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Interview
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Daimler-Tochter Moovel: „Wir helfen dem Kunden dabei, kein eigenes Auto mehr besitzen zu müssen“

Was wird nur aus unserem schönen Mercedes? Bei zunehmender Elektromobilität und im Angesicht der Innovationen von Tesla und Google muss sich die deutsche Autoindustrie neu aufstellen.

Von Ekki Kern
6 Min. Lesezeit
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(Bild: t3n)


Vorsorglich und wie in der Branche üblich, betont man bei Daimler schon einmal, sich vom Fahrzeughersteller zum Mobilitätsdienstleister wandeln zu wollen. Das klingt gut, irgendwie nach Zukunft. Und helfen, das weiß man auch, können bei einem solchen Plan vor allem agile, junge Unternehmen, die Aufbruch vermitteln und Aktivität suggerieren.

Mit der Moovel Group GmbH hat Daimler ein solches kurzerhand selbst gegründet. Vom Zentrum der Stuttgarter Altstadt aus soll sie nicht weniger als „urbane Mobilität neu gestalten“, wie es heißt, und somit den Digitalisierungs- und Transformationsprozess der Daimler AG wesentlich vorantreiben. So lautet der Plan.

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Das Produkt: Eine schlicht gehaltene Smartphone-App, die intermodales Reisen ermöglicht. Die Idee: Jeder, der im städtischen Raum eine schnelle Verbindung von A nach B sucht, möge jetzt „mooveln“ – und seine Tickets anschließend am besten auch gleich innerhalb der App verbindlich buchen. Denn das spült ein wenig Geld in die Kassen des Unternehmens, das im Moment noch auf Stütze des Mutterkonzerns angewiesen ist.

Moovel-CEO Jörg Lamparter

In die App eingebunden sind derzeit die Daimler-Firmen car2go und mytaxi sowie die Züge der Deutschen Bahn. Auch der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist ein wichtiger Partner von Moovel, bis jetzt allerdings nur in Stuttgart und Hamburg.

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Wenig überraschend erinnern beim Besuch in der Firmenzentrale diverse Versatzstücke an klassische Startups, etwa die luxuriöse Siebträgerkaffeemaschine in der großzügig dimensionierten Küche und auf Eleganz getrimmte Sitzboxen. Vermittelt werden soll hier unmissverständlich: „Kreatives Denken ausdrücklich erlaubt.“ Die Menschen, die hier arbeiten, seien aus 29 Nationen und im Durchschnitt 33 Jahre alt, erzählt man mir. Alle haben sie gemein, dass sie an langen Holztischen an der Zukunft der Mobilität werkeln sollen, natürlich im Großraum.

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Einen Glaskasten für sich alleine hat der CEO, Jörg Lamparter. Er ist eigentlich mehr Finanzmann als Künstler. Zuletzt war er „Head of Sales“ bei der Mercedes-Benz-Bank. Und seit etwa einem Jahr nun soll er Moovel Beine machen. Im Interview spricht er über die Rolle seines – wie er es nennt – „Corporate Startup“ im Daimler-Konzern und Widerstände, die offensichtlich nicht selten durch im Konzern verbliebene Autoliebhaber hervorgerufen wurden. Diese letzten Zweifler von der Sinnhaftigkeit eines Unternehmens wie Moovel zu überzeugen, dürfte auch ein wesentlicher Schritt sein, um Daimler nachhaltig zu transformieren.

t3n.de: Hat man dir eigentlich eine standesgemäße S-Klasse als Dienstfahrzeug angeboten, oder musst du jeden Tag zur Arbeit in die Innenstadt mooveln?
Jörg Lamparter: Ich moovele, wenn es sinnvoller ist, das eigene Auto stehen zu lassen. Für den Weg zur Arbeit nutze ich meinen Dienstwagen. Das ist übrigens der einzige Dienstwagen in unserem Unternehmen.

