Während einige Politiker und Meinungsmacher noch darüber streiten, ob Unternehmen wie Facebook strengere Regeln auferlegt werden sollten, ist die Frage für Firmenchef Mark Zuckerberg längst entschieden. „Das Internet wird immer wichtiger im Leben der Menschen und ich denke, wir müssen ein Gespräch darüber führen, welche Regulierungsmaßnahmen die richtigen sind – nicht ob es welche geben sollte oder nicht.“ Das erklärte Zuckerberg im Rahmen einer Anhörung vor dem US-Senat, bei der der Firmenchef öffentlich zu dem Datenskandal um Cambridge Analytica befragt wurde.
Konkrete Vorschläge für eine Regulierung von Facebook machte Zuckerberg allerdings nicht. Immerhin unterstützen er und sein Unternehmen mit dem „Honest Ads Act“ eine Gesetzesinitiative dreier US-Senatoren. Der Vorschlag wird nicht nur von Facebook, sondern auch von Twitter unterstützt und sieht vor, dass überprüft und klar kommuniziert werden muss, wer eine politische Werbung erstellt hat. Ähnliche Regelungen existieren in den USA bereits für das Fernsehen und Radio. Letztlich wird also nur eine offenkundige Gesetzeslücke geschlossen.
Aber Facebook und andere Internet-Plattformen haben auch gesellschaftliche Auswirkungen, die in der Form nicht vergleichbar mit denen der alten Medien sind. Zeitungen haben üblicherweise keine Leserbriefe veröffentlicht, in denen zum Mord an Politikern aufgerufen wurde, und auch das Privatfernsehen hat nie absichtlich Falschmeldungen verbreitet, um höhere Werbeeinnahmen zu generieren. Auf Facebook, wo prinzipbedingt keine Vorabkontrolle der verbreiteten Inhalte existiert, ist beides jedoch gang und gäbe. Das wiederum hat schwerwiegende Folgen für die Demokratie, denn wie soll die politische Meinungsbildung stattfinden, wenn Fakten zwischen Fake News untergehen? Wie soll diskutiert werden, wenn Hass und Anfeindungen an die Stelle von Argumenten treten? Und auch die Anhäufung von persönlichen Daten und das daraus resultierende Missbrauchspotenzial ist kein Phänomen, bei dem wir uns an Regelungen aus einer Zeit vor dem Internet orientieren können.
Datenschutz, Hassbotschaften und Fake News: Der Stand der Dinge
Mit der Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) herrschen innerhalb der EU bereits strenge Datenschutzregeln. Firmen, also auch Facebook, müssen nach dem Gesetz nicht nur offenlegen, welche Nutzerdaten sie sammeln und wie sie diese verwenden, sondern es dem Nutzer auch möglichst einfach und verständlich erklären. Mit dem Gesetz sind auch die möglichen Höchststrafen für die illegale Weitergabe persönlicher Daten deutlich angehoben worden. Inwieweit die DSGVO ein adäquates Mittel zur Bekämpfung von Datenmissbrauch darstellt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen müssen.
Beim Kampf gegen die Verbreitung von Hassbotschaften auf Facebook und anderen Plattformen hat sich hierzulande vor allem der ehemalige Bundesjustizminister und jetzige Außenminister Heiko Maas (SPD) hervorgetan. Auf seine Initiative hin wurde am 1. September 2017 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) erlassen. Im Kern sieht das Gesetz vor, dass Hassbotschaften von den Plattformbetreibern selbst gelöscht werden müssen. Tun sie das nicht, sollen empfindliche Strafen drohen.
Schon vor Inkrafttreten des NetzDG hagelte es Kritik. Unter anderem von der EU-Kommission, dem Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für den Schutz der Meinungsfreiheit und von Reporter ohne Grenzen. Kritisiert wurde vor allem, dass im NetzDG viel zu vage definiert sei, was eigentlich eine Hassbotschaft sei. Außerdem sieht die Regelung keine Möglichkeit vor, eine Löschung zu beanstanden.
Auch mit den möglichen Strafen ist es nicht weit her: Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des NetzDG konnte sich die Bundesregierung noch immer nicht auf einen Bußgeldkatalog einigen. Wie Netzpolitik.org berichtet, ist das wohl vor allem der erfolgreichen Lobbyarbeit von Facebook und Google zu verdanken. Zusammenfassend hat der deutsche Staat also die Löschung von Inhalten in die Hand privater Firmen gelegt, Bürgern keine Möglichkeit zum Einspruch eingeräumt und vorerst auch keine echte Handhabe, um auf die Einhaltung des Gesetzes zu pochen.
