Nach 353 Geboten fließen 69,3 Millionen Dollar für ein Jpeg mit einer Auflösung von 21.069 x 21.069 Pixel und einem Dateigewicht von rund 319 Megabyte. Der Unterschied zu anderen Jpegs besteht allerdings darin, dass der frisch gebackene, aber noch unbekannte Eigentümer sein Eigentum an der Datei per Blockchain nachweisen kann. Seine Eigentümerschaft wird dauerhaft im Ethereum-Netzwerk vermerkt. Das Kunstwerk ist mit einem NFT-Token verknüpft.
Am 25. Februar hatte das britische Auktionshaus Christie’s in Kooperation mit Makersplace, einem Marktplatz für digitale Kunst, die Versteigerung gestartet, die nicht nur für das 1766 gegründete Traditionshaus eine Premiere darstellt. Christie’s ist damit das erste bekannte Auktionshaus, das sich dem Krypto-Markt öffnet.
„Everydays: The First 5,000 Days“
Für den ersten Versuch der Versteigerung eines rein digital existierenden Kunstwerks hatte sich Christie’s für die Collage „Everydays: The First 5,000 Days“ des Netzkünstlers Beeple entschieden. „Everydays: The First 5,000 Days“ ist ein Werk, das aus 5.000 einzelnen Bildern besteht und im Zeitraum von 2007 bis 2021 dadurch entstanden ist, dass der Künstler jeden Tag ein weiteres Bild hinzugefügt hat.
Thematisch decken die einzelnen Gemälde und Cartoons jeweils Begebenheiten ab, die am Tag ihrer Entstehung für den Künstler von Relevanz waren. So beginnt die Kollage 2007 mit dem Bild seines Onkels. 2021 endet sie mit Bildern von Donald Trump, dem ehemaligen US-Präsidenten. Eines zeigt ihn als nackten Riese auf dem Washingtoner Kapitol sitzend, ein anderes macht ihn zum Mitglied einer extrem skurrilen Truppe, der auch Michael Jackson, Kim Jong-Un, Pikachu, Super-Mario und einige andere angehören.
Dazwischen findet sich eine Vielzahl mehr und minder skurriler Zeichnungen, die Mao Tsetung, Micky Maus, Pokémon und viele andere zeigen. Auch computergenerierte Fraktale und 3D-Render setzt Beeple ein. Auf der Website zur Auktion steht eine Zoom-Funktion zur Verfügung, mit der ihr euch das Werk aus der Nähe ansehen könnt.
Das ist Beeple
„The First 5,000 Days“ ist ein Teil aus der Everydays-Serie. 21 Stücke der Serie hatte Beeple im vergangenen Dezember über die Winklevoss-Plattform Nifty Gateway abgesetzt und dabei 3,5 Millionen Dollar an Versteigerungserlösen erzielt. Das hatte niemanden mehr überrascht als Beeple selbst.
Beeple heißt im echten Leben Mike Winkelmann, ist 39 Jahre alt und lebt in einem Vorort des Städtchens Charleston im US-Bundesstaat South Carolina. Er verdient seine Brötchen als Grafikdesigner, ist mit einer Lehrerin verheiratet und ist Vater zweier Kinder. Sein plötzlicher Ruhm ist nicht vernünftig zu erklären. Noch vor einem Jahr wollte niemand Winkelmanns Werke kaufen. Dann kam der NFT-Boom.
Erstmals hatte der digitale Kunstschaffende eine Möglichkeit, anderen nachvollziehbar Eigentum an seinen Werken zu verschaffen. Quasi „aus dem Nichts“ sei diese Möglichkeit zu ihm gekommen, so Beeple. Mittlerweile hat Beeple 1,9 Millionen Follower auf Instagram und seine Werke werden auch auf dem Drittmarkt für exorbitante Beträge gehandelt.
Krypto-Christie’s
Für Christie’s ist der Verkauf des Beeple-Werks zwar eine Premiere, aber nicht der erste Gehversuch in der Welt der Blockchain-basierten Kunst. Erst im Oktober verkaufte das Haus ein Werk aus Robert Alices Gemäldeserie „Portraits of a Mind“ aus dem Jahr 2020, das Bitcoin-Code in seine Komposition einbezieht. Und im Jahr 2018 arbeitete das Haus mit dem Blockchain-gestützten Kunstregistrierungsdienst Artory zusammen, um den Verkauf der amerikanischen Kunstsammlung von Barney A. Ebsworth zu veranstalten.
Nun hat der britische Auktionator erstmalig ein rein digitales Kunstwerk als NFT-Token versteigert. Dabei hat es keine vorherige Preisschätzung gegeben, wie das sonst bei Kunstwerken üblich ist. Vielmehr hat Christie’s fast im Ebay-Stil mit einem Startgebot von 100 Dollar angefangen und geschaut, wohin sich die Sache entwickelt.
Nach Einschätzung der Auktionsexperten von Christie’s ist NFT-Kunst kein kurzlebiger Trend, sondern bildet eine grundlegende Verschiebung vom Realen zum Digitalen ab. Klar, dass das Auktionshaus darin massive Chancen sieht.