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t3n.deWie fühlt man sich denn als Startup im alten Daimler-Reich? Ist Moovel im Konzern noch Stiefkind oder schon akzeptiert?
Ich würde sagen, wir sind mittlerweile voll akzeptiert und genießen im Unternehmen große Aufmerksamkeit. Bis dorthin war es allerdings ein langer Weg. Heute ist die vorherrschende Meinung, dass sich ein Automobilkonzern hin zu einem Mobilitätskonzern verändern muss, um weiter zu bestehen. Der Trend geht weg vom eigenen Auto und hin zur On-Demand-Mobilität.

t3n.de: Was macht dich so sicher, dass das Umdenken im Konzern schon stattfindet?

In einem großen Konzern wie Daimler hätten sich neue Ansätze im Bereich der Mobilität, wie zum Beispiel das Carsharing, niemals durchgesetzt, wenn man nicht an sie geglaubt hätte und das bis heute täte. Das alles bedeutet jedoch nicht, dass wir bei Moovel als relativ neuer Teil des Konzerns überhaupt keine Widerstände mehr spüren…

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t3n.de: Welche Widerstände genau?

Ich sage es ganz direkt: Wir helfen dem Kunden dabei, kein eigenes Auto mehr besitzen zu müssen. Das findet in einem Automobilkonzern nicht jeder gut. Viele Mitarbeiter von Daimler arbeiten täglich an der Entwicklung neuer Fahrzeuge. Diese Kollegen fahren oft ihren eigenen Mercedes und wollen natürlich auch, dass andere einen besitzen und fahren.

t3n.de: Was erwiderst du solchen Kollegen?

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Ein eigenes Auto in der Stadt ist heute nur noch bedingt sinnvoll. Selbst in Stuttgart – beileibe keine Megacity – ist das so. Es ist schwierig, einen Parkplatz zu finden und in naher Zukunft darf ich womöglich aufgrund verkehrspolitischer Regelungen nicht mehr in die Innenstadt fahren.

t3n.de: Siehst du Moovel als wesentlichen Teil der Digitalisierungsstrategie von Daimler?

Wir sind ein Teil der Digitalisierungsstrategie. Wir unterstützen Daimler in dem Transformationsprozess von einem Autohersteller zu einem Mobilitätskonzern. Und wir sehen uns als Wegbereiter. Wir schaffen mit Moovel eine Art Betriebssystem für urbane Mobilität, das Zugang zu ganz unterschiedlichen Mobilitätsanwendungen bietet.

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t3n.de: Bei Daimler strebt man verständlicherweise weiterhin eine „technologische Führerschaft“ beim Fahrzeugbau an. Alles andere würde auch überraschen. Nur: Wie reell ist dieser Anspruch noch in Zeiten von Google und Tesla?

Ich sehe Daimler in allen Bereichen in einer klaren Technologieführerschaft, über alle Sparten hinweg. PKW, LKW, Transporter, Busse. Daimler hat aus meiner Sicht das breiteste Angebot an neuen Technologien, die bereits im Betrieb oder zumindest in Pilotbetrieben sind.

t3n.de: Kann man denn mit Moovel überhaupt schon Geld verdienen, oder hängt das Unternehmen am Tropf von Daimler?

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Daimler versteht Moovel als Investment in die Zukunft. Und in der Zukunft soll mit Moovel natürlich Geld verdient werden können.

t3n.de: Wie soll Moovel auf dem hart umkämpften Mobilitätsmarkt auf Dauer bestehen?

Wir wollen weiter verstehen lernen, wie sich die Nutzung verschiedener Mobilitätsformen entwickelt und sich der Bedarf nach Mobilität verändert. Und hierfür wollen wir die passenden Produkte anbieten. Da müssen wir viel experimentieren.

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t3n.de: Da könnte euer „Lab“ helfen, eine Art Forschungslabor, das ihr euch zugelegt habt. Ist das eher Fassade oder Teil eurer Strategie?

