Neue Bilder vom ORC: So sehen die seltsamen Radiokreise aus den Tiefen des Alls aus

Im Jahr 2019 kam die Astronomin Anna Kapinska auf die Idee, die Daten des australischen Square-Kilometre-Array-Pathfinder-Radioteleskops (ASKAP) zu durchforsten, um nach ungewöhnlichen Objekten zu suchen. Dabei stieß sie auf ein neues, überaus ungewöhnliches Objekt. Es handelte sich um einen schwach leuchtenden, geisterhaften Kreis etwa eine Milliarde Lichtjahre von der Erde entfernt.
Fünf seltsame Radiokreise bisher bekannt
Kurze Zeit später durchforstete der Astronom Emil Lenc die gleichen Daten und fand einen zweiten Kreis. Die Forschenden gaben diesen Objekten die Bezeichnung ORC (Odd Radio Circles), was in deutscher Übersetzung etwa „seltsame Radiokreise“ heißen würde.
Seitdem konnten die Forscher fünf verschiedene ORCs finden, die alle aus ähnlichen Regionen des Weltraums stammen. Das Interessante an den ORCs ist die Tatsache, dass sie nur in Radioteleskopen sichtbar sind. Für Röntgenteleskope wie das Chandra-Teleskop der Nasa oder für Infrarot-Teleskope wie das neue James-Webb-Space-Telescope (JWST) sind die Kreise nicht sichtbar.
Meerkat-Bilder liefern hochauflösende Strukturaufnahmen
Die bisher besten Bilder dieser Phänomene liefert nun das vom südafrikanischen Radioastronomie-Observatorium betriebene Meerkat-Teleskop. Das Teleskop besteht aus 64 Parabolantennen, die nach Radiosignalen aus der Tiefe des Weltraums suchen. Es kann ORC1 wesentlich detaillierter erfassen als ASKAP und ermöglicht den Forschern die Bestimmung der Polarisation, die für das Verständnis der Magnetfelder des Phänomens unerlässlich ist.

Links ist das Bild des ORC1 zu sehen, das vom ASKAP-Teleskop aufgenommen wurde. Das höher aufgelöste Bild auf der rechten Seite stammt von MeerKAT. (Bild: EMU/ASKAP/MeerKAT)
Die Bilder „zeigen uns die Struktur von ORC1, von der wir vorher nicht wussten, dass sie vorhanden ist“, sagt Ray Norris, Astrophysiker bei der australischen Wissenschaftsbehörde CSIRO und der Universität Western Sydney. Der von Lenc entdeckte ORC1 ist das Hauptthema einer neuen Studie, die demnächst im Wissenschaftsjournal „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ veröffentlicht werden wird.
Die Strukturen nun erstmals genauer betrachten zu können, erlaubt den Forschenden, stimmigere Theorien dazu zu entwickeln, um was es sich bei den Phänomenen tatsächlich handeln könnte. Des Rätsels Lösung sind die neuen Bilder indes nicht.
Sind die ORCs sich ausdehnende Gasblasen? Vielleicht…
Norris glaubt, dass die ORCs Schockwellen sind, die nach der Verschmelzung supermassereicher schwarzer Löcher in einer extrem weit entfernten Galaxie entstehen. Der Radiokreis wäre demnach eine sich ausdehnende Gasblase, die in Wechselwirkung tritt und Elektronen an ihrem Rand dazu anregt schwache Signale zu erzeugen, die von Teleskopen auf der Erde wahrgenommen werden. Für diese Theorie spricht, dass sich erwartungsgemäß in den Zentren von drei der fünf ORCs supermassive schwarze Löcher befinden.
Norris schlägt nun vor, das Extremely-Large-Telescope in Chile zu nutzen, um ORC1 statt nur mit Radiowellen auch mit optischen Wellenlängen zu untersuchen. Davon verspricht sich Norris tiefere Erkenntnisse dazu, „was in diesen Galaxien vor sich geht“.
Zweite, dritte und noch einige Theorien
Es gibt indes noch eine weitere Theorie, die einige Befürworter hat. Danach könnten ORCs durch einen „Starburst-Terminationsschock“ entstehen. Dazu wäre eine Periode erforderlich, in der viele Sterne entstehen und eine entsprechend hohe Explosionsaktivität besteht. Das war bei der Galaxie, in der ORC1 liegt, der Fall. Norris dazu: „Wenn all diese Sterne explodieren, entsteht in der Galaxie ein großer Überdruck an Gas, das dann explodiert.“
Auf diese Weise könnte der von Askap und Meerkat beobachtete Radiokreis entstanden sein. Möglich ist indes auch, dass beide Theorien falsch sind und ORCs völlig anderen Ursprungs sind. Forschende wie Norris bleiben der Sache auf der Spur.