sein und nicht nur privat.
t3n: Wie kam es zu der Idee, aus eurem eigenen aktivistischen Interesse heraus ein Künstler*innen-Management zu gründen?
Oğuz Yilmaz: Wir haben die Expertise für Social Media und Influencer-Marketing. Andere wiederum können besser Demos oder Kongresse organisieren und Lobbyarbeit betreiben. Durch unsere Arbeit mit den richtigen Künstler*innen, können wir ihnen helfen, Aufmerksamkeit zu bekommen. Auch das ist aktivistische Arbeit. Da gibt es Potenzial: Es gibt so viele Menschen, die eine Stimme haben, die das Herz am rechten Fleck haben und mit denen wir gerne arbeiten wollen. Denen können wir helfen, dass sie mit ihrer Message mehr Reichweite bekommen. Das ist unsere aktivistische Arbeit.
t3n: Social-Media-Stars und Influencer gelten gemeinhin als käuflich, wenn sie beispielsweise Werbekooperationen eingehen. Wie geht das mit Aktivismus zusammen?
Felix Hummel: Es ist durchaus legitim, mit seiner Arbeit Geld zu verdienen. Aber wir sind der Meinung, persönliche Bereicherung und Maximierung des eigenen Wohlstandes sollten niemals das Ziel sein. Bei den Künstler*innen, die wir vertreten, ist genau das gegeben.
t3n: Aber leidet da nicht die Glaubwürdigkeit dieser Künstler*innen und ihrer Botschaften?
Felix Hummel: Geld verdienen müssen wir alle, aber wenn man die richtigen Projekte auswählt, supportet und das entsprechend kommuniziert, besteht da überhaupt kein Problem. Die Künstler*innen, die wir vertreten, sind ja ohnehin schon Persönlichkeiten, die sich sehr stark aktivistisch positionieren.
Oğuz Yilmaz: Es ist wichtig, seinen Idealismus einen Tick zurückzuschrauben. Es ist aktuell einfach nicht möglich, als Social-Media-Künstler*in erfolgreich zu sein und keine Werbung zu machen, komplett kostenlos seine Reichweite und sein Team aufzubauen und aus eigener Tasche aktivistisch zu sein und die richtigen Werte nach außen zu tragen. Von welchem Geld denn? Dazu braucht es die richtigen Partner. Das bedeutet beispielsweise auch, dass wir mit der Deutschen Bahn zusammenarbeiten und eben nicht mit der Lufthansa.
t3n: Ein Mittelweg also?
Oğuz Yilmaz: So idealistisch und verkopft sind wir nicht, dass wir sagen: Es geht nur ganz oder gar nicht. Für „the greater cause“ hilft es uns allen, wenn wir die Möglichkeit haben, durch die Auswahl der richtigen Partner zu wachsen und noch mehr zu erreichen. Das bedeutet auch, bei 95 Prozent der Anfragen Nein zu sagen. Mit den richtigen Partnern kann man sich eine Sicherheit schaffen, dank der man den Raum hat, weiter aktivistisch zu sein. Aber Gewinnmaximierung darf nie das höchste Ziel sein.
t3n: Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen erfüllen, damit ihr eine Zusammenarbeit vermittelt?
Felix Hummel: Wenn Unternehmen keine nachvollziehbare Nachhaltigkeitsstrategie haben, werden wir nicht mit ihnen zusammenarbeiten.
Oğuz Yilmaz: Da reicht es schon, den gesunden Menschenverstand anzukurbeln. Wir haben inzwischen genug Erfahrung, um durch Gespräche und Recherche herauszufinden, wer es ernst meint und wer einfach eine Greenwashing-Kampagne fährt. Wir haben keine Liste an Kriterien, anhand derer wir sagen: Das ist ein grünes Unternehmen und das nicht. Das braucht viel Fingerspitzengefühl und Recherche. Wir sehen das als wichtigen Teil unserer Arbeit, um unsere Künstler*innen zu schützen.
t3n: Marketing mit Haltung ist ein großer Trend. Wie groß ist die Gefahr, dass Firmen einfach auf diesen Zug aufspringen, ohne wirklich Substanz zu liefern?
