Jeff Bezos und die Gründungsgeschichte von Amazon
Der typische New Yorker Wind pfiff vermutlich durch die Straßenschluchten von Manhattan, als Jeff Bezos und sein Chef David E. Shaw angeregt diskutierend durch den Central Park spazierten. Gerade hatte Bezos Shaw, Inhaber einer Investmentfirma, seine Idee eines Onlinebuchhandels erläutert und wartete auf eine Antwort des Milliardärs. Die lautete dann: „Das ist eine sehr gute Idee, aber es wäre eine noch viel bessere Idee, wenn du nicht schon einen guten Job hättest.“ Doch von diesem Einwand sollte sich der spätere Amazon-Gründer nicht beirren lassen. Noch im selben Jahr verließ Bezos seinen Chef Shaw und New York City und machte sich auf eine Reise, die ihn nach Seattle und an die Spitze der Liste der reichsten Männer der Welt.
Jeff und MacKenzie Bezos gründen Amazon
Ob Jeff Bezos ohne seine damalige Frau MacKenzie das Unternehmen Amazon gegründet hätte, ist schwer zu sagen. Es heißt, dass er ohne die Zustimmung seiner Frau das Wagnis nicht eingegangen wäre. Beim Axel-Springer-Award 2018 in Berlin plauderte Bezos über die Gründung und erwähnte, dass er Amazon zusammen mit ihr auf den Weg gebracht hätte.
Eines Tages stand Bezos vor seiner damaligen Frau und erklärte ihr seine Idee, einen Buchhandel über das Internet zu betreiben. Die komplette Geschichte war hoch riskant, Bezos Idee verlangte von beiden, ihre hochdotierten Wall-Street-Jobs aufzugeben – MacKenzie fragte zunächst: „Was ist das Internet?“ und gab dann schließlich den Startschuss mit den Worten: „Großartig, lass uns anfangen.“ Ein Jahr später kündigten beide, setzten sich ins Auto und machten sich auf mit einem Roadtrip auf den Weg in Richtung Seattle.
Obwohl Buchhaltung nicht ihr Fachgebiet ist, übernahm Bezos Frau, die heute eine erfolgreiche Autorin ist, im ersten Jahr die komplette Buchhaltung für Amazon.
Selbst 2019, während der Scheidung blieb MacKenzie Bezos den Interessen von Amazon verbunden, sie besitzt heute für rund 36 Milliarden US-Dollar Firmenanteile. Ihre Stimmrechte und 75 Prozent der gemeinsamen Aktienanteile übertrug sie an Bezos.
Die Gründungsidee
Jeff Bezos hatte 1993 keinen Masterplan für die Weltherrschaft, wie das heute manchmal gemutmaßt wird. Wie der Amazon-Gründer in Berlin erzählt, hatte er einige mögliche Sortimente auf einer Liste zur Auswahl. Aber einen Punkt seines heute berühmten Circle of Growth hatte Bezos gleich zu Beginn im Kopf: Sortiment ist Wachstum. Die Kategorie Bücher wählte Bezos damals aus, weil sie über mehr Produkte verfügte als jede andere. Über drei Millionen Bücher gab es zum damaligen Zeitpunkt, so Bezos. „Aber selbst die größten Buchhandlungen verfügten nur über maximal 150.000 Bücher.“ Er wusste, wenn er die größte Auswahl der Welt bieten wollte, dann müssten es Bücher sein.
Wie kommt ein Wall-Street-Manager darauf, eine Onlinebuchhandlung zu eröffnen?
Die Erklärung dafür liefert Bezos mit einem Einblick in seine Kindheit, besonders mit Blick auf die Ranch seines Großvaters Pop. Ein geschickter Mann, der die meisten Probleme auf der Farm selbst behob. „Wo ein Problem ist, da gibt es auch eine Lösung“, sagte Pop immer. Worte, die sich der junge Jeff zu Herzen nahm. Wie man etwas verbessern könnte, die Suche nach Lösungswegen, hat Bezos schon als Kind gefesselt.
Dazu kommt eine Faszination für moderne Technologie, in der vierten Klasse verliebte sich Bezos in Computer. In der Schule gab es einen Fernschreiber, die Lehrer wussten nicht wirklich, was sie damit anfangen sollten – Bezos hingegen schon, und spielte zusammen mit einem Freund stundenlang an dem Gerät herum.
Vom Erfolg überrollt
Den Erfolg von Amazon hat Bezos nicht erwartet. Und ganz sicher nicht das Bestellvolumen der ersten 30 Tage. „Ich dachte, vielleicht können wir uns ja eines Tages einen Gabelstapler leisten“, lacht Bezos in Erinnerung an die Anfangszeit. Die ersten Bestellungen fuhr er selbst zur Post. In langen Stunden knieten Bezos und seine Mitarbeiter auf dem Fußboden. „Ich erinnere mich noch, wie ich sagte: Paul, meine Knie bringen mich um, wir müssen Knie-Schoner kaufen!“, erzählt Bezos. „Jeff, wir brauchen keine Knie-Schoner. Wir brauchen Packtische!“, antwortete Paul Davis, der eigentlich Entwickler war und später Amazons komplettes Backend schuf.
Amazon Dot Toast: Wettbewerber tauchen auf
Es gab in der Geschichte von Amazon nicht immer nur eitel Sonnenschein. Zwei Jahre nach der Gründung startete der Gigant Barnes & Noble einen Onlinebuchshop. Die Medien betitelten den Start damals mit „Amazon Dot Toast“ in Anlehnung an „Amazon Dot Com“.
Die Stimmung bei Amazon war damals gedrückt, es ging soweit, dass Mütter und Väter bei den Mitarbeitern der jungen Firma anriefen um sich nach der Stimmung zu erkundigen: „Sohn, bist du in Ordnung?“ Es sei wirklich angsteinflößend gewesen, einen so großen Konkurrenten zu haben. Rund 60 Millionen Umsatz machte Barnes und Noble zu dem Zeitpunkt, so Bezos. Und den etwa 30.000 Mitarbeitern hatte Amazon gerade einmal 125 entgegenzusetzen. „Ich dachte, die machen uns in kürzester Zeit platt!“, schmunzelt Bezos.
In dieser Zeit muss ist auch der Wahlspruch von Bezos entstanden sein: „Du musst mehr Aufmerksamkeit auf deinen Kunden richten als auf deinen Mitbewerber.“ Bezos sagte damals zu seinen Mitarbeitern: „Fürchtet nicht die Mitbewerber, die schicken uns kein Geld. Fürchtet den Kunden – stellt sie nicht zufrieden, erfreut sie.“
Bezos sollte recht behalten. Während Barnes & Noble mit sinkenden Umsätzen kämpft, hat Bezos seinen einstmaligen Angstgegner längst überflügelt. Über 560.000 Mitarbeiter sind heute für den Amazon-Gründer tätig und generieren einen Umsatz von mehr rund 178 Milliarden Dollar. Bücher sind längst nur noch ein kleiner Teil des großen Imperiums von Jeff Bezos.
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