Onlinehändler, werdet endlich nachhaltig und nervt uns nicht mit zig Einzelpaketen!
Die Bestellung war eigentlich nicht kompliziert: ein Smartphone, eine dazu passende Hülle und eine Speicherkarte. Doch was ein großer deutscher Versandhändler daraus machte, war beachtlich: Drei Pakete, zugestellt an drei aufeinanderfolgenden Tagen, obwohl sogar aus demselben lokalen Lager. Die Wahl, auf gesammeltem Versand zu bestehen, hatte man indes nicht. Was Mitbewerber Amazon aus logistischen Gründen seit Jahren perfektioniert hat, tun inzwischen auch andere Händler: Waren, die allesamt vorrätig sind, in lustigen Kleinsendungen einzeln verschicken.
Am Einzelversand von Produkten gewinnt kaum jemand
Das ist nicht nur wenig umweltfreundlich und kaum nachhaltig, es funktioniert bei Versendern wie Otto auch allenfalls deshalb, weil diese den Logistikdienstleister (in dem Fall Hermes) gleich mit im Haus sitzen haben. Es nervt aber vor allem auch den Kunden, wenn sich dieser als arbeitender Mensch an drei unterschiedlichen Stellen seine Waren zusammensammeln muss.
Noch schwieriger wird es für Plattformen wie Amazon Marketplace oder Zalando. Wer sich fünf Kleidungsstücke kommen lässt, muss damit rechnen, dass er fünf Paketsendungen an unterschiedlichen Tagen und mit unterschiedlichen Paketunternehmen geliefert bekommt – und im schlimmsten Fall auch die Retouren an unterschiedliche Adressen richten muss. Das ist Wahnsinn und ein Übermaß an Service, mit dem der Kunde nichts als Ärger hat.
Für den per Marktplatz versendenden Händler ist die Sache übrigens ähnlich schwierig: Versendet er das vorrätige Buch nicht gleich und wartet auf einen zweiten noch zu bestellenden Artikel, der einen Tag später kommen wird, riskiert er, dass er in vielen Fällen aufgrund schlechter Response-Zeiten mit seinen Waren in den Ergebnislisten nach unten rutscht.
Ähnlich ärgerlich ist es, dass man bei vielen Händlern eine noch nicht einmal angefasste Bestellung nicht mehr erweitern kann – etwa, wenn man das gewünschte Kleidungsstück nachträglich noch in einer anderen Farbe dazubestellen will, solange es verfügbar ist. Einige der Shopping-Clubs haben das Problem erkannt und ermöglichen beispielsweise eine Anpassung der Bestellung im Laufe eines bestimmten Zeitraums. Allerdings haben die natürlich auch ein etwas anderes Geschäftsmodell, geben sie die Bestellungen doch erst nach Ende einer Aktion gesammelt an einen Dienstleister weiter, der den Sonderposten vom Hersteller dann gezielt zum Kunden befördert.
Weihnachtsgeschäft: Nächste Nagelprobe für Onlinehändler
Davon abgesehen könnte den Händlern spätestens im diesjährigen Weihnachtsgeschäft – seit Jahren die Nagelprobe für den Onlinehandel – dieser Einzelversand zum Problem gereichen. Denn schon in den letzten zwei Jahren haben es die Paketdienstleister kaum noch geschafft, die große Zahl an Paketen zuzustellen – und haben teilweise gleich einen großen Schwung Pakete in den jeweiligen Paketshops abgeladen (die Paketkarten kamen dann per Post einen Tag später). Damit waren die Anbieter von Paketshops natürlich auch nicht zufrieden, weil der ohnehin knappe Platz vor Weihnachten noch knapper wurde. Und erstmals bekamen Händler für zusätzliche Buchungen beim Versanddienstleister nicht mehr die sonst ausgehandelten günstigen Preise, sondern mussten mit höheren Kosten rechnen.
Eine ähnliche Unart, die inzwischen von vielen Händlern betrieben wird (und immer mal wieder für entsprechende Bilder in sozialen Netzwerken sorgt), sind viel zu große Versandkartons, etwa weil nur drei Standardgrößen verfügbar sind. Es mag zwar für den Zusteller schön sein, wenn ein Paket zur Abwechslung leichter als erwartet ausfällt, beim Verpacken der Ladung macht das aber erfahrungsgemäß keinen Sinn.
Die Händler – und es sind spannenderweise vor allem die großen Versender, die sowas tun – sollten sich darüber bewusst sein, dass der Kunde auf Convenience wert legt und gerade als Berufstätiger lieber einen Tag länger auf seine Sendung wartet, als dem Nachbarn täglich erneut einen Besuch abstatten zu müssen. Was wir brauchen, ist daher eine verbindliche Option, dass eine Bestellung in möglichst wenigen Paketen versandt wird.
Wahrscheinlich müssen wir uns im Onlinehandel auch daran gewöhnen, dass es einfach mal etwas langsamer geht und dafür mehr im Sinne des Kunden gedacht wird. Onlinehändler, die Angst haben, dass man dann gegenüber dem Präsenzhandel zurückfällt, können beruhigt sein: Es geht den meisten Kunden nicht darum, ob sie eine Ware in einem oder zwei Tagen bekommen, sondern dass sie sie möglichst einfach und individuell zur Verfügung haben. Und hier bleibt der E-Commerce ganz vorne, wird sogar ökologisch nachhaltiger und effizienter – wenn die Prime-Ware nicht einzeln binnen Stunden ausgefahren wird, nur weil man es kann.
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Ist es auch nict unglaublich teuer für den Händler, wenn er drei statt einem Paket abrechnen muss? Wirtschaftlich ist das doch ein absolutes no-go. Oder übersehe ich da was?
Kommt darauf an… Bei kleineren Händlern sicherlich, große Versandzentren hingegen haben oftmals innerbetrieblichen Warenverkehr der ein Viertel des Handlingaufwands ausmacht. Und bei Händlern die einen Dropshipper beauftragen, ist der administrative Aufwand teils sogar höher.
Herr Weidemann,
der Ansatz ist gut gedacht (wenn auch nicht neu) aber er zeugt davon, das sie keine Ahnung haben
wie Onlinehandel funktioniert.
„Es geht den meisten Kunden nicht darum, ob sie eine Ware in einem oder zwei Tagen bekommen, sondern dass sie sie möglichst einfach und individuell zur Verfügung haben. “
Woher wissen Sie was ‚die meisten‘ Kunden wünschen ?
Wenn zwei Händler das gleiche Produkt zum gleichen Preis anbieten, was glauben sie wo der Kunde bestellt ?
Und was heißt denn ‚einfach und individuell zur Verfügung haben‘ ?? Das ist doch Phrasendrescherei