Modehandel in der Krise: Wie Zalando nach dem Gewinneinbruch wieder auf Kurs kommen will

In dieser Woche hat Amazon seine Geschäftszahlen verkündet – und die waren für das ansonsten erfolgsverwöhnte E-Commerce-Unternehmen alles andere als berauschend. Die steigenden Preise bei Energie und Lebenshaltungskosten sowie die durch verschiedene Krisen entstandene Kaufzurückhaltung haben den Modehändler ausgebremst.
Zwar stieg die Zahl der aktiven Kund:innen um sechs Prozent auf mehr als 51 Millionen weiter, doch der Nettogewinn fiel geringer aus als von vielen Analyst:innen erwartet. Der bereinigte Gewinn lag bei wenig erfreulichen 148,6 Millionen Euro – nach 468,4 Millionen Euro im Vorjahr, wie das Unternehmen erklärt. Unter dem Strich verdiente Zalando damit vergleichsweise überschaubare 16,8 Millionen nach 234,5 Millionen Euro im Jahr davor. Immerhin: Im nächsten Jahr soll das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) auf 280 Millionen bis 350 Millionen Euro steigen – wenn nichts dazwischenkommt.
Die 50-Millionen-Kund:innen-Marke hat das Unternehmen im vergangenen Jahr geschafft, doch die Warenkörbe werden angesichts der Kaufzurückhaltung nicht größer – und auch die auslaufende Sondersituation durch Corona hat dazu geführt, dass dem einstigen Vorzeigehändler der Wind gerade doppelt hart ins Gesicht weht.
Folgerichtig hat Zalando einen Mindestbestellwert von 29,90 Euro eingeführt, bei dessen Unterschreitung ein Versandentgelt in Höhe von 4,90 Euro fällig wird. So richtig lösen lässt sich die Misere damit allerdings nicht, da dadurch im Zweifelsfall zwar mehr zur Ansicht mitbestellt wird, aber auch die Retourenquote nicht niedriger ausfallen wird.
Schon heute macht das Partnerprogramm, also die Verkäufe über den Marktplatz, rund ein Drittel des gesamten Umsatzes aus – und das soll sich weiter erhöhen, wie das Unternehmen betont. Doch abgesehen davon, dass diese zahlreichen Standorte, die sich daraus ergeben, deutlich mehr Komplexität im Retourenmanagement (und vielfach auch mehr logistischen Aufwand und Versandverkehr) erzeugen, müssen die Händler in nächster Zeit wohl auch mit höheren Gebühren rechnen.
Zalando plant laut Medienberichten die Einführung von Marktplatzgebühren über die bisherigen Provisionen hinaus, die Händler für die Plattform der Plattform zahlen. Ab Juli kommt eine Grundgebühr auf die Plattformpartner zu sowie ein neues Provisionsmodell für Connected Retail. Dass diese Gebühren für die inzwischen 1.600 Händler:innen nicht niedriger ausfallen werden, dürfte klar sein – dass diese die Kosten an die Kundschaft weiterreichen müssen und werden, wohl auch.
Dennoch bleibt die Plattform für viele Händler:innen mit eigenen Shop ein wichtiges Marketinginstrument, ähnlich wie der Amazon Marketplace oder Ebay. Connected Retail wiederum eignet sich für all jene Geschäfte vor Ort, die einen zusätzlichen Absatzkanal haben – ein Produkt, das den inzwischen 7.500 Geschäftsbetreiber:innen gerade angesichts der Schließungen zu Anfang der Corona-Pandemie gut ins Konzept passte und dazu beitrug, dass diese nicht komplett umsatzlos blieben.
Zunächst zahlten die Partner keine Provision, was allerdings inzwischen ausläuft. Wie viel Mehrkosten das mit sich bringt, dazu machen Händler:innen keine konkreten Angaben, ein Vor-Ort-Händler erklärt allerdings hinter vorgehaltener Hand, das Zalando-Connected-Retail-Geschäft lohne sich allenfalls, um das eigene zu volle Lager zu leeren und nicht auf der Saisonware sitzen zu bleiben.
Dabei stellt sich allerdings die Frage, wie es um das Nachhaltigkeitsthema bestellt ist. Während Zalando hier natürlich die kurzen Wege vorrechnet, hat ein Rechercheprojekt des SWR kürzlich mithilfe von Trackern ermittelt, dass Retouren oftmals auf verschlungenen Wegen buchstäblich durch die Welt getragen werden. All das ist nichts Ungewöhnliches, doch dass es der Branche gelingt, die gerne kolportierten 97 Prozent der Waren, die mehr oder weniger direkt wieder in den Verkauf gelangen, zu schaffen, darf bei vielen großen Playern angezweifelt werden. Zalando jedenfalls erklärt, man erfülle die Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) vollumfänglich.
Damit ist Zalando zwar vielleicht immer noch „das Spotify für Mode“, als das man sich vor fünf Jahren gerne positionierte. Doch das Vorzeigeunternehmen im E-Commerce für Kleidung und Schuhe hatte schon mal leichtere Tage. Umsatz- und Ergebnisrückgang sind in der erfolgsgewohnten Branche eher ein Alarmzeichen für Aktionäre und auch der angekündigte Stellenabbau und die Retourenproblematik sind Baustellen, die Zalando in den nächsten Monaten in Angriff nehmen muss, um wieder auf Kurs zu kommen. Leichter wird das angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht.
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