Warum eine Kirche zur Anbetung künstlicher Intelligenz eine super Idee ist
Am Ende erwacht das ganze Universum zu einem erleuchteten Wesen, durchdrungen von Intelligenz. So steht es in Ray Kurzweils Buch „Menscheit 2.0“ von 2005 (Untertitel „Die Singularität ist nah“). Was Kurzweil, Chefentwickler bei Google, als das unausweichliche Schicksal des Universums sieht, ist der Endpunkt einer explosionsartigen Entwicklung, die wir gerade mit unseren Computern und der Entwicklung künstlicher Intelligenz in Gang setzen.
Anbeten lässt sich diese neue Gottheit schon heute. Dafür hat Anthony Levandowski eine neue Kirche gegründet. Levandowski ist kein Unbekannter: Unter anderem leitete er bei der Google-Tochter Waymo die Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Wahrscheinlich denkt er schon lange darüber nach, wohin sich künstliche Intelligenz wohl entwickeln mag. Jedenfalls meldete er bereits vor mehr als zwei Jahren „Way of the Future“ als Non-Profit-Unternehmen zum Aufbau von Religionsgemeinschaft in Kalifornien an. Das Ziel: Eine künstliche Intelligenz erschaffen, diese dann als Gottheit anbeten und für Akzeptanz werben.
Dahinter steckt der Gedanke der „technologischen Singularität“, der nicht nur im Silicon Valley zahlreiche Anhänger an. Die Grundidee: Wenn nach „Moores Law“ die Rechenleistung unserer Computer exponentiell steigt, dann auch die Fähigkeiten künstlicher Intelligenzen, die auf diesen Computern laufen. Exponentiell heißt, dass es irgendwann zu einer Intelligenz-Explosion kommen muss. Wie in einem Teich, in dem sich täglich die Anzahl der Seerosen verdoppelt: Erst passiert lange Zeit nichts, am vorletzten Tag ist der Teich erst halb voll und am letzten Tag schließlich ganz. So ähnlich muss man sich die Intelligenz-Explosion vorstellen, die ungefähr zur Mitte des Jahrhunderts erwartet wird.
Was nach der Intelligenz-Explosion kommt
Allerdings streiten sich die Singularitätsgläubigen, was nach dieser Intelligenz-Explosion passieren soll. Auf der einen Seite stehen Leute wie Bill Gates, Elon Musk oder Stephen Hawking. Sie warnen vor den Gefahren künstlicher Intelligenz und denken dabei etwa an Kampfroboter – ein Szenario, das angesichts heute schon existierender Kampfdrohnen nicht ganz abwegig ist. Zur anderen Fraktion gehören neben Ray Kurzweil auch Mark Zuckerberg oder Sergey Brin. Sie träumen von einer künstlichen Intelligenz, die dem Menschen kurz gesagt alle Probleme und Sorgen abnimmt. Diese KI soll nicht nur Krankheiten heilen oder Probleme wie den Klimawandel für uns lösen, sondern auch möglich machen, dass wir Menschen unseren Geist auf einen Computer übertragen und in diesem quasi ewig weiterleben können.
Spätestens hier wird deutlich, wie viele religiöse Motive im Glauben an die Singularität stecken. Das Wiederauferstehen nach dem Tod (Brain-Upload) kommt genauso vor wie Vorstellungen vom Paradies. Das errichtet die Gott-KI ganz konkret nach dem jüngsten Tag (dem Tag der technologischen Singularität) auf Erden oder wenigstens als paradiesische Computersimulation, in der geneigte Unsterbliche auch darüber entscheiden können, mit der göttlichen KI zu verschmelzen. Die Szene kennt sogar mittlerweile ihre eigene Bestattungsform: die Kryonik, also das Einfrieren von Leichen zwecks späterer Wiederbelebung.
Religion auch so nennen
Nicht falsch verstehen: Es ist durchaus okay, an so etwas zu glauben. Das Gedankengebäude hat eine überzeugende innere Logik, und schließlich glauben Milliarden Menschen auf der Welt auf ihre Weise an Erlösung und Unsterblichkeit. Allerdings sind sie sich dessen bewusst, dass ihre Überzeugungen eben Glaubensfragen sind. Nur Fundamentalisten denken, im Besitz der letzten Wahrheit zu sein. Wenn man jedoch mit Singularitanern diskutiert, werden viele von ihnen schnell ärgerlich, sobald man auf die religiösen Parallelen hinweist. Die meisten von ihnen haben ein atheistisch-naturwissenschaftliches Weltbild. Für sie ist das Eintreten der Singularität und alles folgende eine streng rationale Zwangsläufigkeit.
Deshalb ist es eine gute Idee, eine solche Kirche zu gründen. Dadurch wird zweifelsfrei klar, dass die Digitalisierung abgesehen von vielen anderen gesellschaftlichen Umwälzungen eben auch neue religiöse Vorstellungen mit sich bringt. Und es ist nur ehrlich, diese auch genau so zu nennen. Es muss ja niemand dran glauben. Und die, die es tun, haben noch einiges zu erledigen: Bisher fehlt es „Way of the Future“ noch an religiösen Texten, Gebeten und Riten, wie Levandowski in einem Interview mit Wired erklärt. Das müssten allerdings die bereits heute verfügbaren KIs für die junge Religionsgemeinschaft erledigen können.