Landwirtschaft in der prallen Sonne: Ein kleiner Sensor soll Farmarbeiter in den USA frühzeitig vor extremer Hitze warnen

Zum 21. Juli 2024 kam es in vielen Teilen der Welt, darunter den USA, zu einem sprunghaften Temperaturanstieg. An manchen Orten wurden Rekorde für den heißesten Tag überhaupt gebrochen. Am folgenden Tag, dem 22. Juli, ging es so weiter. Doch auch wenn der Hitzeindex mittlerweile fast jeden Sommer zulegt, arbeiten Menschen in der Landwirtschaft, die im Freien Obst, Gemüse und Blumen ernten, weiter in der Sonne.
Die Folgen können schwerwiegend sein und zu Krankheiten wie hitzebedingter Erschöpfung oder gar Hitzeschlag führen. Die Körpertemperatur kann so stark ansteigen, dass Landarbeiter „im Wesentlichen … mit Fieber arbeiten“, sagt Roxana Chicas, Assistenzprofessorin an der Krankenpflegeschule der Emory University. In einer Studie von Chicas‘ Forschungsteam waren die meisten untersuchten Farmmitarbeiter:innen chronisch dehydriert, selbst wenn sie den ganzen Tag über Flüssigkeit zu sich nahmen. Viele zeigten zudem schon nach einem einzigen Arbeitstag Anzeichen einer Nierenschädigung.
Chicas ist Teil eines Emory-Forschungsprogramms, das seit 2009 den Gesundheitszustand von Menschen in der Landwirtschaft untersucht. Das Team legt großen Wert auf die Zusammenarbeit zwischen Forscher:innen und Personen aus der Community und hat jahrelang mit Landarbeiter:innen in den USA kooperiert, um Daten über Nierenfunktion, das Risiko von Hitzeerkrankungen und die Wirksamkeit von Kühlmaßnahmen zu sammeln.
Sensor überwacht Vitalzeichen in der Hitze
Um die Messungen zu optimieren und Menschen zu schützen, hat die Gruppe jetzt einen innovativen Sensor entwickelt, der mehrere Vitalparameter überwacht, um zu erkennen, ob einem Mitarbeiter hitzebedingte Krankheiten drohen. Ist das so, wird ein Alarm ausgelöst. Wenn sich die Technik durchsetzt und konsequent eingesetzt wird, könnte sie die Sicherheit in landwirtschaftlichen Betrieben, selbst wenn es dort zunächst keine nennenswerten Hitzeschutzmaßnahmen gibt. Gegenwärtig sind viele Arbeitnehmer:innen aufgrund der in den USA in diesem Bereich eher milden Arbeitsschutzvorschriften oft selbst für ihre Sicherheit verantwortlich. „Die Regierung konzentriert sich derzeit in erster Linie darauf, die Arbeiter über die Versorgung mit Wasser [und] die Symptome hitzebedingter Krankheiten aufzuklären“, sagt Chicas, die ein Feldteam leitet, das den Sensor letzten Sommer in Florida getestet hat.
Das Sensorprojekt, eine Kooperation zwischen Emory und Ingenieur:innen des Georgia Institute of Technology, begann im Jahr 2022, als das Team einen Vierjahreszuschuss in Höhe von 2,46 Millionen US-Dollar vom National Institute of Environmental Health Sciences zur Umsetzung erhielt. Der Sensor ist in der Lage, kontinuierlich die Hauttemperatur, die Herzfrequenz und die körperliche Aktivität zu messen. Das Gerät aus weichem Material, das auf der Brust getragen wird, wurde in Abstimmung mit den Landarbeiter:innen selbst entwickelt. Es wird auch nicht unbequem, wenn man es mehrere Stunden in der Hitze trägt, es fällt nicht vom Körper ab, weil man schwitzt, und es behindert die körperliche Bewegung nicht, die für die landwirtschaftliche Arbeit notwendig ist.
