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MIT Technology Review Kolumne

Kann die KI bitte den langweiligen Scheiß übernehmen!

Drohen wir durch KI-Tools zu verblöden, fragt sich TR-Kolumnistin Julia Kloiber. ChatGPT und Co. machen es uns bequem in Bereichen, in denen wir eigentlich kreativ sein sollten. Den Rest beherrschen sie einfach nicht.

Von MIT Technology Review Online
3 Min.
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TR-Kolumnistin Julia Kloiber würde sich freuen, wenn ChatGPT ihr die Steuererklärung abnehmen würde. (Bild: Midjourney)

Ich habe letzte Woche eine Fläche in der Betaversion von Photoshop mithilfe von KI farbig gefüllt. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es sich um ein komplexes Muster oder um einen verzwickten Verlauf gehandelt hätte. Aber in meinem Fall ging es um eine gewöhnliche weiße Fläche. Anstatt die Fläche in zwei Klicks über die Werkzeugpalette umzuwandeln, habe ich nur einmal auf den Button „Generatives Füllen“ geklickt. Zeitersparnis gleich null. Das Generieren dauert nämlich einen Moment. Das Ergebnis war wie gewünscht unspektakulär.

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Diese Interaktion steht symbolisch für meinen Umgang mit KI-Tools. Ich verwende sie für die banalsten Sachen. Aus Bequemlichkeit. Wenn ich schnell einen Text auf Englisch verfassen muss, bin ich dazu übergegangen, ihn schlampig auf Deutsch runterzutippen, um ihn anschließend in ein KI-Tool zu kippen und übersetzen zu lassen. Das Ergebnis ist nicht perfekt, aber irgendwie gut genug.

Mit ChatGPT und DeepL verblöde ich langfristig

Was anfangs noch ein eher punktueller Einsatz von generativen Werkzeugen war, ufert langsam aus. Jede noch so kleine englische Formulierung, bei der ich mir unsicher bin, landet in ChatGPT oder DeepL. Ich will checken, was die KI so vorschlägt. An mancher Stelle spare ich mir so ein paar Minuten Zeit, aber langfristig verblöde ich. Ich füttere die Systeme fleißig mit meinen Texten und Gedanken. Während der Computer immer schlauer wird, werde ich immer dümmer. Wenn es so weitergeht, dann wird es kein großes Kunststück für künftige AGI sein, mich intellektuell zu überholen.

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Julia Kloiber (Foto: Oliver Ajkovic)

Aus Erzählungen weiß ich, ich bin nicht alleine. Eine Freundin hat sagenhafte 4.000 Einreichungen auf eine Ausschreibung erhalten. Beim Sichten fiel ihr auf, dass in den Bewerbungen immer wieder dieselben Formulierungen auftauchten. Kein Zufall. Sie geht davon aus, dass die Hälfte der Bewerber:innen die Texte von ChatGPT hat generieren lassen. Steuern wir auf eine Zukunft zu, in der wir auf automatisch generierte Bewerbungen automatisch generierte Absage-E-Mails versenden?

Dabei kann ich die 4.000 Bewerber:innen sogar ein Stück weit verstehen. Auch ich finde plötzlich die Formulierungen der KI vermeintlich besser, spannender, origineller als meine eigenen. Dabei ist Sprache etwas zutiefst Menschliches. Über sie drücken wir Gefühle, Meinungen und Kultur aus.

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„Ein Würstchen inhalieren. Ein Nugget wegsaugen. Den Donut verschwinden lassen. Verdauen. Reflux. Magenschmerzen. Darmverschluss.“ In ihren Schreibseminaren stachelt die österreichische Schriftstellerin Stefanie Sargnagel die Teilnehmer:innen zum kreativen Umgang mit Sprache an. Es ist eine Kampfansage an abgekaute Formulierungen. An Texte, die Computer ausspucken. Die auf Wahrscheinlichkeiten basieren statt auf Bauchgefühlen. Ist Sprache, die von Computern generiert wird, überhaupt Sprache?

Die profanen Aufgaben bleiben für mich übrig

Die Zeit, diese Frage zu erörtern, bleibt mir im Alltag nicht. Denn während ich kreative Tasks an die Maschinen auslagere, bleiben die profanen Aufgaben für mich übrig. Steuererklärungen, Terminbuchungen, Presseverteiler erstellen. Für den langweiligen, bürokratischen Kram, für den ich so gerne Unterstützung hätte, funktionieren die Tools nicht gut genug.

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Dabei wäre es so erstrebenswert, die stupiden, repetitiven Aufgaben auszulagern. Oder anders gesagt: Kann die KI bitte den ganzen langweiligen Scheiß übernehmen, während ich mir geistreiche Formulierungen überlege und andere Menschen damit intellektuell stimuliere!

Ich werde sie von nun an aushungern, die KI-Tools, die sich in meinen Arbeitsalltag geschlichen haben. Ich werde sie nicht weiter mit meinen Gedanken füttern, sondern lediglich die langweiligsten Aufgaben durch ihre digitale Innereienlandschaft wandern lassen. Das nimmt mir zwar nicht die Steuererklärung ab, aber wirkt gegen das Verblöden – jetzt schon.

 

Autorin dieses Textes ist Julia Kloiber. Sie arbeitet als Mitgründerin der feministischen Organisation Superrr Lab an gerechten und inklusiven digitalen Zukünften. In der gedruckten Ausgabe von MIT Technology Review berichtet sie in ihrer Kolumne über ihre Erfahrungen in und mit der Tech-Welt.
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