Gamer-Nostalgie: Wenn der alte Gameboy wieder auftaucht
Pliiing! Acht Bit, mehr braucht es nicht und schon sitze ich wieder in meinem rumpeligen Kinderzimmer. Ich habe meinen alten Gameboy Color wiedergefunden. Eigentlich hatte ich ihn schon fast vergessen, aber jetzt ist er mir wieder in die Hände gefallen: vergilbt, angestaubt – und einfach großartig!
Mein Gameboy teilt das Schicksal vieler Handhelds und Konsolen aus den 80ern und 90ern: Sie versauern jahrelang in Kisten und Kartons. Sie warten tapfer in den hintersten Ecken der Dachböden und Abstellkammern, während wir unsere Herzen an neue Playstations verschenken, uns 4K und Raytracing hingeben. Und doch verschwinden Gameboy und Atari eben nie ganz, sondern kommen irgendwann zu uns zurück. Sie wirken aus der Zeit gefallen wie Faxgeräte oder Friedrich Merz. Nur, sie kommen uns nicht lächerlich vor, sondern wecken wohlig warme Sympathien.
In den späten 70ern strömten Gamer in die Arcade-Hallen, ein paar Jahre später klebten sie vor ihren Röhrenkisten. Mit meinem Gameboy war’s egal, wo ich spielte. „It’s portable, it’s in stereo and its Games are interchangable!“ Ich habe überall gezockt. Im Bett, auf dem Spielplatz, unter dem Schultisch, auf langen Autofahrten, auf dem Klo – überall.
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Mit 35 nochmal Pokémon fangen
Jetzt ist mein alter Begleiter samt Spielen nach Jahrzehnten zurück und es fühlt sich an wie eine Zeitreise. Ich besorge mir zwei AAA-Batterien, „Pokémon blau“ rastet im Handheld ein – und ich aus. Als wäre nichts gewesen, bietet mir der Gameboy meinen Speicherstand aus dem letzten Sommer des 20. Jahrhunderts an. „Spieler Alex, Orden 6, Pokédex 72, Zeit 16:35“ steht da. So muss sich Robin Williams in Jumanji gefühlt haben, als er nach 26 Jahren aus dem Dschungel kam und sein Spiel fortsetzen konnte.
Während meine Finger über die knubbligen Knöpfe wandern, liegt plötzlich der Geschmack von Pfirsicheistee auf meiner Zunge und Kinderzimmermief in der Luft. Ich kann sogar meine Mutter hören: „Leg die Kiste weg!“. Diese Nostalgie klingt fast so klebrig, wie sich die Hände meines zwölfjährigen Ich nach vier Stunden am Gameboy anfühlten, und trifft doch den Nagel auf den Kopf. Wir lieben unsere alten Gameboys, die Super Nintendos und Sega Mastersystems. Wir lieben die alten Dinger, weil sie uns plötzlich mit Erinnerungen überschwemmen. Es dauert keine fünf Minuten, da bin ich im hohen Gras unterwegs. Nachdem ich zwei Habitaks fachgerecht mit meinem Glurak zerlegt habe, ist der Flow wieder da. Ich bin 35 und fange wieder Pokémon.
Alte Technik, die begeistert
Nach zwei Stunden purer Glückseligkeit schiebe ich den kleinen Regler runter und der Color schaltet ab. Es ist genial: Da finde ich ein altes Stück Technik und bin begeistert. Der Gameboy macht es mir leicht. Kein Aufbau, keine Verkabelung. Spiel rein und spiel los. Er ist nur ein Stellvertreter für die Konsolen unserer Kindheit. Sie lassen unsere Augen glänzen, wenn wir sie zwischen Gerümpel wiederfinden – und sie noch laufen. Hätte ich den Gameboy nicht mit Pokémon füttern können, gäbe es diese Kolumne nicht. Kein Spielerlebnis, keine Zeitreise, kein Retrokitsch. Erst recht nicht, wenn ich gar keinen Gameboy hätte finden können, weil ich meine Games in der Cloud gezockt habe. Nach meiner Runde Pokémon drängt sich mir eine Frage auf: Wird es diese nostalgischen Momente auch in 20 Jahren noch geben? Werden die Kinder von heute auch 2041 noch eine Switch auf dem Dachboden finden und sich mit Herzklopfen an die Games von früher erinnern? Werde ich als Rentner nochmal genauso melancholisch auf Cyberpunk zurückblicken?
Meine Playstation wird es dann vermutlich nicht mehr geben. Sie hat ein Ablaufdatum. So läuft das jetzt. Konsolen sind nicht mehr für die Ewigkeit gemacht. Smartphones halten oft nur zwei Jahre durch. Und überhaupt: Welche Rolle spielt Hardware in den nächsten Jahren noch? Steam, Origin, PS Now – alles nicht greifbar. Wir kaufen Games ohne Discs, wir zocken in der Cloud, wir brauchen nicht mal mehr Hardware. Server werden abgestellt, Services eingestellt, Spiele unspielbar. Ein Stadia-Account lässt sich schwer zwischen Kartons und Kisten verstauen.
Stirbt die Nostalgie aus?
Mir ist bewusst, dass die Nostalgie nicht nur an den Geräten hängt, sondern an den Erfahrungen und der Zeit, die wir in die Spiele gesteckt haben. Ohne Glurak und Pliiing wäre mein Gameboy eben doch nicht mehr als ein vergilbter, angestaubter Kasten. Aber es ist eben meiner mit meinem Speicherstand. Es ist das Zusammenspiel aus alten Spielen und Konsolen, die nicht neu aufgelegt wurden, sondern die Zeit überdauert haben. Und das es heute so oft nicht mehr gibt. Müssen die Kids, die jetzt Gaming für sich entdecken, also auf Retro-Nostalgie verzichten?
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Müssen sie nicht, jedenfalls nicht auf ihre eigene. Für sie schaffen es angesichts verschwindender Hardware mittlerweile Neuauflagen, Remastered-Versionen und Fortsetzungen, Games am Leben zu halten. Wer sich im Jahr 2021 die Legendary Edition von „Mass Effect“ sichert, muss auch ein Herz für Nostalgie haben. Ein großes sogar, wenn er oder sie knapp zehn Jahre nach der Ersterscheinung 70 Euro für ein Game hinlegt, das sich bis auf paar Wassereffekte und drei neue Haare nicht verändert hat.
Die Erinnerung an die gute alte Zeit hängt in Zukunft sicher nicht mehr von einzelnen Konsolen ab. Sie wird nicht mehr auf dem Dachboden liegen, dafür aber jederzeit abrufbar sein. Weniger Zufall, mehr bewusste Entscheidung. Nicht mehr greifbar, aber trotzdem ergreifend.
Story of my life, habe auch seit ein paar Wochen wieder einen Gameboy Advance im Einsatz und habe damit mehr Spaß als mit jeder aktuellen Konsole auf dem Markt. Habe mir Tatsache auch noch diverse Spiele auf eBay bestellt die mir damals entgangen sind :-)
Ich habe seit einiger Zeit eine DosBox mit alter DOS-Software auf meinem Windows-PC installiert. Ich hatte früher einen bernsteinfarbenen Monochrommonitor. Ich bin immer wieder überrascht, wie fotorealistisch manche Spiele dadurch aussehen. Dagegen ist manches Spiel von heute Müll. Viele der damaligen Programme (Ende der 80er) waren schon so weit entwickelt, dass sie bis heute keine Wünsche offen lassen. Ich vermisse diese Zeit.