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Interview
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So macht Ecosia Klimazerstörer in den Suchergebnissen sichtbar

Unternehmen, die ihr Geld mit fossilen Energieträgern machen, kennzeichnet die Suchmaschine Ecosia mit einem Kohlekraftwerk-Symbol. Wie das funktioniert und wie die Erfahrungen damit sind, erklären die Macher im Interview.

Von Anton Weste
7 Min. Lesezeit
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CO2-Emissionen treiben den Klimawandel (Bild: pixnio.com)

Der CO2-Sektor der Wirtschaft ist nach wie vor munter, stellt aber verständlicherweise ungern seinen Beitrag zum menschengemachten Klimawandel in den Vordergrund. Rohstoffunternehmen fördern und verteilen Öl, Kohle und Gas, Energieversorger gewinnen Strom daraus, Banken und Fonds investieren in den fossilen Sektor. Obwohl erneuerbare Energien immer effektiver werden und sich die meisten Staaten in Verträgen wie dem Pariser Abkommen zu Klimazielen verpflichtet haben, gehört bei vielen Unternehmen die Nutzbarmachung fossiler Energie noch immer zum Geschäftsmodell. Eine Untersuchung des Guardian hat ergeben, dass nur 20 Unternehmen für ein Drittel aller weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind.

Kohlekraftwerk-Symbol kennzeichnet Klimasünder

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Um die größten CO2-Produzenten und Förderer des Kohleabbaus besser sichtbar zu machen, kennzeichnet die Suchmaschine Ecosia seit Oktober 2019 rund 200 Unternehmen in den Suchergebnissen mit einem Kohlekraftwerk-Symbol. Ein Maus-Overlay-Text sagt dazu: „Suchergebnisse mit diesem Symbol zeigen dir Ergebnisse von Firmen, die mit fossilen Brennstoffen Geld verdienen und damit das Klima zerstören.“ Für die Kennzeichnung trägt Ecosia Daten aus verschiedenen Quellen zusammen.

Aus Deutschland sind unter den Trägern des Kohlekraftwerk-Symbols beispielsweise die Energiekonzerne RWE und EnBW sowie der zweitgrößte Zementhersteller der Welt, Heidelberg Cement.

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RWE als Klimazerstörer: Markierung mit Kohlekraftwerk-Symbol.

Mit einem Kohlekraft-Symbol markiert Ecosia Klimazerstörer. (Screenshot: Ecosia/t3n)

Bei den betroffenen Unternehmen kommt die Kennzeichnung als Klimazerstörer nicht gut an. Eine Sprecherin von EnBW teilte t3n mit: „Die Kennzeichnung der EnBW mit einem Kohlekraftwerk greift zu kurz. Schließlich setzen wir uns seit 2013 massiv für eine Reduzierung der Kohle in unserem Erzeugungsportfolio ein und haben den Anteil CO2-intensiver Anlagen seit 2012 bereits um rund 40 Prozent reduziert.“ Außerdem plane der Energieversorger bis 2025 weitere Investitionen in Höhe von fünf Milliarden Euro für den Ausbau erneuerbarer Energien. „Insofern verstehen wir uns als aktiver Gestalter der Dekarbonisierung und der Energiewende“, sagt EnBW.

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Wer umweltfreundlich ist, bekommt das grüne Blatt

Ecosia ist eine Suchmaschine mit Sitz in Berlin, die ihre Gewinne aus Werbeanzeigen in Projekte für weltweite Wiederaufforstung steckt. Durchschnittlich ermöglichen laut Ecosia 45 von Nutzern durchgeführte Suchen die Pflanzung eines Baumes. Der Google-Konkurrent arbeitet mit Microsofts Bing zusammen, verzeichnet 15 Millionen monatlich aktive Nutzer und hat bislang über 83 Millionen Bäume gepflanzt.

Ergänzend zur Klimasünder-Kennzeichnung markiert Ecosia umwelt- und klimafreundliche Unternehmen mit einem grünen Blatt. Damit sollen die Nutzer schneller grüne und nachhaltige Anbieter finden. Ecosia erklärt, dass Markierungen mit dem grünen Blatt weder als Werbung gekauft werden können noch ein besseres Ranking in den Suchergebnissen erhalten.

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Im Interview mit t3n erläutert Génica Schäfgen, Head of Ecosia Germany, die Hintergründe zum Einsatz des Kohlekraftwerk-Symbols.

t3n: Wie würdest du in kurzen Worten die Mission von Ecosia beschreiben?

Génica Schäfgen: Wir wollen das System einer Suchmaschine nutzen, um Gutes zu tun, speziell für Umwelt- und Klimaschutz. Dabei helfen uns unter anderem die Baumpflanzungen.

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t3n: Was sind das für Unternehmen, die in den Ecosia-Suchergebnissen das Kohlekraftwerk-Symbol tragen?

