Mithilfe von Mayonnaise zur Kernfusion: Wie Forscher diese ungewöhnliche Verbindung nutzen
Denn auf den zweiten Blick haben Mayonnaise und Kernfusion durchaus Ähnlichkeiten. Mayonnaise ist eine Emulsion. Die besteht aus einer Mischung zweier normalerweise nicht mischbarer Flüssigkeiten, nämlich Öl und Wasser.
So hilft Mayonnaise Fusionsforschern
Diese Flüssigkeiten werden durch mechanisches Mischen und die Zugabe eines Emulgators wie Eigelb stabilisiert. Wie sich die Teilchen in der Mayonnaise verteilen und stabilisieren, lässt sich mit den Prinzipien der Strömungsmechanik erklären. Die beschreibt, wie Flüssigkeiten sich bewegen und verhalten, wenn sie gemischt oder anders bearbeitet werden.
In der Forschung zur Kernfusion wird ein Plasma genutzt, um Atomkerne zu verschmelzen und dabei Energie freizusetzen. Dieses Plasma verhält sich allerdings extrem unvorhersehbar und zeigt komplexe Turbulenzen, die es schwierig machen, eine stabile Fusion, also ein Verschmelzen, zu erreichen. Und ebendiese Turbulenzen ähneln mathematisch den Prozessen, die bei der Herstellung von Mayonnaise auftreten, wenn Öl und Wasser vermischt werden und dabei in einen stabilen Zustand gelangen sollen.
Im Fall der Mayonnaise kann das „Fusionsverhalten“ als einfache Analogie verwendet werden, um komplexe Plasmaströmungen in Fusionsreaktoren zu verstehen. Dabei sind die chemischen Prozesse unterschiedlich, aber ähneln sich hinsichtlich der mathematischen Aspekte von Instabilitäten und Turbulenzen.
Ein Forschungsteam um den Maschinenbauprofessor Arindam Banerjee von der Lehigh-Universität im US-amerikanischen Pennsylvania hat dabei jüngst einen großen Erkenntnissprung gemacht. Sie experimentieren mit der sogenannten Trägheitsfusion.
Ein Schritt näher an der Trägheitsfusion
Das ist ein Prozess, bei dem Kernfusionsreaktionen durch schnelles Komprimieren und Erhitzen von mit Brennstoff gefüllten Kapseln, in diesem Fall Wasserstoffisotopen, ausgelöst werden. Werden diese Kapseln extremen Temperaturen und Drücken ausgesetzt, schmelzen sie und bilden Plasma, den geladenen Zustand der Materie, der Energie erzeugen kann.
„Bei diesen Extremen sprechen wir von Millionen Grad Kelvin und Gigapascal Druck, wenn man versucht, die Bedingungen in der Sonne zu simulieren“, sagt Banerjee gegenüber Scitechdaily. „Eines der Hauptprobleme bei diesem Prozess besteht darin, dass der Plasmazustand diese hydrodynamischen Instabilitäten bildet, die den Energieertrag verringern können.“
Dieser Zustand tritt zwischen Materialien unterschiedlicher Dichte auf, wenn die Dichte- und Druckgradienten in entgegengesetzte Richtungen verlaufen und eine instabile Schichtung entsteht. Anhand von Mayonnaise haben sie sich diesem Problem laut Banerjee genähert, weil „sie sich wie ein Feststoff verhält, aber bei einem Druckgefälle zu fließen beginnt“.
Kontrolle der Fusionsphasen von entscheidender Bedeutung
Im Rahmen ihrer Experimente konnten die Forscher:innen feststellen, dass die Mayonnaise einige Phasen durchlief, bevor sie letztlich instabil wurde. „Wie bei einem herkömmlichen geschmolzenen Metall beginnt sich die Mayonnaise zu verformen, wenn man sie belastet, aber wenn man die Belastung aufhebt, kehrt sie in ihre ursprüngliche Form zurück“, sagt der Professor. „Es gibt also eine elastische Phase, gefolgt von einer stabilen plastischen Phase. In der nächsten Phase beginnt sie zu fließen, und dann setzt die Instabilität ein.“
Deshalb sei es von entscheidender Bedeutung, den Übergang zwischen der elastischen und der stabilen plastischen Phase zu verstehen. Denn wenn man wisse, wann die plastische Verformung einsetzt, könne man berechnen, wann die Instabilität eintreten würde. In einem nächsten Schritt könnte dann versucht werden, den Zustand zu kontrollieren, um in dieser elastischen oder stabilen plastischen Phase zu bleiben.
Mathematische Ähnlichkeit reicht nicht für realistische Vorhersage
In ihrem jüngst in der Zeitschrift Physical Review E veröffentlichten Artikel beschreiben die Forscher:innen, wie solche Instabilitäten grundsätzlich ablaufen. Sie sind davon überzeugt, die Bedingungen ermittelt zu haben, „unter denen eine elastische Rückbildung möglich ist, und wie diese maximiert werden kann, um die Instabilität zu verzögern oder vollständig zu unterdrücken“.
Ihre Ergebnisse wollen sie nun in die Entwicklung von Kapseln einfließen lassen, die niemals instabil werden. Zwar ist die Aussagekraft der Mayonnaise-Experimente unbestritten. Allerdings reichen die mathematischen Ähnlichkeiten am Ende nicht, um das Verhalten der geschmolzenen, sengend heißen und unter hohem Druck stehenden Plasmakapseln, die tatsächlich für die Trägheitsfusion verwendet werden, sicher vorherzusagen.