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Outfittery und Modomoto: Das Geschäftsmodell funktioniert so nicht

Outfittery fusioniert mit Modomoto. Die Markbereinigung dieser Nische war überfällig, das Geschäftsmodell steht in der aktuellen Form aber auf wackeligen Beinen.

Von Jochen G. Fuchs
4 Min. Lesezeit
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Outfittery fusioniert mit Modomoto: Ein Befreiungsschlag, der ohne Änderungen am Konzept nur wenig helfen wird. (Foto: Outfittery)

Von Expansion ist die Rede, von Freude. Es dürfte wohl eher eine Notbremse sein, auch wenn die Gründerin Julia Bösch etwas anderes sagt. Die Kostenstruktur zu verschlanken, verschafft dem fusionierten Unternehmen deutlich Luft. Eine Million eingekleidete Kunden haben beide Unternehmen vermeldet, dabei 80 Millionen Euro Umsatz gemacht. Nein, ganz so schlimm, wie es aussieht, ist es nicht: Es waren dann doch mehr als 80 Euro Jahresumsatz pro Kopf, es sollen rund 200 Euro gewesen sein. Andererseits ist das Konzept an sich genau so schlimm, wie es sich anhört: Der Kunde bestellt eine Outfit-Box für 500 bis 600 Euro, von der ein T-Shirt und ein paar Socken gekauft werden und der Rest wieder zurückgeschickt wird. Die Zielgruppe, vermögende Männer mit Einkaufsabneigung, scheint entweder weniger einkaufslustig zu sein oder sie sind preisbewusster, als die Anbieter es gerne hätten. Das Konzept muss dringend überholt werden.

Geschäftsmodell von Outfittery

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Das Geschäftsmodell von Outfittery und Modomoto ist ein einziges Klischee: Männer kaufen nicht gerne Klamotten ein. Außerdem verstehen sie nichts von Mode, deshalb werden sie Styling-Vorschläge lieben. Würde keiner der Anbieter so unterstreichen, aber im Prinzip lässt sich das so zusammenfassen. Die Idee: Deshalb sind Männer unheimlich dankbar, wenn ihnen jemand den ungeliebten Job abnimmt und geben dafür auch mehr Geld aus. Soweit die Theorie.

Allerdings sind vermögende Menschen meist deshalb vermögend, weil sie ihr Geld nicht zum Fenster herauswerfen. Das kollidiert dann etwas mit den Preisen, um es mit den Worten eines Outfittery-Kunden zu sagen: „Das meiste davon habe ich zurückgeschickt und dann bei Zalando bestellt, das war deutlich günstiger.“ Die Preise sind bisher also nicht unbedingt konkurrenzfähig und die Preispunkte viel zu hoch aufgehängt.

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Gegenüber t3n spricht die Outfittery-Gründerin von einem durchschnittlichen Warenkorb von 200 Euro pro Kopf und betont, dass „die meisten Kunden“ ein zweites oder drittes Mal bestellen würden. Die oben erwähnte Million Kunden, die Outfittery und Modomoto laut eigener Auskunft eingekleidet haben, ist wohl die Gesamtanzahl der Kunden aus den letzten Jahren, sonst müssten dreistellige Millionenumsätze zu vermelden sein, und nicht 80 Millionen. Ist der Warenkorb korrekt und das durchschnittliche Outfit liegt bei grob geschätzt 500 Euro, dann würden die Kunden mindestens 60 Prozent ihrer Bestellung wieder zurücksenden.

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Zum Vergleich: Zalando-Kunden bestellen etwa vier Mal im Jahr, der durchschnittliche Warenkorb beläuft sich laut Statista auf 57,10 Euro. Das sind rund 230 Euro Umsatz pro Kopf im Jahr. Die Retourequote von Zalando liegt bei rund 50 Prozent.

Curated-Shopping, ein schwieriges Pflaster

Zwar haben Outfittery und Modomoto im Jahr 2017 ihre Verluste reduzieren können, profitabel sind sie aber noch lange nicht. Den Konkurrenten geht es nicht viel besser, Kisura ist pleite und in den USA hat Nordstrom so seine Probleme mit seinem Trunk Club. Das Curated-Shopping-Geschäftsmodell ist schwierig.