Ganz unterschiedlich, es sind vor allem sehr große Player. Es sind viele Stromanbieter darunter.

t3n: Wodurch bekommt ein Unternehmen bei euch die Kennzeichnung mit dem Kohlekraftwerk-Symbol?

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Wir tragen dafür die Einschätzung verschiedener Gruppen über CO2-Produzenten zusammen. Dazu gehört etwa die Global Coal Exit List von Urgewald zu und eine Liste von The Guardian, die regelmäßig aktualisiert wird. Und wir arbeiten mit dem Climate Accountability Institute zusammen, das ermittelt, wer in Kohle investiert und Kohle abbaut.

Alle zwei Monate wird die Liste aktualisiert und dann kann die Zahl größer oder kleiner werden. Wenn Unternehmen entscheiden, nicht mehr in Kohle zu investieren, können sie dort auch gestrichen werden.

t3n: Und was genau sind die Kriterien, nach denen ein Unternehmen auf eurer Meta-Liste für das Kohlekraft-Symbol landet?

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Wir entscheiden das gar nicht selbst, sondern wir wählen in Zusammenarbeit mit Universitäten aus, wem und welchen Datensätzen zum CO2-Ausstoß wir vertrauen. Die Quellen sollten eine wissenschaftliche Autorität und Glaubwürdigkeit besitzen und eine ähnliche Vision wie wir haben, wenn es um Klima- und Umweltschutz geht. Insgesamt arbeiten wir an einer Art Good Database.

„Kein Online-Pranger“

t3n: Was sind eure Ziele bei der Kennzeichnung?

Unser Ziel ist es, Menschen zu informieren. Wir glauben, als Suchmaschine haben wir eine gewisse Verantwortung, wie man eine Information einordnet. Unsere Mission ist Klimaschutz und zur Klimakrise trägt Kohleabbau bei. Deswegen haben wir uns zu dieser Kennzeichnung entschieden. Wir wollen die Nutzer motivieren, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen und wir wollen diese Unternehmen dazu motivieren, Veränderungen herbeizuführen.

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t3n: Es gibt viele Unternehmen, die ebenfalls sehr viel CO2 ausstoßen, jedoch nicht mit dem Kohlekraftwerk-Symbol gekennzeichnet sind. So zum Beispiel Eon, das mit fast 70.000 Tonnen jährlichem CO2-Ausstoß einer der größten deutschen CO2-Produzenten ist. Warum fehlt dort die Kennzeichnung?

Da würde ich Urgewald fragen. Wir selbst haben da die Autorität zur Kennzeichnung nicht. Urgewald hat da die ganze Recherche durchgeführt, nicht wir.

t3n: Heidelberg Cement ist der zweitgrößte Zementhersteller weltweit und einer der größten deutschen CO2-Produzenten. Ihr kennzeichnet den internationalen Auftritt .com des Unternehmens mit dem Kohlekraftwerk, den deutschen Auftritt .de jedoch nicht. Warum dieser Unterschied?

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Unsere Datenbank steht noch am Anfang und wir haben noch nicht alle Seiten indexiert. Die Identifikation der Domains geschieht noch manuell und viele Unternehmen haben zu viele Subdomains, um sie bei der derzeitigen Kapazität mit aufzunehmen. Die Kennzeichnung wird noch ausgebaut.

Der nächste Schritt für uns bei der Kennzeichnung ist, deutlich zu machen, wer in fossile Energieträger investiert. Darunter fallen vor allem Banken. Wir schauen uns das gerade an und werde im nächsten Schritt Banken kennzeichnen.

Inkonsequent: Einzelne TLDs von Heidelbergcement haben unterschiedliche Kennzeichnungen.

Nicht konsequent: Einzelne TLD von Heidelberg Cement haben unterschiedliche Kennzeichnungen. (Screenshot: Ecosia/t3n)

t3n: Habt ihr vor, noch weitere Kennzeichnungen neben dem grünen Blatt und dem Kohlekraftwerk einzuführen?

Vorerst bleibt es bei den beiden Symbolen. Auf lange Sicht können wir uns vorstellen, dass es noch mehr Icons gibt, aber im Moment konzentrieren wir uns auf die beiden.

Das alles fällt in unsere größere Vision von einer grünen Suchmaschine, die eine Verantwortung von Informationsweitergabe wahrnehmen will. Dazu gehört beispielsweise auch der bei uns eingebundene Climate Action Tracker: Wenn man ein Land bei Ecosia eingibt, zeigen wir an, wie viel dieses Land für Klimaschutz tut und auf welches Gradziel die Erderwärmung sich zubewegt, wenn alle Länder diese Politik betreiben würden.

t3n: Habt ihr Feedback von einem Unternehmen bekommen, das ihr mit dem Kohlekraftwerk kennzeichnet und als Klimazerstörer bezeichnet?

