KI zwischen Hype und Hoffnungsträger: Was wir aus den letzten 5 Jahren lernen können

Aktuell kann man viel zu Unternehmen wie OpenAI oder Perplexity lesen, die KI zu persönlichen Assistenten oder sogenannten KI-Agenten weiterentwickeln möchten. Dass diese Vision irgendwann Realität wird, überrascht heute niemanden mehr – doch vor fünf Jahren galten smarte Assistenten mit deutlich beschränkterem Leistungsumfang wie Amazons Alexa oder Apples Siri noch als technologischer Maßstab.
Ein Maßstab, der zeigt, wie rasant sich die Technologie weiterentwickelt hat: Zwar waren die Grundlagen großer Sprachmodelle bereits 2020 bekannt, doch als ChatGPT im November 2022 auf den Markt kam, war dies für viele ein unerwarteter technologischer Sprung. Heute, im Jahr 2025, stehen bereits die nächsten Generationen intelligenter Assistenten bereit, um KI noch stärker in unsere Alltagswelt zu integrieren. Welche Lektionen lassen sich also aus den KI-Entwicklungen der letzten fünf Jahre ziehen?
1. Lektion: Zukunftsprognosen nicht überbewerten
Zukunftsprognosen sind notorisch unzuverlässig. Eine Prognose von Bill Gates, mit der er den Markt für PCs einst auf nur fünf Geräte schätzte, geistert als mahnendes Schreckgespenst in allen Führungsetagen der Welt umher. Erst vor Kurzem prognostizierte er, dass Menschen 2035 für die meisten Dinge nicht mehr benötigt werden.
Eine ähnliche, aber etwa weniger bekannte Prognose wurde hierzu bereits vor fast einem Jahrhundert von dem Ökonomen John Maynard Keynes aufgestellt. Er prognostizierte bereits 1931 eine „technologische Arbeitslosigkeit“, weil Maschinen schneller Arbeitsplätze übernehmen würden, als neue geschaffen werden könnten.
Dies sind nur wenige Beispiele aus einer langen Liste von meist Fehleinschätzungen über technologische Entwicklungen, die insbesondere seit der Industriellen Revolution zum Volkssport geworden sind. Gerade bei KI sollten wir daher Prognosen nicht blind vertrauen.
Doch weil Vorhersagen so schwierig sind, bleibt die Herausforderung für uns alle, die Richtung der KI-Entwicklung zu verstehen. Was bereits jetzt klar ist und für uns alle tagtäglich erlebbar: Künstliche Intelligenz wird unsere kognitiven Fähigkeiten immer stärker ergänzen.
2. Lektion: Geisteskraft wird zunehmend proaktiv automatisiert
Automatisierung war lange ein Synonym für Maschinen, die körperliche Arbeit übernehmen – vom Webstuhl der ersten Industriellen Revolution bis zum Fließband von Henry Ford. Doch heute sind es nicht mehr nur mechanische Aufgaben, die Maschinen übernehmen, sondern zunehmend auch kognitive Prozesse. Bereits 1958 erkannte Hannah Arendt, dass geistige Arbeit prinzipiell durch Maschinen ersetzbar ist. Steve Jobs sprach später vom Computer als „Fahrrad für den Geist“ – eine Metapher, die nun eine neue Dimension bekommt.
KI-gestützte Assistenten wie ChatGPT oder Perplexity sind nicht mehr nur passive Helfer, sondern zunehmend proaktive Partner, die Entscheidungen vorbereiten, Kontexte verstehen und sich dynamisch an den Nutzer anpassen. Aravind Srinivas, der Gründer von Perplexity, verfolgt genau dieses Ziel: Assistenten zu schaffen, die nicht mehr nur reagieren, sondern agieren.
KI könnte sich so vom bloßen Werkzeug zum kollaborativen Akteur entwickeln. Wichtig ist, dass KI uns dabei aber stets nur als Werkzeug dient und nicht als Maschine, die den Menschen kontrolliert. Für diese essenzielle Unterscheidung kann abermals Hannah Arendt herangezogen werden. Sie differenziert zwischen Werkzeugen, die dem Menschen assistieren, und Maschinen, die den Arbeitsrhythmus vorgeben. KI muss in der ersten Kategorie bleiben.
3. Lektion: Wir sind empfänglich für geistige Unterstützung
Es gibt viele Gründe, KI-Unterstützung zu nutzen. Ein informationsökonomischer Erklärungsansatz besagt, dass Menschen Schwierigkeiten bei der Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung haben. Der Nobelpreisträger Herbert Simon prägte dafür den Begriff der „begrenzten Rationalität“: Wir handeln nie vollkommen rational, weil unsere kognitiven Kapazitäten begrenzt sind.
Zudem ist Informationsverarbeitung mit mentalen Kosten verbunden. Man denke nur an das endlos scheinende Scrollen in Google, um eine gewünschte Information zu finden. Genau deshalb nutzen wir Heuristiken – mentale Abkürzungen –, um Entscheidungen effizienter zu treffen. Der ebenfalls mit einem Nobelpreis ausgezeichnete Psychologe Daniel Kahneman hat dies vielfach in Alltagssituationen beschrieben. KI wird sich auch genau deswegen weiter durchsetzen, weil KI kognitive Kosten senkt und Entscheidungen erleichtert.
4. Lektion: Je klüger die KI, desto bewusster müssen wir gegensteuern
Wer glaubt, KI könne uns das Denken komplett abnehmen, unterliegt einer gefährlichen Illusion. Sicherlich kann uns KI zukünftig zunehmend in vielfältigen Situationen unterstützen, aber die kritische Reflexion dessen, was uns die Technologie vorschlägt, und welche Aktionen durchgeführt werden, bleibt unerlässlich. Sonst drohen wir das zu verlieren, was wir seit dem Zeitalter der Aufklärung gewonnen haben: die Freiheit, selbst zu denken. Seit der Aufklärung gilt sapere aude – „Wage es, zu wissen!“. Dieser Leitsatz ist heute aktueller denn je. Wenn wir KI nutzen, sollten wir dies bewusst und kritisch tun, statt sie als unverrückbare Autorität zu betrachten.
Natürlich gehört zum selbstständigen Denken auch die Erstellung von Prognosen, wobei es vermutlich ratsamer ist, keine Prognosen mehr über technologische Entwicklungen zu treffen. Nicht, weil man in der Vergangenheit immer falsch lag, sondern weil sich eine andere Erkenntnis zunehmend durchsetzt: Nur die Veränderung ist gewiss. Heute mag der langsamste Tag sein im Vergleich zu dem, was an technologischen Entwicklungen auf uns zukommt. Aber auch das ist eine Prognose und vielleicht ist irgendwann selbst der Wandel nicht mehr gewiss. Wer wagt eine Prognose?
KI kann noch immer nichts „verstehen“, auch wenn es so wirkt. Es wird mit heuristischer Berechnung ein Ergebnis ausgespuckt, was passen KÖNNTE. KI kann nur das remixen, was andere schon gemacht haben, sowohl bei Text als auch Grafiken. Sie kann nichts neues erzeugen.