Trotz der Probleme des NetzDG haben sich jedoch mittlerweile auch Nachahmer in anderen Ländern gefunden: So hat der französische Premierminister Édouard Philippe angekündigt, auch in seinem Land härtere Regelungen zum Kampf gegen Hassbotschaften im Netz einzuführen. Immerhin will es die Regierung der Grande Nation aber nicht bei einem nationalen Alleingang belassen, sondern strebt parallel auch die Einführung eines entsprechenden Gesetzes auf europäischer Ebene an. Es bleibt zu hoffen, dass bei diesem Vorhaben darauf geachtet wird, die Fehler des NetzDG auszubügeln und EU-weit eine Maßnahme einzuführen, bei der die vielen Facetten des Problems ausreichend berücksichtigt werden.
Offenlegung von Algorithmen und andere radikalere Vorschläge zur Facebook-Regulierung
Das Problem mit den bestehenden Gesetzen liegt nach Meinung einiger Experten darin, dass sie nur reaktiv funktionieren. Sprich: Erst wenn eine Technologie nachweislich negative Effekte auf das Zusammenleben hat, werden Gegenmaßnahmen formuliert. Eine mögliche Lösung für dieses Problem haben der Professor für Wirtschaftsethik Thomas Beschorner und der Professor für Volkswirtschaftslehre Martin Kolmar in einem Gastbeitrag für die Zeit skizziert.
Den beiden Professoren schwebt ein Modell nach Vorbild der Pharmaindustrie vor. Statt im Nachhinein auf mögliche negative Effekte zu reagieren, sollten Tech-Firmen vor Einführung einer Technologie belegen, dass sie einerseits nützlich und andererseits unbedenklich für das Gemeinwohl ist. Der Vorschlag ist durchaus diskutabel, allerdings darf nicht vergessen werden, dass diese Mechanismen bei der Einführung von Medikamenten auch viel Geld kosten.
Bezogen auf Internetunternehmen könnte diese Umkehrung der Beweislast letztlich dazu führen, dass die Position von Konzernen wie Facebook oder Google noch mehr zementiert wird. Denn während die großen Plattformen die Kosten durchaus tragen können, würde es für Startups aufgrund des höheren finanziellen Risikos schwieriger werden, an Kapital zu kommen. Davon abgesehen würde diese Vorgehensweise aber auch ganz grundsätzlich dazu führen, dass technische Innovationen deutlich länger bräuchten, bis sie die Gesellschaft erreichen. Es stellt sich daher die Frage, ob wir zu diesem Einschnitt überhaupt bereit wären.
Einen anderen Ansatz propagierte 2017 der ehemalige österreichische Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Er sprach sich in einem Interview dafür aus, dass Unternehmen wie Facebook oder Google ihre Algorithmen offenlegen müssten. Nur so sei eine demokratische Kontrolle möglich. Kritiker und die potenziell betroffenen Unternehmen lehnen diese Forderung mit der Begründung ab, dass eine genaue Kenntnis der Algorithmen auch Manipulationen vereinfachen würde.
Das Argument lässt sich auch auf Open-Source-Software anwenden. Die ist aber trotz ihrer offenen Natur nicht unsicherer als proprietäre Software, weil Sicherheitslöcher nicht nur schneller entdeckt, sondern auch schneller gestopft werden können, wenn mehr Menschen einen Blick darauf werfen. Letztlich müsste eine Offenlegung aber auch nicht ganz so weit gehen. Vielmehr könnte es eine staatliche Stelle geben, die im Auftrag der Allgemeinheit überprüft, ob die eingesetzten Algorithmen so funktionieren, wie es die Konzerne behaupten. Heiko Maas hatte die Gründung einer solchen Stelle beispielsweise 2017 vorgeschlagen. Völlig abwegig wäre das nicht, auch Microsoft gewährt Regierungen – streng überwacht – beispielsweise Einblicke in den Windows-Quellcode.
Klare Ansätze zur Regulierung digitaler Plattformen wie Facebook fehlen noch immer
Klar ist: Ohne Regulierung wird es in Zukunft nicht mehr gehen. Wenn Versäumnisse milliardenschwerer Konzerne das Leben von Millionen von Menschen beeinflussen, dann führt auch für die Tech-Industrie kein Weg mehr an der Einführung von Kontrollmechanismen vorbei. Nur wie die aussehen müssen, bleibt weiter unklar, denn an wirklich überzeugenden Ansätzen fehlt es noch immer.
Es bleibt daher zu hoffen, dass der aktuelle Skandal um Cambridge Analytica und die Daten der Facebook-Nutzer dazu führt, dass sich eine breite gesellschaftliche Debatte entzündet und die im Raum stehenden Vorschläge, die bereits existierenden gesetzlichen Rahmenbedingungen und neue Vorschläge diskutiert werden. Sonst gilt vielleicht auch in zwei oder drei Jahren noch, was Sascha Lobo bereits vor einem Jahr konstatiert hat: „Wir müssen digitale Plattformen regulieren, aber wir haben bisher keine Ahnung, wie genau das funktioniert.“