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MIT Technology Review Analyse

Das musst du über Kernfusion wissen: Wie funktioniert die Technologie? Was ist schwierig daran?

Big Tech will neue Atomkraftwerke bauen, um den Energiehunger künftiger KI zu stillen. Als saubere Alternative zur Atomkraft wird auch immer wieder die Kernfusion genannt. Doch die hat ihre Tücken. MIT Technology Review klärt die wichtigsten Fragen.

Von Wolfgang Stieler
6 Min.
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Nach Vorbild der Sterne: Kernfusion liefert große Mengen Energie - ohne nennenswertes Risiko und ohne Atom-Müll. (Foto: pixelparticle/Shutterstock)


Warum wird bei einer Kernfusion Energie frei?

Bei einer erfolgreichen Kernfusion leichter Elemente wird enorm viel Energie frei – genau wie bei der Spaltung schwerer Atomkerne. Eine – halbwegs – anschauliche Erklärung dafür liefert eine Kurve, die die Bindungsenergie pro Nukleon – also Proton oder Neutron – in Abhängigkeit von der Anzahl der Nukleonen im Kern zeigt. Die Bindungsenergie ist die Energie, die bei der Bindung von Kernbestandteilen frei wird. Die Kurve steigt bei kleinen Nukleonenzahlen zunächst steil an, hat bei 30 bis 40 ein Maximum und fällt dann flach ab (Wie sich das physikalisch erklären lässt, ist eine andere Frage, die wir hier erst mal ignorieren können). Die Summe der Bindungsenergie pro Nukleon von zwei Deuterium-Kernen ist kleiner als die von einem Helium-Kern, also wird bei ihrer Fusion Energie frei – analog zur Wärme-Freisetzung bei einer chemischen Bindung.

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Ein Gramm Brennstoff könnte in einem Kraftwerk 90.000 Kilowattstunden Energie erzeugen – die Verbrennungswärme von elf Tonnen Kohle.

Ist eine kontrollierte Kernfusion schon mal gelungen?

Ja, 1997 gelang es Forschenden zum ersten Mal, eine echte Deuterium-Tritium-Fusion zu zünden, in einem Tokamak-Reaktor mit rund 15 Metern Durchmesser und zwölf Metern Höhe. Ein Maß für die Beurteilung solcher Reaktoren ist die Energie-Einschlusszeit. Das ist die Zeit, die ein heißes Plasmateilchen im Schnitt braucht, um von der Mitte des Plasmas in die kalten Außenbezirke zu gelangen. Beim Joint European Torus (JET), der im britischen Culham steht, betrug diese Zeit damals eine Sekunde.

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Das gelang den Forschenden noch in zwei weiteren Versuchen. 2021 fusionierten sie 0,2 Milligramm Brennstoff und erreichten eine Energieausbeute von 59 Megajoule. Im Oktober 2023, kurz bevor der JET-Reaktor außer Dienst gestellt wurde, konnten sie zudem eine 5,2 Sekunden andauernden Fusion mit 69 Megajoule Fusionsenergie erzeugen. Der JET-Reaktor war aber nie als kompletter Reaktor gedacht, sondern nur für vorbereitenden Experimente.

Was ist so schwierig daran, einen Fusionsreaktor zu bauen?

Ziemlich viel. Das Hauptproblem: Wenn die Temperatur des Brennstoffs hoch genug ist, lösen sich die Elektronen von den Kernen und ein Plasma entsteht. Protonen stoßen sich gegenseitig ab. Aber eine Fusion kann nur erreicht werden, wenn sich zwei Atomkerne so nahe kommen, dass die starke Kernkraft die elektrostatische Abstoßung überwindet. Das wird erreicht, indem der Brennstoff für die Fusion – in der Regel Deuterium und Tritium – auf extreme Temperaturen erhitzt und das entstehende Plasma komprimiert wird.

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Die Bedingungen für ein „brennendes Plasma“ sind dann erreicht, wenn das Produkt aus Temperatur, Dichte und Energie-Einschlusszeit einen kritischen Wert überschreitet – Fachleute nennen das „Lawson-Kriterium“. Typischerweise sind das Plasmen mit rund 100 Millionen Grad, die einige zehn Sekunden stabil bleiben – oder bei kürzerer Lebensdauer entsprechend dichter sind. Es gibt eine Reihe von Ideen, wie man das technisch realisieren könnte:

  • durch Einschluss in magnetischen Feldern
  • durch Beschuss mit starken Lasern
  • durch Druckwellen

Magnetischer Einschluss im Tokamak

Die meisten Forschenden setzen auf den Bau eines sogenannten Tokamak-Reaktors – einer hohlen, donutförmigen Vorrichtung, die mit einem Gas gefüllt werden soll, das Deuterium- und Tritiumatome enthält. Außerdem induziert ein extrem starker Magnet in der Mitte des Donuts einen elektrischen Strom, der über den ohmschen Widerstand das Gas weiter aufheizt. Ein Tokamak wie der ITER kann bauartbedingt aber nur gepulst betrieben werden.

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Kleine sphärische Reaktoren

Bereits vor rund 20 Jahren gab es jedoch auch Überlegungen zu möglichen Alternativen. Allerdings war das lange nur Theorie, denn dafür braucht man sehr viel stärkere Magnete als bisher. Seit einigen Jahren stehen dafür jedoch neue Materialien zur Verfügung: Hochtemperatur-Supraleiter. Mit einem kleinen Demonstrator mit Supraleiter-Spule konnte das britische Startup Tokamak Energy zeigen, dass die Idee im Prinzip funktioniert. Parallel dazu arbeiteten die Briten an größeren Spulen aus Hochtemperatur-Supraleitern. In den USA ist Commonwealth Fusion Systems führend bei der Konstruktion solcher Magnete.