Wir bekommen vor allem viel Feedback von unseren Nutzern, das ist durchweg positiv. Von Unternehmen haben wir noch kein negatives Feedback bekommen, aber es würde uns nicht wundern. Die Darstellung soll ja auch etwas Reibung erzeugen. Nur so entstehen Irritation, Entwicklung und die Motivation, etwas besser zu machen.

t3n: Was sagt ihr zu Vorwürfen, dass ihr damit einen Online-Pranger schafft?

Ich würde dem widersprechen, dass es ein Online-Pranger ist. Wir stellen nur eine Information bereit, die schon öffentlich ist, aber von den Unternehmen selbst nicht transparent kommuniziert wird. Als Informationsschnittstelle mit einer Vision zur Nachhaltigkeit sehen wir das als unsere Aufgabe.

t3n: Die Kennzeichnung durch das Kohlekraftwerk-Symbol zeigt keine feine Abstufung, sondern fällt ein binäres Urteil. Entweder ist man ein erheblicher Klimazerstörer oder nicht. Seht ihr darin Probleme?

Die Kennzeichnung ist ausbaufähig und noch nicht perfekt. Langfristig sollte es nicht nur ein Ja-Nein-Urteil sein, sondern auf einer differenzierteren Datenbasis stehen, die ermittelt, welchen Einfluss dieses Unternehmen auf Klima und Umwelt hat und wie wir das kennzeichnen wollen. Es sind im Moment wirklich die ersten Schritte, mit denen wir zeigen wollen: Wir als Ecosia wollen etwas anders machen und die Leute mit unseren aktuellen Möglichkeiten informieren.

„Es gibt eine Motivation, dass man zu den Guten gehört“

t3n: Auf der anderen Seite kennzeichnet Ecosia seit März 2019 umweltfreundliche Unternehmen mit einem grünen Blatt. Nach welchen Kriterien wählt ihr diese Unternehmen aus?

Auch hier nutzen wir Autoritäten in diesem Feld, genau wie beim Kohlekraftwerk-Symbol. Wir nehmen Datensätze von NGO zur Hilfe, die Unternehmen zertifizieren, etwa Gemeinwohl-Ökonomie, Unternehmensgrün, Hilfswerft oder Natrue. Wir werden noch weitere Datensätze heranziehen, um die Liste auszubauen. Das grüne Blatt soll verdeutlichen, welche Unternehmen etwas Positives zum Klima- und Umweltschutz, zum Gemeinwohl der Menschen des Planeten beitragen wollen. Diese Unternehmen sollen hervorgehoben und in ihrem Tun bestärkt werden. Das Symbol soll Nutzern helfen, bessere Konsumentscheidungen zu treffen.

Grünes Blatt für umweltfreundliche Unternehmen.

Klima- und umweltfreundliche Unternehmen tragen ein grünes Blatt. (Screenshot: Ecosia/t3n)

t3n: Wurde euch von einem Unternehmen auch schon mal Geld für eine Kennzeichnung mit dem grünen Blatt angeboten?

Ich würde sagen, dass wir mittlerweile einen solchen Namen haben, dass man uns keine unmoralischen Angebote macht. Man weiß, dass das eine Sackgasse ist. Es hat noch niemand versucht, sich da einzukaufen.

Was es gibt, ist ein generelles Interesse an den Konditionen zum grünen Blatt. Es gibt eine Motivation, dass man zu den Guten gehört. Wir haben Anfragen von Unternehmen bekommen, die wissen wollten: „Wie können wir ein grünes Blatt bekommen?“ – „Wie können wir das schnell bei euch durchrollen lassen?“. Wir antworten dann, auf welchen Datensätzen, Zertifizierungen und Initiativen unsere Einordnung basiert und dass sie sich die Konditionen dort am besten ansehen.

t3n: Konntet ihr seit der Einführung der Kennzeichnungen feststellen, dass Nutzer bei Ecosia Unternehmen mit dem grünen Blatt häufiger anklickten? Oder solche mit dem Kohlekraftwerk seltener?

Wir haben das User-Verhalten in Bezug auf die Icons nach aktuellem Stand nicht analysiert. Es gab allerdings eine User-Befragung zum Blatt-Icon. Dort war die Reaktion auf die Frage nach dem Mehrwert zu über 90 Prozent positiv. Für das Kohlekraft-Symbol haben wir noch keine solche Befragung durchgeführt.

t3n: Vielen Dank für das Gespräch.

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Dein t3n-Team

Geisteskrank

Ich habe die Lösung: Wir verbieten einfach Beton und Zement, dann gibt’s weniger CO2 und HeidelbergCement wäre sein Kohlekraftwerkssymbol los.

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