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Es ist auch deshalb schwierig, weil die suggerierte Individualität nicht den Erwartungen des Kunden entspricht. Ein t3n-Leser kommentiert zu Outfittery: „Wie sich diese Firmen halten, ist mir ein Rätsel. Alle Outfits bei mir bestehen aus drei Marken, die beliebig miteinander kombiniert werden. Sobald ich diese Marken kenne, kann ich das auch selbst tun.“ Das Problem ist klar: Die Rücksendungen müssen wieder zu neuen Outfits kombiniert werden. Mit einem festen Markenset und überschaubaren Sortiment zu arbeiten, verringert Lagerkosten und Lagerreichweite – schränkt aber die Auswahl ein. Überhaupt suggeriert die Arbeit mit einem Stylisten Kenntnisse über den Kunden, die der Curated-Shopping-Anbieter meist nicht hat. Der Berater beim Herrenausstatter sieht mit einem Blick, welche Größen passend für den Kunden sind, kennt oft das Gefälle zwischen den Größen der unterschiedlichen Marken und bei Stammkunden auch die Vorlieben. Das verspricht der Curated-Shopping-Anbieter, leistet es aber erfahrungsgemäß nicht. Für mehr oder minder personalisierte Outfits akzeptieren Kunden aber keine hohen Preise, erst recht nicht in dem Segment, das Outfittery anpeilt. Die Personalisierung muss deutlich mehr bringen, das zeigt auch der Blick in die USA.

Mehr Daten, mehr Personalisierung, sonst wird das nichts

Dort sitzt mit Stitchfix der Lichtblick der Branche. Profitabel, und der Jahresumsatz liegt mittlerweile bei über einer Milliarde US-Dollar. Was macht Stitchfix anders? Erstens adressiert Stitchfix alle Kunden, männlich wie weiblich. Zweitens liegt der Durchschnittspreis eines Artikels bei 55 Dollar, jede „Fix“ genannte Abo-Box enthält fünf Teile, somit liegt der Bestellwert eines Outfits bei rund 275 Dollar. Etwa die Hälfte des Bestellwerts von Outfittery. Dann folgen noch ein paar kleine, aber wichtige Details wie eine Styling-Fee für Komplett-Retournierer, das frei einstellbare Abomodell mit der Standardfrequenz von einer Box pro Monat bis hin zum wichtigsten Punkt: Datensammlung. Stitchfix sammelt beim Kunden bis zu 50 Datenpunkte bei Registrierung ein, führt über jede Marke rund 100 bis 150 Datenpunkte zu den Kleidungsstücken, wertet Retourendaten aus. Mittlerweile fertigt das US-Unternehmen auf Basis einer Datenanalyse Kleidungsstücke für Marktlücken, die von eigens entwickelten Algorithmen bestimmt werden. Fehlende Größen oder Zwischengrößen werden so beispielsweise produziert. Auch die rund 3.400 Stylisten von Stitchfix arbeiten offensichtlich datengetrieben. Mehr zu Stitchfix in der Kassenzone.

Outfittery hat im Januar einige Neuerungen eingeführt: Kunden sehen die Auswahl jetzt vorab (bisher nicht!) und statt kompletter Outfits können auch Teil-Outfits bestellt werden. Das scheint die Antwort darauf zu sein, dass Kunden nur Bruchteile eines Outfits behalten. Auf unterschiedliche Preispunkte scheint sich Outfittery nicht einlassen zu wollen, was ein Fehler sein dürfte. Die Kunden behalten die Outfits wohl überwiegend deshalb nicht, weil sie ihnen zu teuer sind.

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An den Datenpunkten will Outfittery arbeiten, zukünftig sollen bis zu 200 vom Kunden erfasst werden. Ein erster Schritt zu einer besseren Personalisierung. Reichen wird das nicht, Outfittery müsste das komplette Geschäftsmodell noch stärker datengetrieben aufstellen und die Zielgruppen und Sortimentsauswahl anpassen.

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