Die Neobank N26 hat es derzeit nicht leicht. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) als Aufsichtsbehörde der Banken könnte – so ist es noch nicht offiziell verkündet, wird aber in der Branche kolportiert – die N26 zu einer Finanzholding erklären und damit nicht nur den Bankenteil, sondern auch andere Geschäftsteile, die es jetzt oder in Zukunft geben könnte, überwachen. Das ist als eine Antwort auf das Versagen und zu späte Eingreifen der Bafin im Fall Wirecard zu werten, resultiert vielleicht aber auch aus einer Sonderprüfung im Jahr 2019, bei der die Aufsichtsbehörde dem Unternehmen besonders auf die Finger geschaut hat, nachdem andere Banken (und Kunden sowieso) die Erreichbarkeit und Reaktionszeiten kritisiert hatten. Doch N26 gibt sich hier entspannt. Das habe, erklärt Gründer Valentin Stalf im Handelsblatt-Interview, weder für die Kunden noch für N26 selbst große Auswirkungen.
Doch all das sind Wachstumsschmerzen, die bei einer Bank nicht passieren sollten, aber dem zügigen Kundenwachstum der Berliner geschuldet sind. Fünf Millionen Kunden vermeldete das Institut vor rund einem Jahr, sieben Millionen sollen es heute sein, so Gründer Valentin Stalf im Interview. Wobei N26 bei der Definition eines Kunden nur auf das Durchlaufen des KYC-Prozesses setzt und nicht mal auf regelmäßige Aktivität achtet. Wie viele Kunden das Konto nur mal aktiviert haben, dann aber doch nicht ständig (noch dazu gewinnbringend für die Bank) nutzen, geht daraus nicht hervor. Die meisten dieser Kunden kommen aus Deutschland und Frankreich, wobei der Markt, von dem man sich derzeit am meisten erhofft, wohl die USA sind.
Dort hat N26 30 Millionen Euro investiert, um im Markt Fuß zu fassen, doch der Erfolg stellt sich erst nach und nach ein, hört man aus dem Unternehmen. Der Weg sei länger und beschwerlicher, als man sich das wohl vorgestellt habe. 500.000 Kunden vermeldete das Unternehmen vor einem Jahr, aktuell nennt N26 schon gar keine konkrete Zahl mehr, sondern verweist vielmehr darauf, dass sich in diesem Jahr herausstellen wird, ob man es schafft, zehn Millionen Kunden zu gewinnen – oder die Eroberung des durch die Payment- und Kreditkartenanbieter stark umkämpften Markt wieder abbläst. Einen Rückzieher hat das Unternehmen – ebenfalls nach Millioneninvestitionen – ja bereits vor etwa einem Jahr in Großbritannien gemacht, wo die N26 allerdings auch auf einen gut besetzten Markt an Neobanken traf. Brasilien, ein dritter wichtiger Markt, könnte im Frühjahr folgen – das Unternehmen will sich dazu Ende des ersten Quartals äußern.
N26: Noch macht die Neobank Verluste
Anfang 2020 lag das monatliche Transaktionsvolumen bei etwa drei Milliarden Euro, jetzt sind es bereits mehr als 5,5 Milliarden Euro. Doch immer noch ist das Institut von der Profitabilität weit entfernt: Auf 110 Millionen Euro habe man die Verluste im vergangenen Jahr reduzieren können – nach 270 Millionen Verlust in 2019 schon ein Fortschritt. Die Gesamtinvestitionen und damit Nettoverluste beziffert Valentin Stalf auf 217 Millionen Euro – was durchaus, so rechnet Finanz-Szene vor, ein wenig zufriedenstellender Wert ist, auch wenn erst einmal nur die Zahl ohne einen kompletten Geschäftsbericht im Raum steht.
Doch der Gründer verbreitet auch Hoffnung: 2021 oder 2022 will N26 in die Profitabilität – und schaffen könnte man das unter anderem mit einer gezielten Bepreisung von Kontenmodellen in Form von Grundgebühren. Hierzu hatte N26 im Herbst ein neues günstigeres Kontomodell mit einigen interessanten Features, aber ohne die sonst mitverkauften Versicherungsverträgen eingeführt. Zulegen, das hatte uns Deutschland-Chef Georg Hauer bereits im Interview erklärt, will die Digitalbank auch bei den zusätzlichen Geschäften. Man denkt dabei unter anderem an die üblichen Cashback- und Leadgenerierungsmodelle, mit denen schon etliche Banken Zusatzgeschäfte machen.
Marktplatz geplant: Festgeld, Kredite, Kryptowährungen
N26 plant aber auch – und das ist das eigentlich Interessante – mehr als nur das Girokonto und ein paar Produkte drum herum anzubieten. Die Bank spricht in den Plänen von einem Marktplatz, den man schaffen werde. Das dürfte in Kooperation mit den üblichen Verdächtigen der Fintech-Welt erfolgen und über das schon vorgestellte Tagesgeldangebot weit hinausgehen: Festgeld, Kredite, vielleicht auch Brokerage und nicht zuletzt auch ein zur Zielgruppe passendes Kryptoangebot dürften hier noch zu erwarten sein. Ankündigungen solle es „schon bald“ geben, erklärt ein Unternehmenssprecher.
Doch schon jetzt gibt es auch Hoffnungsfrohes zu berichten – immerhin spielt die Coronakrise der N26 durchaus auch in die Hände: Deutlich mehr digitale Anteile am Geschäft, deutlich mehr kontaktlose Zahlungen und nicht zuletzt Mitbewerber, die ihre Kunden mit dem Drehen an der Preisschraube dazu bringen, über einen Bankenwechsel nachzudenken. Ziel sei es, so erklärte Georg Hauer uns bereits im Herbst, dass möglichst viele Kunden nicht nur die wenig lukrativen Zweitkonten dort hätten, sondern N26 als Hauptbank wählen. Insbesondere der wachsende Anteil an bargeldlosen Zahlungen und die damit verbundenen gesunkene Zahl an Abhebungen dürfte der Bank gefallen – schließlich zahlt sie für jede Abhebung am Automaten eine Gebühr.
Alle warten auf den N26-Börsengang
Und dann ist da noch der mögliche Börsengang, über den schon länger gesprochen wird. Erst dieser Tage machte das Unternehmen Schlagzeilen, als N26 den ehemaligen Zalando-CFO Jan Kemper an Bord holte. Er gilt als erfahrener Manager, der 2014 auch den Bekleidungshändler an die Börse führte, und könnte dem Unternehmen zu weiterem Wachstum verhelfen, heißt es. Doch weiterhin hält N26 zwar daran fest, dass ein Börsengang möglicherweise in Betracht gezogen werde, datiert diesen jedoch auf 2022 oder später. Es bleiben bis dahin, das weiß wohl auch die Geschäftsführung, einige offene Baustellen, die die Anleger ansonsten verschrecken könnten.
Haben sich denn die Ausblicke für 2020 bewahrheitet?