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Ratgeber

Nie genug ist schnell zu viel: Wie du Overachieving erkennst und vorbeugst

Engagierte Mitarbeitende sind ein Segen. Doch zu viel auf sich zu nehmen, ist wenig nachhaltig und schadet der Arbeitskultur.

Von Julia von dem Knesebeck
5 Min.
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Viel ist schnell zu viel. Das gilt auch im Arbeitsleben. (Foto: Shutterstock / baranq)

Eigentlich liebt Ilona ihren Job. Man merkt es ihr an: Zielstrebig geht sie an ihre Arbeit, scheut keine Verantwortung und lässt auch bis spät in die Nacht nicht locker, bis alles perfekt ist. Für Ilona ist gut nicht gut genug, und Erfolgserlebnisse über ein gelungenes Projekt sind von kurzer Dauer, da in der nächsten freien Minute schon gleich der nächste dringende Eintrag in der To-do-Liste wartet. Ilona ahnt nicht, dass sie unter dem Druck, immer mehr leisten zu müssen, ihre geistige und körperliche Gesundheit gefährdet und das Risiko für eine Belastungsdepression oder sogar einen Burnout erhöht.

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Viele Führungskräfte kennen eine Ilona in ihrem Team, und nicht wenige mögen auch sich selbst in ihr wiedererkennen. Was auf den ersten Blick nach vorbildlichem Verhalten aussieht, entpuppt sich auf lange Sicht als eine Gefahr für die Arbeitskultur im Team — und für die psychische Gesundheit der betroffenen Mitarbeitenden.

Was motiviert Overachiever wie Ilona? Welche Auswirkungen kann Overachieving beziehungsweise Overperformance auf ein Unternehmen haben? Und wie gehen betroffene Personen und ihre Teams und Führungskräfte damit um?

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Overachieving und Overperformance: Was ist das?

Overperformance beschreibt das zwanghafte Arbeiten bis zur Belastungsgrenze und darüber hinaus. Wer das häufig und ohne extrinsische Gründe tut, neigt zu Overachieving: ein Druck von innen, der einem das Gefühl gibt, immer mehr leisten zu müssen.

Jeder Mensch hat ein Stück weit diese Neigungen. Diejenigen, für die die Belastung besonders groß ist, nennen wir hier Overachiever.

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Wie äußert sich Overachieving?

Natürlich ist es nicht immer einfach, einzuschätzen, was ein gesundes Level an Arbeitsbelastung ist und ab wann es zu viel wird. Die sichtbaren Faktoren wie Zeit oder Output variieren von Person zu Person und von Rolle zu Rolle. Es sind vielmehr bestimmte Verhaltensweisen und Gedankengänge, die auf Overachieving hindeuten.

Overachiever arbeiten ausdauernd, zielorientiert und streben danach, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, um das beste Ergebnis zu erzielen. Herausforderungen inspirieren sie.

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Doch auf dem schnurgeraden Weg von einer Aufgabe zur nächsten merken sie gar nicht, wie belastet sie sind, und überschreiten im Sog der Arbeit ihre Grenzen. Das zielorientierte Verhalten findet auf Kosten des eigenen Wohlbefindens am Arbeitsplatz statt.

Overperformance und Überkontrolle gehen oft Hand in Hand: Wer zu ersterem tendiert, will die Situation im Griff haben und übernimmt oft viel Verantwortung, halst sich die Aufgaben anderer auf und tut sich schwer, Dinge zu delegieren oder anderen zu überlassen.

Die Overperformance ist somit ein Auftürmen der Verantwortung und eine stille Belastung.

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Overachieving: Eine Gefahr für die Arbeitskultur?

Besonders perfide an der Neigung zur Overperformance ist, dass sie in Teams regelrecht ansteckend sein kann. Denn indem die Overperformer viel von sich verlangen, fordern sie dies oft auch von anderen, bewusst oder unbewusst.

Ohne eine Intervention durch Führungskräfte erzeugt diese Overperformance eine Arbeitsatmosphäre, in der das Erzielen von Ergebnissen um jeden Preis gefördert und gefordert wird.

Für Führungskräfte gehört das Fördern und Bewahren einer positiven Arbeitsatmosphäre zu den wichtigsten Aufgaben. Daher sollten sie erkennen, wenn Teammitglieder zu Overperformance neigen, und diese darin unterstützen, ihre Arbeitsbelastung vorausschauend zu managen, ohne ihre eigene Belastungsgrenze konstant zu überschreiten.

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Den anderen Teammitgliedern muss klargemacht werden: Auch wenn du dich nicht so hart reinhängst, wird dir zugehört und deine Anliegen sind ebenso valide.

Führungskräfte und Mitarbeitende sollten im Zweifel nach folgenden Merkmalen des Overachieving Ausschau halten:

Psychologische Mechanismen im Overachieving

Zuallererst sei gesagt: Overachieving und Überperformance sind Neigungen, keine Krankheit. In jedem von uns steckt ein Stück weit eine Ilona, und es ist etwas, woran wir arbeiten und damit umzugehen lernen können.