Stellaratoren

Tokamaks und sphärische Reaktoren lassen sich nur gepulst betreiben, weil sie darauf angewiesen sind, dass ein Strom im Plasma ein Magnetfeld erzeugt, das das Plasma zusätzlich stabilisiert. In Stellaratoren ist das Magnetfeld um die Fusionskammer in sich verdreht. Die grundsätzliche Idee klingt simpel, aber solch ein Magnetfeld zu erzeugen, ist technisch sehr aufwendig. Der weltweit größte Forschungsreaktor, der nach diesem Prinzip aufgebaut ist, ist der Wendelstein 7x, der in Deutschland steht.

Ansatz: Laserfusion

Die allermeisten der staatlichen und privaten Projekte setzen allerdings bisher auf Fusionsplasma, das mit Magnetfeldern eingeschlossen wird (Magnetfusion). Bis vor kurzem galt die Laserfusion als exotischer Außenseiter in einem exotischen Forschungsfeld. Das ändert sich gerade. Auch die Bundesforschungsministerin setzt viel Hoffnung in die Idee.

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Die sogenannte „Trägheitsfusion“ setzt am Faktor „Dichte“ des Plasmas an. Die Idee ist, den Fusions-Brennstoff durch äußere Energiezufuhr extrem zu verdichten – wobei sich das Gas gleichzeitig erhitzt. Das Startup General Fusion will dazu tatsächlich Stoßwellen verwenden. Die „National Ignition Facility“ (NIF) am LLNL nutzt dazu einen riesigen Laser. Ein Target, das mit Fusions-Brennstoff gefüllt ist, wird mit dem Laser beschossen. Die Hülle verdampft und die nach innen laufende Druckwelle komprimiert und erhitzt so den Brennstoff. Bis die Fusionsreaktion eintritt.

Das primäre Ziel der Fusionsforschung am LLNL war allerdings nie ein Fusionsreaktor. Primär wurden diese Experimente dazu konzipiert, die Bedingungen zu erforschen, die vorherrschen, wenn eine Atombombe explodiert, um so auch ohne Atomwaffentests die Physik thermonuklearer Explosionen zu erforschen.

Was ist ein „Hohlraum“ und warum ist er wichtig?

Das tun die Forschenden, indem sie das Target nicht direkt beschießen, sondern über ein Zwischenziel aufheizen. Der Ansatz wird daher auch „Indirect Drive“ genannt – indirekter Antrieb: Der Laser feuert auf ein Goldröhrchen, den sogenannten Hohlraum. Der Beschuss erzeugt intensive Bremsstrahlung, Röntgenstrahlung, die die Schale des Kügelchens verdampfen lässt, was wiederum eine Druckwelle erzeugt, die den Wasserstoff extrem schnell komprimiert. Die Bedingungen sind ähnlich zu denen der Strahlungskompression bei einer Wasserstoffbombe – was die Messwerte auch für das Militär brauchbar macht.

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Die ersten Experimente an der NIF fanden im Oktober 2010 statt. Erst 2021 meldeten die Forschenden aber einen Durchbruch: Am 8. August 2021 ist es ihnen gelungen, bei einem Schuss 1,39 Megajoule Energie zu erzeugen – und damit 70 Prozent der Energie, die sie vorher hineingesteckt hatten.

Welche Startups mischen mit?

Der indirekte Ansatz ist aber natürlich nicht die einzige Möglichkeit, eine Laserfusion zu erzeugen. Das Startup Focused Energy ist überzeugt davon, dass es besser funktioniert, direkt auf das Target zu feuern.

Das Team um Markus Roth von der TU Darmstadt arbeitet seit vielen Jahren auf dem Gebiet der zivilen Nutzung der Fusion mit dem LLNL zusammen. Dabei verfolgen sie aber das Prinzip des „direct-drive“, bei dem die Kapsel direkt von Laserstrahlen getrieben wird – und nicht in einem Hohlraum liegt. Zudem setzt Focused Energy auf ein speziell designtes Target, in das die Laserenergie besser einkoppeln soll, und auf mehrere, schnelle Laserpulse hintereinander: Dabei wird der von einem ersten Puls bereits komprimierte Brennstoff erneut mit einem Kurzpuls-Petawatt-Laser beschossen. So könnte den Prozess der Zündung vereinfacht werden und eine Fusionsreaktion schneller in Gang setzen.

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Das Münchner Startup Marvel Fusion will eine Bor-Protonen-Fusion mit Laserbeschuss zünden. Das ist eigentlich noch schwieriger als die Fusion von Deuterium und Wasserstoff, weil dafür höhere Temperaturen notwendig sind, hat aber technische Vorteile bei der Nutzung der frei werdenden Fusionsenergie.

Ein extrem starker Laser feuert einen sehr, sehr kurzen Puls ab – fokussiert auf einen Fleck, der nur wenige Mikrometer Durchmesser hat. Das Pellet ist „nanostrukturiert“, um die Energie besser einzukoppeln. Was genau sich im Inneren des Pellets abspielt, ist physikalisch nicht komplett verstanden. Nach aktuellen Computersimulationen sieht das Drehbuch etwa wie folgt aus: Ist der Laserpuls schnell und intensiv genug, beschleunigt sein elektrisches Feld Elektronen im Pellet. Diese Ladungsverschiebung wiederum erzeugt selbst ein starkes elektrisches Feld, das Protonen von der Pelletoberfläche nach innen schubst, während die Bor-Kerne sich wegen ihrer hohen Masse kaum bewegen. Ist die Intensität des Laserpulses hoch genug, bekommen die Protonen genug Energie, um die Abstoßung der Bor-Kerne zu überwinden und mit ihnen zu fusionieren.

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