Oğuz Yilmaz: Natürlich ist es gut, wenn immer mehr Unternehmen Stellung beziehen. Aber wenn das nicht gelebt wird, dann merkt man das auch ganz schnell. Wenn man zum Beispiel eine Equality-Kampagne fährt, aber in den wichtigen Positionen sitzen nur Männer und Frauen sind nur in der Buchhaltung oder in Assistenzrollen, dann bedeutet das für uns auch, dass es jede Menge Firmen gibt, mit denen wir eben nicht zusammenarbeiten wollen.
t3n: Findet da gerade ein Paradigmenwechsel statt?
Felix Hummel: Ja, das konnten wir in den letzten Jahren feststellen. Immer mehr Angestellte verlassen ihre alten Unternehmen und werden in selbstgegründeten Firmen aktiv, wo sie alte Verhaltensweisen umdrehen und besser machen. Wir sehen auch, wie sich immer mehr Firmen formieren, die ihr Konzept wirklich nachhaltig aufbauen – wie Tomorrow im Bankensektor oder auch Ecosia. Diese Entwicklung begrüßen wir sehr. Für uns heißt das, dass wir eine immer größere Auswahl an möglichen Kooperationspartnern haben.
Oğuz Yilmaz: Man kann das auch lancieren. Vor drei bis vier Jahren war es noch nicht so einfach, Partner zu finden, die nachhaltig sind und das glaubwürdig vertreten. Firmen, wie beispielsweise Armed Angels, sind schon lange am Markt, aber bekommen erst jetzt vermehrt Aufmerksamkeit. Auch dadurch, dass es jetzt Künstler*innen gibt, die die Aufmerksamkeit auf solche Firmen und Produkte lenken. Dadurch entstehen Budgets für mehr Kooperationen und mehr Künstler*innen merken, dass es nicht immer „die Großen“ braucht. Man kann auch mit kleineren, nachhaltigen Firmen kooperieren und trotzdem Geld verdienen. Das beeinflusst sich gegenseitig. Wir sehen dort ganz klar unsere Stärke, vielen guten Firmen und Startups, die wirklich diesen Paradigmenwechsel gestalten wollen, helfen zu können.
Felix Hummel: Gerade die Künstler*innen und Content Creators haben den Draht zu den Konsument*innen. Und wenn immer mehr von deren Partnern nachhaltig sind, dann wird auch die Community damit konfrontiert und kann einen enormen, positiven Einfluss ausüben.
t3n: Nach welchen Kriterien sucht ihr eure Klient*innen aus, die ihr vertreten wollt?
Oğuz Yilmaz: Ich war selbst jahrelang vor der Kamera tätig und weiß, wie es ist, von anderen vertreten zu werden. Wenn ich finde, dass eine Person nicht sympathisch ist, dass ihre Inhalte nicht witzig oder schlecht gemacht sind, dass es mich einfach nicht interessiert, dann bringt das nichts. Wir haben keine Lust dazu, dass die Kooperation einfach nur Arbeit ist. Als nächstes schauen wir, wie glaubwürdig die Person ist. Wer will einfach nur auf einen Zug aufspringen? Wer will ein paar Kampagnen machen, um sich so ein bisschen „green“ aufzustellen, und fliegt aber trotzdem jede Woche in Deutschland hin und her oder fährt mit dem dicken Auto 100 Meter zum Bäcker? Sympathie und Glaubwürdigkeit stehen an erster Stelle. Erst danach schauen wir, wie rentabel eine Zusammenarbeit sein kann.
t3n: Wer im Netz aktivistisch tätig ist – vor allem als Frau, Person of Color oder anderweitig marginalisierte Person – ist großem Hass und Anfeindungen ausgesetzt. Wie unterstützt ihr eure Künstler*innen?
Oğuz Yilmaz: Wenn man ein bisschen im Internet unterwegs ist, weiß man, dass es dort sehr stark antifeminstische, sexistische Communitys auf allen möglichen Plattformen gibt. Wenn man laut ist, bekommt man das voll ab. Wir sind technisch natürlich nicht so aufgestellt, dass wir alle blockieren oder alles löschen können. Aber was wir leisten können, ist der emotionale Support. Wir schauen auch, inwieweit wir dabei mit Hateaid zusammenarbeiten können, um das abzufedern.
Felix Hummel: Wir haben ein emotional sehr starkes Verhältnis zu den Künstler*innen, die wir vertreten. Daher stärken wie ihnen auch in solchen Fällen den Rücken. Da wir an die Werte glauben, die wir vertreten, ist uns klar, dass es immer wieder Kritik geben wird. Wir stellen uns da ganz klar vor unsere Künstler*innen.
t3n: Vielen Dank für eure Zeit!