Dass gute Produktbewertungen und -rezensionen dabei helfen, mehr Waren zu verkaufen, dürfte jeder nachvollziehen können, der schon einmal im Internet eingekauft hat. Zwei Drittel aller Onlinekäufer gaben in einer Umfrage an, dass bei Kaufentscheidungen für sie Kundenbewertungen wichtig sind.
Und auch die Unternehmen bestätigen dies: Ein Produktmanager eines großen, weltweit agierenden Herstellers für Unterhaltungselektronik erklärt im Gespräch rundheraus, wann ein Produkt unverkäuflich werde: Weniger als drei Sterne dürften es nicht sein, sonst könne man den Produktzyklus an dieser Stelle gleich beenden und das Produkt zum Auslaufmodell für den hiesigen Markt machen. Das gelte dann im Übrigen nicht nur für Amazon selbst, sondern (mit einigen Abstrichen) auch für den klassischen Retailer im Einkaufzentrum oder in der Innenstadt. Denn Kunden kaufen dort zwar möglicherweise ein, informieren sich aber vor dem Kauf nahezu immer bei Amazon darüber, was andere Kunden zum Produkt sagen. Das, was früher der Verkäufer leisten konnte, so berichtet der Produktmanager, werde inzwischen durch Bewertungen abgedeckt.
Doch wie viele Bewertungen tatsächlich gefaked sind, kann man nur mutmaßen. Eine Untersuchung vor einigen Monaten kam zu dem Schluss, dass rund ein Fünftel aller Amazon-Bewertungen Fakes seien. Viel zu niedrig geschätzt, urteilten unserer Redaktion gegenüber mehrere große E-Commerce-Händler unabhängig voneinander. Gerade bei chinesischen No-Name-Produkten ist in der Tat auffällig, mit welchem Herzblut und Aufwand manche Rezensionen verfasst werden: Zahlreiche Bilder aus unterschiedlichen Perspektiven, ausführliche Bewertungen zu banalen Sachverhalten und Artikeln – all das lässt kein gutes Licht auf eine Branche scheinen, die von Bewertungen stark abhängig ist. Amazon-Marketplace-Händler berichten, dass sie trotz mehrjährigen Vertriebs bestimmter Produkte, die in großen Mengen umgesetzt werden, nur zweistellige Bewertungszahlen haben. Andere Mitbewerber dagegen hätten binnen weniger Wochen oder Monate stark dreistellige Rezensionszahlen – und das teilweise mit entsprechenden Tricks.
Besonders auffällig ist dies in der Tat bei bestimmten aus dem asiatischen Raum stammenden Zubehörteilen, für die man binnen weniger Tage eine Flut von neuen Bewertungen beobachten kann. Und auch die Rezensenten sind suspekt: Eine Vielzahl von Bewertungen am selben oder denselben drei Tagen für Produkte, die man normalerweise nicht in dieser Häufigkeit und Varianz kauft – etliche Handyhüllen für unterschiedliche Modelle, Bluetooth-Lautsprecher und andere Elektronik-Kleinteile, die in dieser Masse nicht auf einen Endkunden hindeuten.
Von Kickbacks für Registrierungen bis hin zu Gefälligkeitsbewertungen
Grundsätzlich gibt es verschiedene Formen forcierter Bewertungen. Unterscheiden lassen sich hier seriöse Maßnahmen von unseriösen. Zu den eher seriösen gehören Aktionen, wie sie beispielsweise der Smartphonehersteller Huawei im Zusammenhang mit seinen Modellen der Honor-Reihe immer wieder durchführt: Kunden erhalten einen Preisnachlass in Form einer Erstattung in Höhe von 30 oder 50 Euro, wenn sie sich nicht nur mit der IMEI registrieren, sondern auch eine Bewertung bei Amazon nachweisen. Diese muss, so steht es explizit in den Teilnahmebedingungen, nicht positiv ausfallen. Soweit die Theorie – in der Praxis dürften aber die wenigsten Rezensenten ein Produkt negativ bewerten, wenn sie auf diese Weise einen Nachlass erhalten können und befürchten müssen, dass der Anbieter des Kickbacks ansonsten einen Grund finden könnte, ihnen diesen zu verweigern.
Schaut man sich die Bewerungen bestimmter Zeiträume an, fällt hier auf, dass im Zeitraum entsprechender Bewertungsaktionen durch das Unternehmen die Bewertungen für das jeweilige Aktions-Smartphone signifikant besser ausfallen als in den übrigen Zeiträumen. Vom Unternehmen gewollt oder ungewollt – es ist eine eindeutige Tendenz erkennbar. Diese kann allerdings auch daher rühren, dass in den übrigen Zeiträumen der Anteil an Käufern des Gerätes niedriger sein kann.
Auf der nächsten Seite liest du, mit welchen Tricks binnen weniger Tage eine positive Reputation für ein beliebiges Produkt aufgebaut werden kann.
Anreiz zu Produktbewertungen für Druckerzubehör oder Kabel
Organisierte Bewertungsanreize gibt es auch bei Private-Label-Verkäufern von Zubehörartikeln wie Druckertinte und –toner sowie Kabeln und Adaptern. Solche Produktgruppen sind nahezu austauschbar und haben im Prinzip keinen hohen Wiedererkennungswert. Hier reicht offenbar nicht mehr der Aufbau von Marken, es müssen auch anständige Bewertungen als Unterscheidungs- und Alleinstellungsmerkmal her. Gerade bei Portalen wie Amazons Marketplace und Ebay gibt es hunderte fast gleichartige Angebote, etwa bei wiederbefüllten Tonerkartuschen bestimmter Druckertypen.