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Zu den verschiedenen Arten, wie sich Overachieving äußert, gehören Dinge wie:

  • Probleme, neue Aufgaben abzulehnen: „Ich darf mein Team nicht enttäuschen.“
  • Dinge im Voraus sicherstellen zu müssen und sich im Voraus Sorgen zu machen.
  • Schwierigkeiten, im Urlaub anzukommen und sich zu erholen.
  • Verdienstmentalität: Man kann nichts bekommen, ohne es sich zu „verdienen“.
  • Selbstvorwürfe, Schelte, negative innere Sprache: „Meinetwegen wird jetzt alles den Bach runter gehen.“
  • Gefühle der Unzulänglichkeit: „Ich bin nicht gut genug.“
  • Perfektionismus.
  • Probleme, Fehler und Unvollständigkeit zu akzeptieren: „Dieser Flüchtigkeitsfehler ist ein Desaster.“
  • Leistungsdrang, der sich auch in der Freizeit und in Hobbys fortsetzt.
  • Das Gefühl, am Arbeitsplatz unersetzlich zu sein: „Ich darf jetzt nicht krank werden!“

Für viele Overachiever ist die Erfahrung, im Licht der eigenen Erfolge gesehen zu werden, besonders prägend. Unsere gesamte westliche Kultur orientiert sich stark am Leistungsgedanken. Als ein Zeichen für Erfolg im Leben wird das eigene Handeln dadurch motiviert, was man erreicht — Selbstwert durch Leistung.

Diese Verdienstmentalität hinterlässt ihre Spuren, die Overachiever ins Arbeitsleben mitnehmen. Der Umkehrschluss ist: „Wenn ich keinen Erfolg habe und die Dinge nicht in zügigem Tempo erledige, werde ich nicht gemocht, akzeptiert, geschätzt, erfolgreich.“

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Diese kreisenden Gedanken passieren oft unterbewusst und viele begreifen erst, wenn sie sie aussprechen, wie sinnlos sie eigentlich sind.

Wie mit Overachieving umgehen?

Selbstmitgefühl gehört zu den wichtigsten Dingen, die sich Menschen zugestehen sollten, die zu Overachieving neigen. Das bedeutet, sich und dem eigenen Handeln auf einfühlsame Weise gegenüberzustehen: zum Beispiel, indem man auch kleine Erfolge wahrnimmt und animierend über sich selbst spricht.

Um Selbstmitgefühl in sich selbst zu fördern, können regelmäßige Affirmations helfen, zum Beispiel indem man sich selbst daran erinnert: „Du bist gut genug. Nicht das, was du tust, sondern, wer du bist.“

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In der Praxis ist es für Teammitglieder und Führungskräfte ein Balanceakt, die Arbeit in guter Atmosphäre zu erledigen, ohne dass die Kerze an beiden Enden brennt. Es ist notwendig, die Grenzen und das Durchhaltevermögen von sich selbst und von seinen Teammitgliedern zu verstehen. Alltägliche Entscheidungen können bereits einen Unterschied machen:

  • Nein zu sagen und Delegieren zu lernen sind essenzielle Werkzeuge im Arbeitsleben. Die Arbeitskultur eines Teams kann dies entweder unterstützen oder in schlechten Fällen vernachlässigen. Zu guter Führung gehört, Mitarbeitenden Freiräume zu lassen und zugleich ihre Arbeitspensen im Blick zu behalten und untereinander auszugleichen.
  • Priorisierung ist sowohl für Teams als auch beim Arbeiten alleine von wesentlicher Bedeutung. Sind neue Dinge wirklich so dringend, oder haben sie ihren eigenen Zeitplan? Alle im Team sollten stets wissen, was gerade im Fokus steht. Im Zweifel helfen Werkzeuge wie die Eisenhower-Matrix bei der Einschätzung von Prioritäten.
  • Fehler, Unvollkommenheit und Unvollständigkeit müssen auch akzeptiert werden. Denn Overachievement ist nicht zuletzt von einem fortwährenden Gefühl der Unvollständigkeit und der Furcht, Mist zu bauen, geprägt. Eine produktive Fehlerkultur fragt nicht, wer Fehler gemacht hat (denn die macht jede:r mal), sondern was in Zukunft besser gemacht werden sollte.
  • Rückzug ermöglichen: Wird im Team erwartet, auf Mitteilungen unverzüglich zu reagieren? Gehört es zum guten Ton, am Abend oder im Urlaub noch einmal E-Mails zu checken? Wenn sich solche Bräuche innerhalb der Arbeitskultur langsam und leise als „normal“ etabliert haben, sollte darüber gesprochen werden. Eine solche Kultur fördert in Overachievern die Sucht nach unbegrenztem Schaffen und verhindert, dass sich das Nervensystem in der Freizeit regeneriert.
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