KI-Boom: Der Westen setzt auf eigene Chipwerke – doch TSMC wird der große Player bleiben

Wer wird die Hoheit in der Chipindustrie haben? (Symbolbild: Shutterstock / mpohodzhay)
Der Juni 2024 hat Taiwans unentbehrliche Rolle in der globalen Chipindustrie erneut unterstrichen. Selbst Intel-Chef Pat Gelsinger reiste im Juni nach Taiwan, um beim Erzrivalen Taiwan Semiconductor Manufacturing Corp. (TSMC), dem weltgrößten Auftragsfertiger von Computerchips, vorzusprechen.
Auf der taiwanischen Computingmesse Computex reklamierte Gelsinger zwar die künftige Prozessführerschaft in der Chipproduktion für Intel. Gleichzeitig dankte er jedoch TSMC für die Herstellung von Intels Hoffnungsträger im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI): die Chipplattform Lunar Lake, die auf aktueller Spitzentechnologie mit drei Nanometer kleinen Strukturen basiert.
Mitte Juni wurde bekannt, dass TSMC jetzt mit der Produktion der Chips für Intel begonnen hat. Zu diesem Zeitpunkt waren die ersten Produkte von Intels US-Rivalen Qualcomm bereits in den ersten KI-PCs von Microsoft auf dem Markt. Die Herkunft der Chips verdeutlicht einen Nebeneffekt des KI-Booms: Die Abhängigkeit der Welt von Taiwan steigt, obwohl viele Länder diese mit massiven Subventionen für eigene Chipwerke zu reduzieren versuchen.
Alle Augen auf Taiwan
Die X-Elite-Serie von Qualcomm wird ebenfalls von TSMC produziert, ebenso wie die neuen KI-tauglichen Chips von AMD und die Halbleiter für Nvidias Grafikkarten für KI-Rechenzentren. Der Boom der KI und der dazu erforderlichen Rechnerkapazitäten trugen dazu bei, dass Nvidia im Juni kurzzeitig zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufstieg.
Nvidia-Chef Jensen Huang brachte die Situation in Taiwan vor der Computex auf den Punkt: „Hier beginnt tatsächlich alles, was Nvidia tut“, sagte er in einer Keynote-Rede. „Taiwan und unsere Partnerschaft haben die KI-Infrastruktur der Welt geschaffen.“
TSMCs Dominanz gründet auf seiner Weltmarktführerschaft bei den kleinsten Chipstrukturen. Laut dem taiwanischen Marktforscher Trendforce liefert das Unternehmen rund zwei Drittel aller Chips mit Strukturen von weniger als sieben Nanometern. Bei den kleinsten Generationen, die KI-Entwickler wegen ihrer höheren Rechenleistung und Energieeffizienz bevorzugen, liegt der Marktanteil sogar bei etwa 90 Prozent.
Diese Abhängigkeit von einer Insel der Größe der Schweiz beunruhigt Regierungen weltweit, zumal die Chipkrise während der Corona-Pandemie die Anfälligkeit der Lieferketten offenlegte. Chinas Drohung, Taiwan notfalls gewaltsam einzunehmen, verstärkt die Besorgnis zusätzlich, sogar in China selbst.
Als Reaktion darauf haben China, die USA, die Europäische Union, Japan und Südkorea ein globales Subventionswettrennen um neue Chipwerke gestartet, um die Versorgung ihrer eigenen Industrien sicherzustellen. Alle Beteiligten melden Fortschritte.
Prognosen für TSMC
TSMC errichtet Werke in den USA, Japan und Deutschland, während Samsung verstärkt in den USA investiert. Eine Studie der US-Halbleitervereinigung SIA und der Unternehmensberatung Boston Consulting prognostiziert daher bis 2032 einen Rückgang des Marktanteils von in Taiwan selbst hergestellten Chips mit Strukturen von weniger als 10 Nanometern von 69 auf 47 Prozent. Diese Zahlen verdecken jedoch ein zentrales Problem: Bei KI-Chips wächst TSMCs Bedeutung kurz- wie mittelfristig weiter.
Zwar behauptet der südkoreanische Konkurrent Samsung, früher als TSMC mit der Produktion von 2-Nanometer-Chips zu beginnen. Auch gibt es Berichte, dass Qualcomm und AMD Chips nicht nur bei TSMC, sondern auch bei Samsung bestellen werden, um ihre Abhängigkeit von einem einzelnen Lieferanten zu reduzieren.
Dennoch verlieren die Koreaner Kunden an TSMC, da die Qualität von Samsungs Produkten laut der Trendforce-Analystin Joanne Chiao nicht konstant genug ist. So verlagert Alphabet die Produktion des neuen Tensor-Chips für seine Google Pixel-Smartphones von Samsung zu TSMC.
Die neuen HBM-Chips (high bandwith memory) für KI-Anwendungen könnten die Abhängigkeit noch verstärken. Samsungs Lokalrivale SK Hynix ist dort derzeit Marktführer und hat gerade eine Entwicklungsallianz mit TSMC abgeschlossen. Samsung hingegen steckt bei Nvidia noch im Verifizierungsprozess fest. Experten hoffen, dass der bisherige Marktführer bei Speicherchips sich spätestens im kommenden Jahr qualifiziert, da sonst größere Engpässe bei HBM-Chips drohen.
TSMC unter Druck?
Auch die Errichtung von TSMC-Chipwerken im Ausland wird die Abhängigkeit kaum verringern. Die neuesten Generationen mit den kleinsten, leistungsfähigsten und energieeffizientesten Strukturen, die besonders für stromintensive KI-Rechenzentren benötigt werden, wird TSMC zunächst in Taiwan produzieren.
Erst mittelfristig könnte TSMCs Vormachtstellung unter Druck geraten. Neben Intel und Samsung hofft auch das japanische Startup Rapidus, in den neuen Chipgenerationen aufzuholen. Rapidus plant, 2027 neue, von IBM entwickelte 2-Nanometer-Chips auf den Markt zu bringen.
Das grundlegende Problem bleibt jedoch bestehen: Selbst wenn Taiwans Marktanteile an der Chipproduktion sinken sollten, wird das Land in der Lieferkette für KI-Chips unentbehrlich bleiben. Denn Taiwans Chipindustrie ist mehr als nur TSMC – es handelt sich um ein umfassendes Ökosystem. Auch ein Großteil der Server für Rechenzentren sowie deren Bau wird von taiwanischen Unternehmen realisiert. Trotz aller Bemühungen zur Diversifizierung der Chipindustrie bleibt die Welt daher auf absehbare Zeit darauf angewiesen, dass es keinen Konflikt um Taiwan geben wird.