Nächstes Ziel: Vorhersage von Risiken in der Hitze
Um die Sensordaten in nützliche Warnungen umzuwandeln, arbeitet das Team jetzt an der Entwicklung eines Modells zur Vorhersage des Risikos von hitzebedingten Erkrankungen. Chicas weiß selbst, was Wanderarbeiter aus Südamerika in die Vereinigten Staaten treibt, um auf Farmen in der heißen Sonne zu arbeiten. Als sie ein Kind war, wanderte ihre eigene Familie auf der Suche nach Arbeit in die USA ein und ließ sich in Georgia nieder. Sie erinnert sich daran, dass sie von Familienmitgliedern und Freund:innen der Landarbeiter viele Geschichten darüber hörte, wie heiß es auf den Feldern war und wie sie mit Kopfschmerzen von der Arbeit kamen.
Da die Landarbeiter jedoch größtenteils Latinos sind (63 Prozent wurden in Mexiko geboren) und fast die Hälfte keine Papiere besitzt, ist es für sie schwierig, über ihre Arbeitsbedingungen zu sprechen, sagt Chicas. Die Arbeiter seien in der Regel darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit zu erregen, die „ihre Existenz gefährden könnte“. Sie tun dies eher, wenn sie von einer Organisation wie der Farmworker Association of Florida (FWAF) unterstützt werden, die die Landarbeiter:innen im Bundesstaat organisiert. Die FWAF arbeitet seit mehr als einem Jahrzehnt mit dem Emory-Programm zusammen und rekrutiert auch Landarbeiter zur Teilnahme und Mitgestaltung an den Studien.
Zwischen den am Programm Beteiligten herrsche „großes Vertrauen“, sagt Ernesto Ruiz, Forschungskoordinator bei der FWAF. Ruiz, der im vergangenen Jahr selbst an der Datenerhebung in Florida teilnahm, berichtet, dass es aufgrund des großen Interesses eine Warteliste für die Teilnahme an dem Projekt gab. Und dass, obwohl man dafür in aller Herrgottsfrühe vor einem langen Arbeitstag anreisen musste.
Studie gibt etwas zurück
Zur Unterstützung der Forschung wurden die Teilnehmer auf ihre Vitalparameter hin untersucht. Sie erfuhren auch etwas über ihren Blutzuckerspiegel, Cholesterin, Triglyceride, HDL und LDL. Diese Werte, so Ruiz, „dienen nicht dazu, hitzebedingte Verletzungen vorherzusagen“. Die Proband:innen baten jedoch um die zusätzlichen Gesundheitsuntersuchungen, da sie in den USA immer noch kaum oder gar keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Wenn während der Studie Gesundheitsprobleme festgestellt werden, werde die FWAF die Arbeiter:innen an Gesundheitsdienstleister oder kostenlose oder kostengünstige Kliniken vermitteln, so Ruiz „Partizipative Forschung aus der Community heraus darf nicht nur Daten und Narrative sammeln“, sagt Ruiz. „Sie muss auch etwas zurückgeben“.
Die Arbeit an Technologien zur Messung von Hitzestress bei Landarbeitern könnte in die Entwicklung neuer Strategien einfließen. „Wir müssen in der Lage sein, die brutalen Arbeitsbedingungen, denen die Menschen ausgesetzt sind, und den Tribut, den dies für ihren Körper bedeutet, empirisch und mit unwiderlegbaren Beweisen zu dokumentieren“, sagt Ruiz.
Obwohl die Regierung unter Präsident Biden neue Vorschriften vorgeschlagen hat, gibt es derzeit keine Bundesnormen zum Schutz dieser Arbeiter vor extremer Hitze (nur fünf Bundesstaaten haben eigene Hitzestandards). Nachdem der Bezirk Miami-Dade beispielsweise Hitzeschutznormen für Arbeitnehmer im Freien vorgeschlagen hatte, erließ der Bundesstaat Florida ein eigenes Gesetz, das es den Gemeinden untersagt, dies zu tun. Begründung: Das habe negative Auswirkungen auf die Arbeitgeberseite.
Unterdessen steigen die Temperaturen weiter an. Da die Arbeitnehmer in einer Umgebung ohne Schutznormen „ständig und chronisch“ der Hitze ausgesetzt sind, so Chicas, könnten wenigstens die neuen Sensor eine eigene Form des Schutzes bieten.