Nach OpenAIs Prompt-Enthüllung: So unterscheiden sich Claude und ChatGPT
Als Anthropic im Sommer 2024 den sogenannten System-Prompt seiner Sprach-KI-Modelle Claude 3 Opus, Claude 3.5 Sonnet und Claude 3.5 Haiku veröffentlicht und damit erstmals tiefe Einblicke in die künstliche Intelligenz gewährt hat, war das ein Novum. Kein KI-Unternehmen ließ zu diesem Zeitpunkt ähnlich tief blicken, was den Schritt für Anthropic zum Alleinstellungsmerkmal machte. Bis jetzt!
OpenAI hat sich getraut nachzuziehen und den eigenen System-Prompt der 01-Modellfamilie im offiziellen Plattform-Guide öffentlich gemacht. Das ermöglicht einen noch genaueren Vergleich der beiden KI-Modelle, die als direkte Konkurrenten zueinander gelten, offenbar aber völlig unterschiedliche Ansätze verfolgen.
System-Prompt und Meta-Prompt: Was steckt dahinter?
Der System-Prompt ist gewissermaßen die Richtlinie für KI-Modelle, die festlegt und vorschreibt, wie die künstliche Intelligenz mit den User:innen interagiert, welchen Ton sie dabei wählt und wie sie kommuniziert. Er steuert also das Verhalten der KI und legt Rahmenbedingungen fest, wie das Modell in einer bestimmten Interaktion reagieren soll – beispielsweise als Lehrer, Experte oder Assistent.
OpenAI nutzt zudem einen sogenannten Meta-Prompt, der wiederum eine Art Prompt-Optimierer darstellt. Dadurch ist ChatGPT in der Lage, die Struktur von Prompts sowie die eigenen Antworten zu reflektieren. „Wenn Benutzer eine Konversation beginnen, hat der Meta-Prompt bereits die Bühne bereitet und leitet die KI bei allem an, vom Verständnis des Hauptziels einer Aufgabe bis zur Strukturierung ihrer Ausgabe“, heißt es dazu beim Technikportal Decrypt.
Beides sind Mechanismen, die hinter den Kulissen ablaufen und einem KI-Modell die jeweilige „Persönlichkeit“ verleihen, wenn man so will. Für Endnutzer:innen sind diese Feinheiten in der Regel eher weniger interessant, da sie in erster Linie Wert auf die Ergebnisse ihrer eigenen Anfragen legen – und doch kann es sehr hilfreich sein, zu wissen, welches KI-Modell wie „tickt“, um das Beste aus der Arbeit mit ihm herauszuholen.
Claude und ChatGPT im Vergleich: Welches KI-Modell tickt wie?
An eben diesem Punkt wird ein direkter Vergleich der System-Prompts von Anthropic und OpenAI interessant, wie ihn Decrypt angestellt hat. Das allgemeine Ergebnis: Die Unterschiede sind groß, und während OpenAIs ChatGPT sehr zielgerichtet und methodisch vorgeht und damit vor allem als Werkzeug auftritt, ist Anthropics Claude hingegen sehr viel freundlicher und plauderfreudiger ausgelegt, sodass sich das Modell „eher als sachkundiger Freund“ präsentiert, wie Decrypt es formuliert.
Die größten Unterschiede der beiden Modelle zusammengefasst:
- Allgemeiner Ansatz: OpenAIs Prompts sind präzise und auf Effizienz optimiert, während Anthropic einen gesprächigen, auf Freundlichkeit fokussierten Stil verfolgt, der Claude mit einer Art Persönlichkeit ausstattet, inklusive Sinn für Humor. Claude legt folglich größeren Wert auf die Interaktion, während ChatGPT sich dagegen besser zur geradlinigen Aufgabenerledigung eignet.
- Struktur des System-Prompts: Der System-Prompt von OpenAI ist methodisch und klar strukturiert aufgebaut, während Anthropics Ansatz eher narrativer Natur ist und Claude ähnlich einer Charakterbeschreibung definiert.
- Selbstbewusstsein und Grenzen des Assistenten: OpenAI lässt seine KI sachlich über ihre Fähigkeiten sprechen; die KI ist sich sehr klar darüber, was sie kann und was nicht. Im Gegensatz dazu vermittelt Anthropic Claude ein differenzierteres Selbstverständnis und vor allem Emotionen.
- Denken und Problemlösung: OpenAI legt Wert auf eine logische, schrittweise Problemlösungsmethodik, während Anthropic Claude ermutigt, seinen Denkprozess zu erläutern und auch Unsicherheiten auszudrücken.
- Stil- und Tonrichtlinien: OpenAI betont Klarheit und Prägnanz in der Kommunikation, während Anthropic um einen umgangssprachlichen, fließenden Dialog mit gelegentlichem Humor bemüht ist. Dadurch wirkt Claude zugänglicher, allerdings kann das auch als unsachlich oder gar störend empfunden werden.
Die beiden konkurrierenden KI-Modelle verfolgen also beinahe gegensätzliche Ansätze, vor allem was die Tonalität der Interaktionen angeht. Dieses Wissen könnte Endnutzer:innen die Abwägung erleichtern, worauf sie selbst größeren Wert legen, welches der Modelle sie also präferieren.
Insgesamt dürfte der Einblick in die System-Prompts in jedem Fall die Einschätzung erleichtern, wie mit welcher Sprach-KI am besten gearbeitet werden kann – und spannend ist es noch dazu, zu sehen, wie unterschiedlich KI-Modelle aufgebaut und gewichtet sein können.