Der irische Dramatiker George Bernhard Shaw sagte einst: „Die Politik ist das Paradies zungenfertiger Schwätzer.“ Auch das dürfte ein Grund sein, warum sie vielerorts am Arbeitsplatz ein Tabuthema ist. Wie eine Glassdoor-Umfrage in Zusammenarbeit mit Yougov herausgefunden hat, stehen nämlich nur 30 Prozent der Berufstätigen hierzulande auf Polit-Talk im Job.
Dementgegen stehen 44 Prozent der Berufstätigen in Deutschland, die es als unangebracht empfinden, auf der Arbeit über Politik zu sprechen. Von den weiblichen Befragten erklären satte 54 Prozent politische Themen zum No-go, während sich dieser Anteil bei Männern nur auf 40 Prozent beläuft.
Politik im Arbeitsleben wird zunehmend zum Tabu
Als besonders mitteilungsbedürftig gelten FDP-Wählende: 40 Prozent von ihnen sprechen laut Glassdoor-Umfrage regelmäßig über Politik im Job. Anhängerinnen und Anhänger der CDU/CSU sind mit 34 Prozent, der Linken mit 33 Prozent, der SPD mit 32 Prozent, der Grünen mit 25 Prozent und der AFD mit 28 Prozent vertreten. 40 Prozent der Ostdeutschen sprechen häufiger politische Themen an. Unter den Westdeutschen sind es nur 28 Prozent.
Das politische Mitteilungsbedürfnis nimmt tendenziell mit dem Lebensalter zu. Während von den 18- bis 24-Jährigen nur knapp 25 Prozent über politische Themen sprechen, liegt der Anteil bei den 45- bis 54-Jährigen immerhin schon bei 32 Prozent. Der typische Polit-Talker ist somit männlich, mittleren Alters, ostdeutsch und im politischen Spektrum im Mitte-rechts-Bereich einzuordnen.
Doch gilt die Politik auch als Karrierekiller? Das sieht nur eine Minderheit so: Nur 28 Prozent aller Befragten gehen davon aus, dass es ihrer Karriere schade, wenn sie offen über ihre politische Meinung sprechen. Vor allem Anhängende von rechts- und linksaußen stehenden Parteien sind besorgt: Unter den AFD-Wählenden gehen im Vergleich zum Durchschnitt mit 57 Prozent fast doppelt so viele der Befragten davon aus, dass es ihnen schaden könnte, ihre politische Haltung zu thematisieren.
Anhängerinnen und Anhänger der Linken folgen zwar auf Platz zwei, jedoch mit großem Abstand: Nur 29 Prozent glauben, dass sie berufliche Nachteile aufgrund ihrer politischen Meinung fürchten müssen. Wählende der SPD sind mit 26 Prozent, der CDU/CSU mit 25 Prozent, der Grünen mit 22 Prozent und der FDP mit 19 Prozent vertreten.
Inflation und Co.: Krisen geben Anlass zu Diskussionen
„Die deutschen Berufstätigen zeigen sich ein Stück weit gespalten in der Frage, ob politische Themen an den Arbeitsplatz gehören oder nicht. Dass nur ein verhältnismäßig kleiner Anteil der Befragten etwaige Nachteile bei einer politischen Meinungsäußerung befürchtet, ist die positive Nachricht. Beunruhigend ist, dass ein großer Teil der Berufstätigen in den letzten fünf Jahren vorsichtiger geworden ist, sich zu politischen Themen im Arbeitsumfeld zu äußern“, erläutert Felix Altmann, Arbeitsmarktexperte bei Glassdoor.
Tatsächlich sind Berufstätige heute zurückhaltender mit politischen Äußerungen als noch vor fünf Jahren. Immerhin 39 Prozent der deutschen Berufstätigen haben ihre politischen Ansichten innerhalb der letzten fünf Jahren zur Privatsache erklärt. Unter AFD-Wählerinnen und -Wählern ist dieser Anteil mit 55 Prozent besonders hoch.
„Das legt den Schluss nahe, dass die aufgeheizten gesellschaftlichen Debatten der letzten Jahre auch eine Fortsetzung im Arbeitsleben gefunden haben, aber zugunsten des Betriebsfriedens oder der eigenen Karriere nicht ausgefochten werden“, fügt Altmann hinzu. In den letzten 20 Jahren kam es zu einer Vielzahl von Krisen: Auf die US-Immobilienkrise im Jahr 2006 folgte die weltweite Bankenkrise im Jahr 2007 und die Lehman-Brothers-Pleite im Jahr 2008, die wiederum 2009 zur globalen Wirtschaftskrise wurde. Es folgten 2010 die Griechenland- und Euro-Schuldenkrise.
Zu den jüngeren politischen Herausforderungen zählen die Flüchtlingsdebatte im Jahr 2015, die globale Coronakrise im Jahr 2020 und aktuell der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die damit im Zusammenhang stehende Energiekrise und Inflation. Ein ständiger Begleiter ist und bleibt zudem die Klimakrise. Der Umgang mit den jeweilige Situationen polarisiert die Bevölkerung.