Streit mit Nokia: Verkaufsstopp für Lenovo-Produkte in Deutschland vorerst aufgehoben
Wer derzeit auf die deutsche Lenovo-Website surft, um sich etwa eines der neuen Yoga-Laptops zu kaufen, steht noch immer vor – virtuell – verschlossenen Türen. „Wir können bis auf Weiteres nur ein eingeschränktes Produktportfolio anbieten“, heißt es dazu in einem Hinweis. Das dürfte sich aber in wenigen Stunden ändern. Denn das Oberlandesgericht München hat der Berufung von Lenovo gegen den vor rund zwei Wochen verhängten Verkaufsstopp stattgegeben.
Lenovo nimmt Online-Verkauf wieder auf
Hintergrund des – bis zur Entscheidung in der laufenden Berufung aufgehobenen – Verkaufsstopp ist ein Patentstreit mit Nokia. Dabei geht es um eine von den Finnen entwickelte Technologie zur Videokomprimierung (H.264). Ein Münchener Gericht hatte Ende September bestätigt, dass Lenovo in diesem Fall die Nokia-Patente verletzt habe. Nach diesem Sieg vor Gericht hatte Nokia eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der Lenovo der Verkauf betroffener Produkte – insbesondere PCs, Laptops und Tablet-PCs – bis jetzt untersagt war. Am Montagabend soll der Verkauf der Geräte im Onlineshop von Lenovo wieder starten. Der Einzelhandel darf vorerst ebenfalls wieder beliefert werden, wie heise.de schreibt.
Lenovo begrüßte die Entscheidung der Münchener Richter: „Wir freuen uns, dass das Oberlandesgericht München unserem Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung des Münchner Urteils gegen Sicherheitsleistung stattgegeben hat, da mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erwartet werden kann, dass die Entscheidung in der Berufung aufrechterhalten wird“.
Lenovo, so stellte es Nokia im Vorfeld des Verkaufsstopps dar, sei bisher trotz des Gerichtsurteils nicht bereit gewesen, sich auf Verhandlungen über mögliche Lizenzgebühren für die Nutzung der Technologie einzulassen. Lenovo wiederum hatte Nokia zuvor vorgeworfen, zu viel Geld zu verlangen. Über die Höhe der Gebühren ist derweil aber nichts bekannt. Zudem, so der chinesische Hersteller, habe sich Nokia geweigert, sein geistiges Eigentum zu fairen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zu lizenzieren, wie Bloomberg schreibt.
„Wir setzen uns weiterhin dafür ein, diese Angelegenheit unter fairen, vernünftigen und nicht diskriminierenden (FRAND) Bedingungen zu klären. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass Nokia gegen seine eigenen rechtlichen Verpflichtungen verstoßen hat, indem es sich weigert, seine Technologie zu FRAND-Bedingungen an Lenovo oder unsere Drittanbieter zu lizenzieren“, hieß es in dem Lenovo-Statement. Und weiter: „Dies ist ein richtungweisender Fall für die ganze Technologiebranche und einer, den wir weiterhin anfechten, da er die zukünftigen Voraussetzungen dafür schafft, dass unangemessene globale Patentlizenzgebühren den Zugang der Kunden zu erschwinglichen Innovationen nicht behindern.“
Auch in den USA droht Verkaufsstopp
Nokia und Lenovo streiten sich aber nicht nur in Deutschland um eine mögliche Lizenzierung der Patente. Auch in den USA, Brasilien und Indien beschäftigen sich Gerichte mit dem Fall. In den USA etwa prüft die Handelsbehörde ITC, ob wegen der Beschwerde der Finnen ein vorübergehendes Verkaufsverbot wie in Deutschland erlassen werden müsste. Ein solcher Verkaufsstopp, so Beobachter, bringt normalerweise die Streitparteien schnell wieder an den Verhandlungstisch.
Auch der deutsche Autobauer Daimler steht übrigens unter Beschuss von Nokia. Ende Oktober sollte das Gericht in München auch hier entscheiden, ob Nokia-Patente verletzt wurden. Bisher ist aber noch kein Urteil bekannt geworden. Mitte August hatte der finnische Netzwerkausrüster vor dem Landgericht Mannheim schon einen Etappensieg in der Auseinandersetzung errungen. Allerdings ging es dabei um eine Technologie zur effizienten Kommunikation von Autos mit LTE-Mobilfunknetzen. Auch hier steht allerdings ein Verkaufsverbot im Raum.