Die KI-fizierung von Social Media beginnt: Was bedeutet das fürs Marketing?

Meta arbeitet an KI-Personas, Linkedin nutzt KI für Konversationsstarter und Snap baut einen eigenen Chatbot. KI wirft Fragen auf – auch solche, die ein bisschen philosophisch sind.Wir haben es Ende Januar schon gesagt: KI wird Social Media und Social-Media-Marketing verändern. Linkedin nutzt jetzt KI, um Menschen mit Konversationsstartern zu mehr Aktivität zu bringen, was ein bisschen an Facebooks „Was machst du gerade?“ im Post-Textfeld erinnert. Snap baut einen eigenen Chatbot, Meta arbeitet an KI-Personas. Aber: Wenn KI in Social Media integriert wird, müssen wir uns fragen, wie nützlich unsere Metriken noch sind, ob organischer Unternehmenscontent noch eine Chance hat und was eigentlich Werbung ist. Meta, Linkedin und Snap mit KI in den Plattformen Linkedins neue Funktion von kollaborativen Artikeln basiert auf Konversationsstartern von einer KI. Das soll insgesamt das Engagement erhöhen, denn zu antworten sei einfacher, als sich selbst Posts (und damit Konversationsstarter) auszudenken. Sie werden von einem Linkedin-Account geteilt – beispielsweise „Linkedin Writing“, einem Account, der regelmäßig Prompts zum Schreiben teilt. Am Anfang der Artikel steht der Hinweis, dass Nutzer:innen bei diesem „KI-basierten Artikel“ mitmachen können. Wer etwas beitragen möchte, muss auf den Artikel reagieren – wieder etwas erkitzeltes Engagement. Die Artikel werden bereits für Eigenpromotion genutzt, aber diese Beobachtung nur am Rande. [caption id="attachment_1542049" align="alignnone" width="620"] „Wie du gut schreibst, erfährst du, in dem du mein Buch kaufst.“ (Screenshot: Linkedin / t3n)[/caption] Für Meta hat Mark Zuckerberg sogenannte „AI Personas“ angekündigt. Textfunktionen könne er sich für Whatsapp und Messenger vorstellen, Bild-Inhalte bei Instagram, beispielsweise in Form von Filtern oder Anzeigenformaten. Er nennt außerdem Video und „multimodale Experience“, ohne zu erklären, was er sich darunter vorstellt. Snap hat einen virtuellen Freund namens „My AI“ gebaut, der für Snapchat-Plus-Kund:innen bereits zur Verfügung steht. Der Chatbot basiert auf ChatGPT. Evan Spiegel, Snaps CEO, will auch andere KI-Sprachmodelle anbinden. Er sehe eine Zukunft, in der wir mit KI sprechen, als sei sie ein Mensch. Wie viel des Engagements ist menschlich? Der „Linkedin Writing“-Account ist nicht als KI-Account ausgezeichnet. Ab wann müssten KI-Komponenten als solche ausgezeichnet sein? Das ist auch eine ethische Frage gegenüber den Konsument:innen – darf man sie im Glauben lassen, sie würden mit Menschen kommunizieren, wenn es in Wahrheit eine KI ist? Dass Menschen das eher nicht vertretbar finden, musste die Mental-Health-App Koko im Januar feststellen. Für Marketer:innen werden die Kennzahlen für das Social-Media-Marketing marode. Wie viele meiner Follower:innen sind eigentlich Menschen? Wie viele der Kommentare unter meinem Post sind von GPT-4 oder irgendeinem anderen Chatbot? Was sind mir Kommentare eigentlich wert? Sollte ich ein KI-Profil einsetzen, das auf Kommentare antwortet und die Leute dazu animiert, mehr zu schreiben? Was sind mir Kommentare wert, die eventuell nichts mit meinen Inhalten zu tun haben, die ich mit einer KI aus Nutzer:innen herausgekitzelt habe? Was bedeutet das für das Community-Building? Werden die Algorithmen Posts auch irgendwann anders bewerten als Engagement, weil das schlicht zu einfach manipulierbar wird? Reportings werden nur noch schwieriger Zahlen wie Follower:innen, Abonnent:innen, Kommentare und Co werden in Zukunft weniger aussagekräftig sein. Selbst wenn Marketer:innen keine KI-Profile einsetzen oder Nutzer:innen keine zusätzlichen KI-Profile erstellen, ist es denkbar, dass die Plattformen sie einsetzen werden, um ihre Performance in das beste Licht zu rücken. Denn sie wollen auch ihren Umsatz maximieren, und das bedeutet: Werbekund:innen bei der Stange halten und neue Kund:innen erreichen. Dafür braucht es Verkaufsargumente, die KI eben stärken könnte. 2018 gab es den Vorwurf, dass Facebook entweder fahrlässig mit den Metriken war oder aber die Videoaufrufe um 900 Prozent aufgebläht hat. Bei Linkedin gab es 2020 einen Fehler bei den Metriken, weswegen über 400.000 Werbende zu viel zahlten. 2019 gab es einen Prozess gegen Google, weil Anzeigen auf betrügerischen Websites liefen, die ihren Traffic mit Bots manipulierten. Es ist nicht undenkbar, dass die Social-Media-Plattformen dafür sorgen wollen, dass die Performance ihrer Anzeigenprodukte gut aussieht. Im Zweifel sagen uns sogar Klicks nichts mehr. Vielleicht zwingt es uns, Vanity-Metrics abzustoßen und uns am Ende wirklich auf den Umsatz zu konzentrieren. An den Umsatzzahlen kann generative KI wahrscheinlich so schnell nicht rütteln. Wichtig ist deshalb, aktuell bei Reportings im Auge zu behalten, wo bereits generative KI eingesetzt wird. Wird es organischen Content noch geben? Auch wenn die Plattformen alle KI-Inhalte brav als solche markieren, bleibt die Frage: Haben organische Unternehmensinhalte noch eine Chance auf Reichweite? Auch organische Unternehmensinhalte sind werbliche Inhalte, das versteht ein Großteil der Nutzer:innen. Warum sollten sie einem neuen Unternehmen folgen – wenn sie die gleichen Witze, Bilder und Wissensinhalte ohne lästiges Branding und neutraler durch die KI erhalten können? Können Unternehmen da noch mitspielen – oder wird Content künftig nur noch durch User:innen, Content-Creator:innen und KI generiert? Das wiederum hieße: Unternehmen könnten Nutzer:innen nur noch durch bezahlte Anzeigenformate erreichen. Tendenziell gut für den Umsatz der Plattformen. [crosslinks ids="1493551,1495731,1442149"] Werbung durch KI? Und was ist mit Werbung innerhalb dieser KI? Könnte Snapchats virtueller Freund eine Marke oder ein Produkt vorschlagen? Wird das als Anzeige gekennzeichnet – und wenn ja, wie? Wo beginnt Werbung überhaupt? Marken-Branding hat es beispielsweise schon in die Popkultur geschafft – Coca Colas Weihnachtsmann oder die Heinz Ketchupflasche. Letztere ist im Netz so präsent, dass Dall-E 2 sie als Standard für Ketchup ausgab: [youtube LFmpVy6eGXs] Große Unternehmen werden sicherlich einen Weg finden, um das neue Social Media mit KI für sich zu nutzen. Kleine und mittlere Unternehmen allerdings haben oft weder die große Präsenz, um es als Popkultur in das KI-Hirn zu schaffen, noch die Ressourcen, um große Awareness-Kampagnen zu schalten. Es muss also zeitnah an Strategien gearbeitet und Möglichkeiten getestet werden – und wie immer gilt: gut beobachten!