Wir sind natürlich der Meinung, dass wir ein hochinnovatives Unternehmen sind. Aber ist das wirklich so? Das Lab ist für uns eine sehr wichtige Einrichtung, um über unseren eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Welche Entwicklungen sind als Nächstes und Übernächstes zu erwarten? Wie verändern sich Verhaltensweisen von Nutzern? Menschen, die sich mit Mobilität beschäftigen und nach einer spannenden Aufgabe suchen, können wir im Moovel-Lab ein passendes Umfeld bieten.

t3n.de: Wie sieht die Kooperation mit Startups aus?

Unser Lab kooperiert mit Startups und Forschungseinrichtungen weltweit. Eines unserer Konzepte heißt: „Artists in Residence“. Forscher aus aller Welt arbeiten im Lab für eine bestimmte Zeit – in der Regel drei bis sechs Monate – an einem konkreten Projekt.

t3n.de: Derzeit beschränkt sich Moovel auf die Daimler-Dienste car2go, mytaxi, Zugverbindungen der Deutschen Bahn und den öffentlichen Personennahverkehr in Stuttgart und Hamburg. Planst du weitere Kooperationen?

Wir bewerten laufend die Integration anderer Mobility-Service-Provider (MSP), also zum Beispiel weiterer Car-Sharing-Anbieter. Wir heißen alle innovativen Anbieter auf unserer Plattform willkommen. Auch das Leihen von Fahrrädern ist mehr als ein Trend und wird sich weiterentwickeln.

t3n.de: Wird Flixbus noch in die App integriert? Das dürfte vor allem für junge Leute interessant sein…

Unsere Nutzer würden hiervon sicher profitieren, denn wenn man als Fahrgast mit dem Fernbus an der Haltestelle ankommt, geht es natürlich darum, zum Ziel weiterzureisen. Wir sind im Dialog mit den Kollegen von Flixbus.

t3n.de: Flinkster, das Carsharing der DB, hat Moovel wieder aus der App entfernt…

Beide Systeme haben sich seit dem Start der Kooperation stark weiterentwickelt. Der Aufwand und die Komplexität, beide Systeme in einer App zu vereinen, sind stark angestiegen. Vor diesem Hintergrund haben wie uns gemeinsam dazu entschieden, die Schnittstellen zu überprüfen und die Zusammenarbeit zu pausieren.

t3n.de: Wer soll die Moovel-App überhaupt nutzen? Stichwort: Zielgruppe.

Als Moovel entstanden ist, waren insbesondere junge, dynamische Stadtbewohner die Zielgruppe. Mittlerweile wissen wir, dass unsere Kunden sehr unterschiedlich sind. Alle Nutzer eint das Smartphone – und das unabhängig vom Alter.

t3n.de: Was war denn die Herausforderung bei der Umsetzung der App?

Unter den Mobilitäts-Apps herrscht ein gesunder Wettbewerb. Hier wollen wir uns natürlich durchsetzen und für unsere Kunden die beste App bauen.

t3n.de: Und welche Ziele peilst du inhaltlich an?

Wir wollen in enger Kooperation mit Städten neue Mobilitätskonzepte entwickeln. Unser Anspruch dabei ist, in urbanen Räumen die meistgenutzte und für den täglichen Gebrauch relevanteste multimodale App zu werden. Ich spreche bewusst nicht von einer globalen Lösung, vielmehr konzentrieren wir uns auf urbane Räume.

t3n.de: Ist der Facebook-Chatbot, den Moovel kürzlich entwickelt hat, Teil deiner Strategie, oder eher eine Spielerei?
Beides. Für uns ist es wichtig, die Trends zu verstehen, Angebote zu schaffen und im Dialog mit den Nutzern zu lernen. Niemand weiß, welche Trends sich durchsetzen werden.

t3n.de: Vielen Dank für das Gespräch, Jörg.

 

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