Warum deine Hilfsbereitschaft manchmal mehr schadet als nutzt – und wie du es besser machst

Manchmal kommt man aus dem Danksagen gar nicht mehr heraus. Und ich weiß nicht, wie es dir geht, aber für mich fühlt sich das seltsam an. Und umgekehrt, ganz ehrlich, feiere ich mich manchmal den Rest des Tages, wenn ich morgens jemandem einen kleinen Gefallen getan habe – und erwarte umgekehrt, dass mir die Welt zu Füßen gelegt wird.
Würden wir einander nicht helfen, wäre der Arbeitsalltag ruppig und voller Hindernisse. Helfen ist also etwas Gutes – wenn es denn richtig gemacht wird, schreiben die Organisations- und Managementforscher Stephen Lee und Michael Johnson von der Washington State University im Academy of Management Journal. Dieser Faktor ist entscheidend für die Teamkultur. Er ist besonders bedeutsam für Menschen, die von sich behaupten, anderen häufig und gern zu helfen.
Helfen: Auf das Wie kommt es an
„Empfänger sind nicht passiv – sie nehmen emotionale Signale wahr und nutzen sie, um daraus zu schließen, warum jemand hilft“, so Lee in einer Mitteilung der Hochschule. „Wenn sie das Gefühl haben, dass der Helfende aus Eigeninteresse oder Pflichtgefühl handelt, verändert das ihre Wahrnehmung der Hilfe – und ob sie geneigt sind, sich zu revanchieren.“
Wir nennen diese kleinen Signale emotionale Hinweisreize. Je stressiger ein Tag oder je abgelenkter wir sind, desto leichter entgleiten uns diese Hinweisreize. Doch wer beim Helfen auch nur den Verdacht aufkommen lässt, Stolz oder Verachtung zu empfinden, der kann sich die Tat damit auch sparen.
Positive Folgen hat sie jedenfalls nicht, denn die Person, die die Hilfe empfängt, geht mit einem schalen Gefühl aus der Situation raus. Das erzeugt kein Klima der Gegenseitigkeit. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass stattdessen eine Distanz entsteht.
Dankbarkeit und Freundlichkeit schweißen zusammen
Wer ein Miteinander und gegenseitige Hilfe fördern will, kann bei den kleinen Momenten des Helfens ansetzen. Dabei hilft es, ein Gefühl zum Ausdruck zu bringen, das man beim Helfen vielleicht gar nicht erwarten würde: Dankbarkeit. Gepaart mit Mitgefühl und Fürsorge – in freundlicher, auf Augenhöhe wahrgenommener Dosierung – fördert sie den Zusammenhalt am Arbeitsplatz.
Dosierung ist ein wichtiges Stichwort: Wer fröhlich und lautstark hilft, damit auch ja alle es mitbekommen, ist zurück beim Ursprungsproblem des Helfens: dem eigenen Stolz. Hierbei gilt es, eine Balance zu finden, die der Sache dient, also der aktuellen Aufgabe ebenso wie dem Ziel, gegenseitige Hilfe als festen Bestandteil der Teamkultur zu etablieren.
Dabei können Führungskräfte entscheidend auf die Teamkultur einwirken. Das gelingt, indem sie das Verhalten vorleben, das sie in ihrer Abteilung sehen wollen: „Hilfe, die aus Dankbarkeit oder Fürsorge für andere entsteht, führt mit größerer Wahrscheinlichkeit zu positiven, dauerhaften Beziehungen“, sagt Lee. „Wenn Führungskräfte solche Emotionen beim Helfen gegenüber ihren Teams vorleben, gibt das den Ton für ein unterstützendes und engagierteres Arbeitsumfeld an.“
Immer alles selbst machen müssen sie dafür übrigens nicht. Während Menschen oft glauben, selbst helfen zu müssen, um kein negatives Gefühl zu erzeugen, sei in der Praxis oft das Gegenteil der Fall: Wer an kompetente Hilfe weiterverwiesen wird, dem wird viel mehr gedient, berichteten kürzlich die Organisationsforscher Ko Kuwabara und Kelly Nault.
Das „Zusammen schaffen wir das“-Gefühl
Diese Art von Zusammenhalt kommt zu kurz, wenn Menschen dezentral arbeiten oder unter Druck stehen. Dies ist kein Plädoyer gegen dezentrale Arbeitsorganisation. Und doch müssen wir die Herausforderung benennen: Wollen wir Teams schmieden, die zusammenhalten und einander unterstützen, dann müssen wir dafür auch die notwendigen Begegnungsräume schaffen. Und je digitaler diese sind, desto wichtiger ist es, dass gegenseitige Hilfe vorgelebt wird.
Das lohnt sich, weil es die Arbeitszufriedenheit erhöht. Der kanadische HR-Forscher Michel Tremblay hat 168 Teams mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden untersucht und dabei analysiert, wie Hilfsverhalten und Absentismus zusammenhängen. Keine Überraschung, aber wichtig zu bedenken: Helfen Teams einander, dann fehlen die Mitarbeitenden seltener.
Starker Zusammenhalt für moderne Arbeit
Bedeutend ist auch Tremblays umgekehrte Beobachtung: Während und nach Zeiten längerer Abwesenheit leidet der Zusammenhalt im Team. Es gilt also, diesen wiederherzustellen, zum Beispiel im Kontext eines Sabbaticals, Elternzeit oder Krankheit. Hierbei können Teams glänzen, die einen starken Zusammenhalt pflegen, denn sie können Tremblay zufolge die Minderung der Produktivität kompensieren, die die Vertretenden sonst erleben.
Die Freiheiten der modernen Arbeit können manchmal den Zusammenhalt belasten. Gleichzeitig machen sie einen Bedarf sichtbar, der sonst vielleicht unentdeckt geblieben wäre: Zusammenhalt stärkt Teams. Und Zusammenhalt ist nicht durch Anwesenheit im gleichen Gebäude abgehakt. Er muss gelebt werden. Das dient der Leistung und dem Wohlbefinden.
Das Wie darf dabei jeden Tag neu erfunden werden – aber Achtung vor jenen zu haben, denen geholfen wird, ist immer ein guter Startpunkt.