Wie das Handelsblatt exklusiv aus einer neuen Studie der Unternehmensberatung McKinsey berichtet, verliert die deutsche Fintech-Branche in Europa den Anschluss. Das führen die Berater auf vier Faktoren zurück.
Besonders die Wettbewerber aus Großbritannien, Schweden und den Niederlanden zeigten aktuell, wo der Benchmark für erfolgreiche Fintechs liege, so McKinsey. Um nicht vollends den Anschluss zu verlieren, müssten die deutschen Startups trotz ihrer vergleichsweise hohen Bewertungen jetzt das Ruder rumreißen und sich stärker um Fragen der Finanzierung und der Skalierung kümmern.
Startups und Staat müssen handeln
Auch den Staat will McKinsey in die Pflicht nehmen. Der müsste sich nämlich um die anderen beiden kritischen Faktoren, die Regulierung und die Gründungsquote, kümmern. Anderenfalls sieht die Unternehmensberatung gravierende Folgen, darunter den Verlust Tausender Arbeitsplätze, auf die Fintech-Branche zukommen.
Die Zahl der Firmengründungen müsse vor allem durch eine Entbürokratisierung der Prozesse gefördert werden. So komme Deutschland bei der Zahl der Fintechs pro Kopf nur auf sieben Gründungen pro eine Million Einwohner, während der Wert in Großbritannien bei 26 liege. Neben der Bürokratisierung spiele aber natürlich der „kulturelle Aspekt“ eine Rolle. Mit anderen Worten: Die Deutschen sind nicht mutig genug.
Wachstumspotenziale werden nicht ausgeschöpft
Der zweite Aspekt, die mangelnde Skalierung, müsse ebenfalls angegangen werden. Zwar gebe es in Deutschland verhältnismäßig viele Fintechs mit Bewertungen bis zu knapp unter einer Milliarde, aber nur wenige Einhörner. Hier würden sich einheimische Startups vor der Internationalisierung drücken und damit ohne Not auf ein erhebliches Wachstumspotenzial verzichten. So beschränke sich etwa die Neobank N26 auf Europa, während der britische Konkurrent Revolut auch in den USA, Japan und Singapur vertreten sei.
Ein weiteres Problem sehen die Unternehmensberater in einem Mangel an Investoren aus dem eigenen Land. Zwar habe 2021 ein Rekordjahr mit insgesamt 4,6 Milliarden Euro für Fintechs in Deutschland markiert. Die Gelder seien jedoch zu über 80 Prozent aus dem Ausland gekommen. Eine Abhängigkeit von ausländischen Geldern gelte es indes aus verschiedenen Gründen zu vermeiden. Hier sieht McKinsey den Staat in der Pflicht, bestehende Investitionsregeln zu lockern, um es institutionellen Anlegern zu erleichtern, in sogenannte illiquide Anlagen zu investieren – also Anlagen, die nicht kurzfristig in Geldmittel umgewandelt werden können.
Zudem würde in Deutschland zu wenig Early-Stage-Förderung betrieben, wodurch „Fintechs in frühen Phasen weniger Zugang zu Kapital, als das Gesamtfinanzierungsvolumen suggeriert“, hätten, so McKinsey.
Startup-freundliche Regulatorien müssen her
Im gesamten regulatorischen Umfeld schlagen die Studienautoren ein Umdenken vor. Bei der Definition und Umsetzung von Regulierungsvorschriften würde hierzulande häufig stärker auf Risikovermeidung als auf Innovation oder Kundenerfahrung gesetzt, zudem seien unklare Ansprechpartner und intransparente Wege gerade für kleinere Startups Hürden, die abgebaut werden müssten.
Dabei sei in Deutschland nicht alles schlecht. So habe die deutsche Finanzaufsicht Bafin 2021 die erste Lizenz für das Erbringen des Kryptoverwahrgeschäfts erteilt und damit Deutschland als „kryptofreundliches“ Land etabliert. McKinsey schlägt vor, an diesem Punkt anzusetzen und auch in der Zukunft mehr mit den Fintechs und ihrem Umfeld „an einem Strang zu ziehen“.