Das ist Realität in deutschen Büros: Die Uhr schlägt zehn und allmählich versammeln sich die Kollegen zum Meeting. Einer sitzt schon seit fünf Minuten da, ein anderer brüht sich noch einen Kaffee auf, wiederum ein anderer sitzt überrascht am Schreibtisch und fragt sich, was das für eine Konferenz ist, die da im Kalender aufpoppt. „Es gibt so viele Meetings, deren Sinn sich nicht erschließt und die auch nicht besonders ernstgenommen werden“, weiß Dana Schuster und bezeichnet sie als Präsenzveranstaltungen. „Sie kosten Zeit und die Hälfte weiß gar nicht, warum sie hier ist.“ Die Berlinerin arbeitet als Projektleiterin in einer Digitalagentur und verbringt nach eigenen Angaben mehr als die Hälfte des Arbeitstages in Besprechungen.
Unproduktive Meetings kosten Milliarden
Meetings werden schnell zur Kostenfalle – vor allem dann, wenn sie Unproduktivität fördern. Eine Studie von Timeinvest, die t3n exklusiv vorliegt, hat jetzt entsprechende Zahlen für die deutsche Unternehmenswelt zutage gebracht: Ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitenden verschwendet demnach durch ineffiziente und irrelevante Konferenzen knapp 570.000 Euro pro Jahr. Bei Unternehmen mit 10.000 Mitarbeitenden reden die Studienleiter bereits von circa 57 Millionen Euro jährlich. Immense Summen, die nicht zuletzt auch und gerade in der Coronakrise über das Überleben vieler Unternehmen mitentscheiden können und die für die deutsche Wirtschaft zum Milliarden-Grab werden. Andere Analysten gehen gar von 800 Milliarden verlorenen Euro aus.
Büroangestellte in Deutschland hätten der Erhebung nach im Schnitt fast acht Meetings mit einer Dauer von knapp 49 Minuten pro Woche. Hochgerechnet seien das circa 6,3 Wochen pro Jahr, die sie in Meetings verbringen. 85 Prozent der Befragten gaben an, dass zumindest einige davon für sie komplett unnötig seien: Timeinvest beziffert die Häufigkeit dieser irrelevanten Meetings auf 3,3 pro Woche. Insgesamt gaben 80 Prozent der Befragten an, dass in Meetings zumindest gelegentlich Zeit verschwendet wird. Diese verschwendete Zeit haben die Studienleiter mit einer durchschnittlichen Dauer von fast 19 Minuten beziffert. Insgesamt 1.000 Führungskräfte verschiedener Branchen mit Mitarbeiterverantwortung äußerten sich dazu.
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Zu letzterer Gruppe gehört auch Dana Schuster. Sie versucht vor allem, die Anzahl der Teilnehmenden in ihren Meetings stark zu reduzieren. „Ich schaue genau, wann die Anwesenheit eines weiteren Kollegen im Kundengespräch notwendig ist und wann ich die Besprechung lieber alleine führe“, so die Projektleiterin. Jedes Meeting, in das sie beispielsweise einen Designer oder Texter reinholt, bedeute weniger Arbeitszeit für die Fachkräfte, um bereits vorher festgelegte konkrete Aufgaben zu erledigen. „Es ist mein Job, die Gespräche mit den Kundinnen und Kunden zu führen, die Aufgaben weitestgehend zu koordinieren und den Kollegen so den Rücken frei zu halten, damit sie ihre eigentliche Arbeit schaffen können“, sagt die Berlinerin im t3n-Gespräch.
Meeting-Regeln verhindern teure Kostenfallen
Die eigenen Zahlen hat Timeinvest, das ein Tool zur Effizienzsteigerung von Meetings anbietet, mit Arbeitsmarktdaten angereichert. Dazu zählen die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Durchschnittsbruttoverdienste 2019 sowie die vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung veröffentlichten potenziellen Arbeitstage 2019. Die Ergebnisse der hauseigenen Befragung sowie Hochrechnungen in Verbindung mit Erhebungen dritter Institutionen lassen die Schlussfolgerungen zu, dass sowohl kleine, mittlere und große Unternehmen hohe Summen in unproduktiven Konferenzen verschwenden. Für den Gründer des Startups, Mathis Christian, liegt die Lösung vor allem in klaren Meeting-Regeln.
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„Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach ihren Zeit-Invest in Konferenzen fragen“, rät der Timeinvest-Geschäftsführer. „Die meisten Kolleginnen und Kollegen können die Hauptprobleme aus Meetings sofort benennen: keine oder mangelhafte Agenda, Verspätung der Teilnehmenden, zu viele irrelevante Gespräche, Nutzung von elektronischen Geräten.“ Daraus ließen sich klare Verhaltensregeln für das gesamte Unternehmen ableiten. „Nur wer herausfindet, woran es hakt, kann sich verbessern“, so Mathis Christian. Und: Führungskräfte sollten kontinuierlich analysieren, erklärt er weiter. „Habe ich scheinbare Verbesserungen eingeführt, muss ich auch wissen, ob diese den gewünschten Effekt haben.“