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Analyse

Warum Mark Zuckerberg sich selbst entmachtet

Die US-Presse nennt es Facebooks obersten Gerichtshof: Ein unabhängiges Kontrollgremium soll zukünftig entscheiden, was auf dem sozialen Netzwerk erlaubt ist und was nicht. Selbst Mark Zuckerberg soll die Entscheidungen nicht anfechten können. Aber wie funktioniert das Gremium und wie viel Kontrolle gibt Facebook wirklich ab?

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Mark Zuckerberg will die Verantwortung lieber doch an andere abgeben. (Foto: dpa)

2,5 Milliarden Menschen besuchen Facebook jeden Monat. Damit hat das soziale Netzwerk mehr Nutzerinnen und Nutzer als der bevölkerungsreichste Staat der Welt Einwohner. Es ist eine historisch einmalige Konzentration an Menschen, die letztlich alle die Hausregeln eines einzigen US-Konzerns beachten müssen. Das hat in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten geführt. Während die einen ein härteres Vorgehen gegen Hasskommentare fordern, kritisieren andere einen vermeintlichen Eingriff in die Meinungsfreiheit. Einzelne Entscheidung zur Löschung oder Nicht-Löschung von Beiträgen führen zu bisweilen hitzigen Debatten – und zu Rufen nach mehr Kontrolle.

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Schon 2018 hatte Firmengründer Mark Zuckerberg daher angekündigt, ein Kontrollgremium ins Leben rufen zu wollen, das inhaltliche Eingriffe zukünftig unabhängig von der Firmenleitung prüfen soll. Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt hat Facebook die ersten 20 Mitglieder des Gremiums vorgestellt. Insgesamt soll der Rat aus 40 Mitgliedern bestehen und ihre Entscheidungen sollen für das Netzwerk bindend sein. Selbst Mark Zuckerberg soll die Entscheidungen des Gremiums nicht anfechten können. Dabei hat der Facebook-Chef, der die Stimmmehrheit am Unternehmen hält, in der Vergangenheit immer wieder Forderungen von Investoren abgelehnt, mehr Kontrolle abzugeben.

Auch finanziell soll das Gremium unabhängig sein. Bezahlt werden die Mitglieder nicht direkt von Facebook, sondern aus einem eigens eingerichteten Treuhandfonds, den der Konzern mit 130 Millionen US-Dollar ausgestattet hat. Nach Unternehmensangaben hat Facebook keine Möglichkeit, dem Gremium diese Gelder zu entziehen.

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Nobelpreisträgerin und ehemalige Staatschefin: Wer sitzt im Gremium und was sind dessen Aufgaben?

Das Gremium ist prominent besetzt. Mit Tawakkol Karman befindet sich eine Friedensnobelpreisträgerin unter den ersten 20 Ausschussmitgliedern. Und mit Helle Thorning-Schmidt ist sogar eine ehemalige dänische Premierministerin dabei. Außerdem sitzt Alan Rusbridger im Gremium. Rusbridger war zwanzig Jahre lang Chefredakteur und Herausgeber des Guardians und hatte diesen Posten auch während der von Edward Snowden ausgelösten Prism-Affäre inne. Darüber hinaus finden sich mehrere Uniprofessoren und ehemalige Richter in dem Gremium. Die 20 ersten Gremiumsmitglieder kommen aus aller Welt. Rund ein Viertel und damit die Mehrheit stammt allerdings aus Nordamerika.

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Ihre Aufgaben sehen wie folgt aus: Nutzerinnen und Nutzer können dem Gremium Entscheidungen der Facebook-Moderatoren zur Prüfung vorlegen. Außerdem kann auch Facebook selbst Beiträge zur Prüfung an das Gremium weiterleiten. Weil der Ausschuss höchstwahrscheinlich nicht alle Fälle prüfen kann, entscheidet ein Auswahlkomitee, das aus je fünf Mitgliedern besteht und alle drei Monate wechselt, welche Fälle am Ende wirklich von dem Gremium behandelt werden. Neben der Abwägung konkreter Fälle soll das Gremium Facebook auch Vorschläge machen können, wie die Richtlinien des sozialen Netzwerks verbessert werden könnten.

Facebooks „oberster Gerichtshof“

In den US-Medien wurde das neue Gremium bereits des Öfteren als Facebooks „oberster Gerichtshof“ bezeichnet. Die Bezeichnung ist aber insofern irreführend, als dass die Richter am US-amerikanischen Supreme Court genau wie die des Bundesverfassungsgerichts von gewählten Volksvertretern bestimmt und ihre Arbeit damit demokratisch legitimiert ist. Über neue Mitglieder kann das Gremium zwar mitentscheiden, die Nutzerinnen und Nutzer, über deren Beiträge der Ausschuss am Ende urteilt, haben hingegen keinerlei Mitspracherecht.

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Außerdem geht aus der Satzung des Gremiums klar hervor, wer am Ende am längeren Hebel sitzt, wenn es darum geht, die vom Gremium zu behandelnden Fälle auszuwählen. Ja, Nutzerinnen und Nutzer können ihre eigenen Fälle vortragen, die dann vielleicht oder vielleicht auch nicht geprüft werden. Der Konzern selbst behält sich jedoch das Recht vor, bei bestimmten Fällen eine Entscheidung zu erzwingen. Laut Satzung soll das nur in Fällen passieren, wenn Inhalte zu „dringenden Konsequenzen für die reale Welt“ führen könnten. Wann genau das zutrifft, entscheidet allerdings Facebook.

Mark Zuckerberg und die restliche Facebook-Führung dürften die Wahrnehmung des Gremiums als eine Art „obersten Gerichtshof“ mit einigem Wohlwollen betrachten. Wird das Oversight Board, so der offizielle Name des Gremiums, als unabhängige Autorität anerkannt, hat sich der Konzern eines seiner größten PR-Probleme entledigt. Mangelnde Zensur von Hasskommentaren wie auch übermäßiges Löschen sind dann nicht mehr Facebooks Schuld und können dem Konzern dann auch nicht mehr vorgeworfen werden.

„Es ist ein Versuch Facebooks, die anhaltende Umgehung einer demokratischen Rechenschaftspflicht zu umgehen“, urteilte die britische Tech-Journalistin Natasha Lomas schon 2019, als der Konzern erste Details zum Oversight Board veröffentlichte. Der im Gremium sitzende ehemalige Guardian-Chef Rusbridger verteidigt die Existenz seines neuen Jobs hingegen damit, dass ein weltweites Netzwerk wie Facebook kaum von einzelnen Staaten reguliert werden könnte. Zumindest theoretisch gäbe es aber natürlich viel Spielraum zwischen einzelstaatlichen Vorgaben und einem elitären, von Mark Zuckerberg ernannten Kontrollgremium. Zumal auch Rusbridger sich nicht sicher ist, ob das Gremium den gewünschten Erfolg bringen wird. „Wird es funktionieren? Wir werden sehen. Es gibt, meiner Ansicht nach, keine Entschuldigung dafür, es nicht zu versuchen.“

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