Nasa-Raumfahrzeug fliegt nach 17 Jahren zum ersten Mal wieder an der Erde vorbei
In den vergangenen 17 Jahren hat die Raumsonde Stereo-A die Spuren der Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne verfolgt. Jetzt hat die Sonde ihren Heimatplaneten eingeholt, die Erdbewohner:innen auf der kosmischen Spur überholt und die Erde zum ersten Mal seit ihrem Start am 25. Oktober 2006 zu einem kurzen Rendezvous getroffen.
Als die Stereo-Raumsonde im Jahr 2006 das letzte Mal in Erdnähe war, befand sich die Sonne in ihrem solaren Minimum: eine Phase ihres elfjährigen Zyklus mit geringer Aktivität. Nun nähert sich die Sonne ihrem solaren Maximum – die Stereo-A wird in dieser Phase des Sonnenzyklus eine grundlegend andere Sonne erleben.
Neue Erkenntnisse über die Sonne dank Stereo-Mission
Die Stereo-Mission (Solar Terrestrial Relations Observatory) begann ursprünglich mit zwei Raumsonden: der führenden Stereo-A (für den Vorlauf) und – wer A sagt muss schließlich auch B sagen – der Stereo-B. Diese blieb hinter der Stereo-A-Sonde zurück.
Im Jahr 2014 hat die Stereo-A-Sonde ihren Partner verloren und musste allein weiterfliegen: Stereo-B war nach einem geplanten Reset verstummt. Aber keine Panik für alle, die jetzt schon Mitleid mit Stereo-A haben – bei ihrem nächsten Vorbeiflug wird sie wieder im Team agieren.
Die beiden Raumsonden lieferten die erste stereoskopische Ansicht der Sonne. Im Lauf der Zeit erreichten die Sonden in ihren Umlaufbahnen sogar einen Abstand von 180 Grad zueinander – was zum ersten Mal einen gleichzeitigen Blick auf den Stern als vollständige Kugel ermöglicht hat.
„Zuvor waren wir an die Sonne-Erde-Linie ‚gefesselt‘ – wir sahen immer nur eine Seite der Sonne“, sagt Lika Guhathakurta, Stereo-Programmwissenschaftlerin bei der Nasa, in einer Erklärung. Mithilfe der Stereo-Sonde ist es möglich, diese Grenzen zu überschreiten und die Sonne als dreidimensionales Objekt einzufangen.
Erfolge durch Zusammenarbeit der Sonnenmissionen
Die Sonde wird ihre Ansichten mit dem Solar and Heliospheric Observatory (SOHO), einer gemeinsamen Mission der Nasa und der Europäischen Weltraumorganisation, sowie dem Solar Dynamics Observatory (SDO) der Nasa teilen. Die Zusammenarbeit zwischen den Sonnenmissionen ermöglicht das sogenannte „stereoskopische Sehen“ der Sonne.
Dabei handelt es sich um den physiologischen Vorgang der räumlichen Wahrnehmung eines Objektes durch beide Augen, wodurch eine dreidimensionale Wahrnehmung entsteht, die man auch als Tiefenschärfe bezeichnet.
Theorie über koronale Schleifen
Das Team, das hinter der Stereo-Mission steckt, hofft zudem, eine Theorie über koronale Schleifen zu testen. In der Sonnenphysik ist eine koronale Schleife eine genau definierte, bogenartige Struktur in der Sonnenatmosphäre. Sie werden oft mit starken Magnetfeldern in Verbindung gebracht, die sich in aktiven Regionen und Sonnenflecken befinden.
„Es gibt seit Kurzem die Idee, dass koronale Schleifen nur eine optische Täuschung sein könnten“, sagt Terry Kucera, Stereo-Projektwissenschaftler am Goddard Space Flight Center der Nasa. Einige Wissenschaftler:innen sind der Ansicht, dass die Schleifen aufgrund des eingeschränkten Betrachtungswinkels Formen haben, die sie in Wirklichkeit gar nicht besitzen.
Die Betrachtung der koronalen Schleifen aus verschiedenen Blickwinkeln sollte Aufschluss über diese Theorie geben können.
Das Innere einer Sonneneruptionen
Dabei liefert Stereo-A nicht nur Informationen über Phänomene, die sie beim Vorbeiflug an der Erde sehen kann, sondern auch darüber, was sie dabei „fühlt“. Und hier ist nicht die Rede von Gesprächen über den Verlust von Stereo-B. Denn wenn eine Wolke aus Sonnenmaterial, ein sogenannter koronaler Massenauswurf (CME), auf die Erde trifft, kann er Satelliten- und Funksignale stören oder sogar Überspannungen im Stromnetz verursachen.
Um zu verstehen, wie sich das Magnetfeld eines CME auf dem Weg zur Erde entwickelt, erstellen Forschende Computermodelle dieser Sonneneruptionen und aktualisieren sie mithilfe neuer Beobachtungen durch Raumsonden. Normalerweise haben die Wissenschaftler:innen nur ein oder zwei Raumfahrzeuge direkt nebeneinander, die diese Messungen vornehmen können.
In den Monaten vor und nach dem Vorbeiflug von Stereo-A an der Erde werden alle auf die Erde gerichteten CME an der Stereo-A und anderen erdnahen Raumsonden vorbeifliegen und den Wissenschaftler:innen so die dringend notwendigen Mehrpunktmessungen aus dem Inneren des CME ermöglichen.