Kooperation statt Konkurrenz: Das Zeitalter des Wettbewerbs ist größtenteils vorbei
Es gab eine Zeit, da galt: die oder wir. Deren Konsole oder unsere Konsole. Deren Schuhe oder unsere Schuhe. Deren Marke oder unsere Marke. Seine Karriere oder deine Karriere. Doch diese Zeit ist vorbei: Konsum hat sich verändert, Wünsche an Dienstleistungen haben sich verändert und Karrieren haben sich ganz massiv verändert.
Kurz der Disclaimer, falls du nach Ausnahmen suchst: Es gibt jede Menge. Natürlich gilt die Änderung nicht in allen Branchen – nach keinem oder einem oder zwei Autos ist bei den meisten Schluss. Ich habe nur einen Kühlschrank.
Aber Jeans? Spielkonsolen? Massagen? Sogar bei Sportstätten geht der Trend zu mehr Auswahl. Streaming-Portale, Sport-Tights, Hautpflegeprodukte, Nachrichten-Abos, Übergangsjacken. Zusätzlich zu den „Wir oder Die“-Produktwelten gibt es eben auch jene, in denen Konsum zu Konsum führt. Das liegt auch an der Werbung: Das Buch hat dir gefallen? Hier sind drei weitere, die du lieben könntest. Die Abteilung macht gute Arbeit? Stocken wir auf. Und diese Bereiche werden immer relevanter.
Mehr Geld, mehr Genuss
Konsum ist heute stärker auf Genuss ausgelegt und weniger stark darauf, die wichtigsten Bedürfnisse zu decken und dann die Hypothek abzubezahlen. Heute sind die verfügbaren Einkommen höher. Die Inflation hat zwar ein gutes Stück aufgefressen, wird aber den Trend nicht langfristig umkehren: Die Konsumausgaben steigen. Menschen kaufen, was ihnen gefällt. Und wenn ihnen etwas gefällt, dann kaufen sie mehr davon.
Diese neue Konsumkultur hat der Wirtschaft etwas hinzugefügt: Branchen, in denen eine Sättigung erst deutlich später eintritt. So wird Konkurrenz weniger relevant.
Fürs Leben lernen? So nicht
Einen artverwandten Trend beobachten wir seit langer Zeit in Teams. Konkurrenz ist natürlich ein Karrierefaktor. Doch wer dabei die Kooperation vergisst, der wird in vielen Unternehmen keine Karriere mehr machen, weil er sich als führungsunfähig erwiesen hat.
Und damit sollten sich eigentlich auch die Werte ändern, mit denen Menschen ins (Arbeits-)Leben starten. Erstaunlicherweise tritt genau das Gegenteil ein: Schon die Jüngsten konkurrieren hart um Zukunftschancen. Da stimmt doch etwas nicht.
Kampf um die Freiheit
Bei der Grundschule mache ich mir für meine kleine Tochter noch keine Sorgen – das Problem liegt allein bei uns Eltern. Aber spätestens ab der fünften Klasse wird sie knallhart um einen Platz für eine weiterführende Schule konkurrieren müssen. Dann wird sie um einen Ausbildungs- oder Studienplatz kämpfen. Dann vielleicht um einen Master oder ein Trainee.
Was genau lernen die Kinder dabei? Mach einen Fehler, lass dich mal gehen und zack – du bist raus. Wenn du nicht gut genug bist, dann verlierst du ein Stück Freiheit: Du kannst dir dann nicht mehr aussuchen, was du später einmal machst. Also kämpf. Wir schleifen die Ellenbogen der Zehnjährigen an, als hätten sie tatsächlich Verwendung für sie.
Nur ist es so halt nicht. Es gibt eine wunderbare Zone von Leistungsbereitschaft, Freude an der Arbeit und Lust auf Erfolg, die hervorragend ohne Drill auskommt. In dieser Zone werden mit Zusammenhalt und einem Gefühl der Sicherheit hervorragende Ergebnisse erzielt, weil die ganzen Reibungsverluste der Konkurrenz entfallen.
Gut, dass die anders denken
Die Konkurrenzkämpfe belegen Studien schon seit Jahren. Der schöne Gegentrend ist, dass junge Arbeitnehmende sich davon abgrenzen und im Berufsleben mehr Freiheiten einfordern – und eine bessere Stimmung schaffen wollen.
Zum Glück schlagen Karma und Demografie längst zurück: Nachdem die jungen Menschen zwanzig Jahre lang durch ein Konkurrenzsystem gedrillt wurden, sind es die Unternehmen, die um sie konkurrieren müssen. Und dann beschweren sich die Älteren, dass die Jüngeren sich erst einmal erholen wollen? Die Jüngeren haben das System nicht geschaffen. Die haben sich nur durch etwas durchgekämpft, das mit der Arbeitswelt von heute nur noch wenig zu tun hat.