Der Technikhändler Gravis hat angekündigt, dass man in seinen rund 40 Geschäften in Zukunft nur noch bargeldlos bezahlen kann. Der auf Apple-Produkte spezialisierte Händler ist damit eine der ersten größeren Ketten, die komplett auf bargeldloses Bezahlen setzen. All das gilt somit nicht nur für die Gerätschaften im drei- bis vierstelligen Bereich, die man ja für gewöhnlich einfacher per Karte oder Mobilgerät bezahlt, sondern generell auch für Kleinteile wie das einfache Kabel oder den Adapter.
Laut Spiegel-Informationen habe das Unternehmen zuletzt aber ohnehin nur einen „kleinen einstelligen Anteil“ an Kund:innen gehabt, die bar bezahlten. Der Anteil an Bargeld sei bereits seit Beginn der Pandemie zu vernachlässigen gewesen. Man habe daher in den letzten Monaten in ausgewählten Shops ausprobiert, wie kompletter Bargeldverzicht bei den Kund:innen ankomme, und traf dabei offenbar nicht auf größere Kritik oder Ablehnung.
Und doch ist der Schritt gerade angesichts der aktiven Gruppe der Bargeldverfechter:innen, die den Anfang vom Ende des Bargelds im kompletten Handel befürchten, ein ungewöhnlicher. Mit der Kundschaft über diesen Schritt diskutieren müssen die Verkäufer:innen daher in den nächsten Wochen sicherlich häufiger. Zwar ist das Argument, man könne so auch anonym einkaufen, bei einem Unternehmen wie diesem wohl etwas weit hergeholt, doch könnten Kund:innen sich auf die Convenience berufen. Vielen Kund:innen geht es dabei aber vor allem ums Prinzip – doch damit dürfte der Apple-Händler wohl klarkommen.
Vorteile des bargeldlosen Bezahlens auf beiden Seiten
Klar ist aber auch, dass gerade eine Handelskette mit hochpreisigen Waren gut von der Abschaffung des Bezahlens mit Bargeld profitieren kann. Denn zum einen verursacht, entgegen der üblicherweise geäußerten Meinungen, auch das Handling von Bargeld immense Kosten. Wie hoch diese genau sind, hängt stark vom Umsatz und von der Stückelung der Käufe ab.
Die Kosten können aber durchaus im Bereich zwischen ein und zwei Prozent liegen, wie Branchenexpert:innen vorrechnen – das Risiko für Verkaufende, die bei kleineren Geschäften Geld zur Bank bringen, nicht mitgerechnet. Da sind zum einen Kosten für das Wechselgeld, das gestückelt beschafft werden muss, was sich die Banken schon seit Jahren vergüten lassen, zum anderen das Handling der Einnahmen (Personalkosten für Kassenabrechnung und Abholung durch den Geldtransport) und nicht zuletzt damit verbundene Versicherungsleistungen, wie sie vor allem in größeren Unternehmen bestehen.
Die Kosten für bargeldloses Bezahlen sind daher oftmals niedriger. Sie reichen von rund 0,3 Prozent des Umsatzes für Bezahlung mit Girocard bis hin zu etwa 1,4 Prozent bei Bezahlung über Visa- und Mastercard-Kreditkarte (Debitcard meist etwas günstiger) und hängen vom Preismodell des Payment-Service-Providers ab. „Für uns als Händler ist bargeldloses Zahlen kostengünstiger, einfacher, und es ermöglicht schnellere Prozesse“, zitiert der Spiegel das Unternehmen Gravis und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Denn Payment-Prozesse sind inzwischen online wie offline eine entscheidende Stellschraube.
Ja, die dürfen das Bargeld außen vor lassen
Ein anderes Thema, das immer wieder gern angeführt wird, ist die Rechtslage und das Pochen auf Bargeld als anzunehmendes offizielles Zahlungsmittel. Doch auch hier ist der Fall klar: Geschäfte – von der kleinen Bäckerei am Bahnhof bis zum Händler für hochpreisige Waren – dürfen durchaus auf Bezahlung ohne Bargeld bestehen, wenn sie dies als Teil ihrer AGB aufnehmen und gut sichtbar im Laden verkünden.
Doch all das ist auch ein Signal an die Kund:innen, die zumindest im Fall von Gravis in allen Fällen über ein Konto und entsprechende Karten verfügen und technisch zur bargeldlosen Zahlung in der Lage sein dürften. Gravis geht hier einen Schritt, dem andere folgen könnten (und ziemlich sicher folgen werden).
Möglicherweise wird es auch wie in anderen Ländern bedeuten, dass positive oder negative Incentivierungen genutzt werden, etwa Bargeld nur bis 50 Euro angenommen wird, ähnlich wie dies in der Vergangenheit teilweise auch bei Kartenzahlung angewandt wurde. Das Bargeld, so viel sei den Bargeldfans zur Beruhigung gesagt, wird dennoch nicht im deutschen Handel verschwinden – aber die Verwendung könnte sich ändern.
Wo, bitte, nehmen Sie Ihre Weisheit her, dass man per AGB geltendes Recht aushebeln kann? Das ist nämlich keinesfalls so!
Das Recht auf Bargeldzahlung ist im Gesetz verankert und kann NICHT ausgeschlossen werden. Man kann gerne über das Gesetz selber diskutieren und es eventuell ändern, aber solange es gilt, kann man es auch per AGB nicht außer Kraft setzen. Oder sollen Händler demnächst per AGB auch die Sachmängelhaftung auf 3 Tage reduzieren können?
Etwas zum Lesen:
https://www.rnd.de/wirtschaft/zahlen-mit-karte-durfen-geschafte-bargeld-verweigern-IHT4IOVZ4EDAR3FBVVCSGZBILU.html
https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/bargeld/bargeldstrategie-des-eurosystems/bargeldstrategie-des-eurosystems-und-rolle-des-bargelds-859122
https://www.ecb.europa.eu/euro/cash_strategy/html/cash-faq.de.html