Was hier gut ist und was nicht? Das kann der Kunde lediglich aufgrund der Bewertungsergebnisse beurteilen. Große Vertriebe wie Hainberger legen ihren Lieferungen von Druckerverbrauchsmaterial daher entsprechende Flyer bei: „Wenn alles so funktioniert wie Sie es sich wünschen, schreiben Sie uns eine positive Produktrezension auf der Produktseite von Amazon. Als Dankeschön für Ihre Mühe spendieren wir Ihnen einen Gratis-Toner.“ Das ist einerseits ein gutes Mittel zur Kundenbindung – schließlich bekommt der Kunde auch die Information, was zu tun ist, wenn es mal klemmt. Andererseits ist das aber auch eine positive Manipulation der Bewertungszahlen, indem man den Kunden zum Bewerten anhält. Bei diesen „ermunternden“ Varianten zum Bewerten ist davon auszugehen, dass mehr positive Bewertungen eingehen als sonst – was aber eigentlich auch nur gerecht für Händler ist, denn oft ist es ja gerade so, dass die Unzufriedenen bewerten und die Zufriedenen zu träge sind, dies auch kundzutun.
Gekaufte Rezensionen: Produkttester-Masche 2.0
Eindeutig ins Illegale geht aber eine andere Praxis, die wir im Rahmen unserer Recherchen in unterschiedlichen Ausprägungen und Formen gefunden haben. „Wir suchen Tester für neue Produkte“ heißt es da auf entsprechenden Portalen und in Spam-Mails. Steckte dahinter in früheren Jahren oft ein fragwürdiges Abo-Modell, für das die zukünftigen hoffnungsfrohen Produkttester eine Abo-Gebühr zahlen sollten, geht es hierbei jetzt tatsächlich meist um Rezensionen. Angeboten wird den Kunden hier eine „Aufwandsentschädigung“ für das Abgeben einer positiven Bewertung für ein bestimmtes Produkt. Garniert mit beispielsweise fünf Fotos und einem Video sollen die Vorzüge präsentiert werden. Der Kunde erhält den Produktpreis per Paypal erstattet (schließlich soll es sich ja um einen verifizierten Kauf bei Amazon handeln), zusätzlich ein Aufwandshonorar und darf das Produkt behalten oder weiterveräußern. Gesucht werden hier vor allem Prime-Kunden, da hier die Versandkosten niedriger ausfallen, wenn diese das Produkt bestellen.
Amazon ist so etwas natürlich ein Dorn im Auge. Dass manche Produkte positiver bewertet werden und dadurch mehr Umsätze generiert werden, müsste den Online-Riesen noch freuen. Dass aber dadurch das eigene Produkttester-Programm Vine teilweise unterlaufen wird, über das das Unternehmen bei den Herstellern verdient, gefällt dem Unternehmen aber wahrscheinlich nicht. Daher hat man im Herbst 2016 Produkttests zur Generierung von Rezensionen mit direkter oder indirekter Gegenleistung rundheraus verboten. In den Richtlinien heißt es dazu: „Wir erlauben keine Rezensionen oder ‚Hilfreich‘-Bewertungen von Rezensionen, die gegen Entgelt in jeglicher Art erstellt worden sind. Dies beinhaltet unter anderem Bezahlung (in Form von Geld oder Geschenkgutscheinen), Bonus-Inhalte, Ermöglichen der Teilnahme an einem Wettbewerb oder Gewinnspiel, Rabatte für zukünftige Einkäufe, zusätzliche Produkte oder andere Geschenke.“
Produktbewertungen jeder Art gibts für ein paar Euro
Viele Händler halten sich aber offenkundig nicht daran. Zudem hat Amazon im Zuge der Regelung tausende von Bewertungen gelöscht und tut das dem Vernehmen nach auch weiterhin. Ein Schritt, den mancher Marketplace-Händler angesichts vieler Bewertungen für ein bestimmtes Produkt nicht glauben will. Es sei, so erklärt uns ein Händler, auffällig, wie schnell beispielsweise negative Bewertungen bei bestimmten Produkten durch offenbar zahlreiche „Nicht-hilfreich“-Klicks entwertet würden. Zudem gebe es – da kommen wir aber tatsächlich in den Bereich der Mutmaßungen, weil Amazon natürlich keinen Blick auf die Herkunft seiner Bewertungsdaten gewährt – ganze Autorenfarmen, die in gar nicht mal so holperigem Deutsch ganztätig Bewertungen verfassen und hierfür eine Vielzahl an Kundenkonten betreiben. Hier müsste Amazon aber zumindest anhand des Kauf- und Bewertungsverhaltens auffällige Muster erkennen können.
Was es aber definitiv gibt, sind Angebote bei Billig-Auftragsvermittlern wie dem Portal Fiverr, die für buchstäblich einen Fünfer mehrere Rezensionen mit Bildern, Filmen und in verschiedenen Social-Media-Portalen anbieten. Dahinter stehen Arbeitskräfte zumeist in Billiglohnländern, die entsprechende Aufträge schnell und vergleichsweise billig erledigen. Mit deutschem oder europäischem Recht müssen diese sich nicht herumschlagen.
Auf der nächsten Seite liest du, welche juristischen Fallstricke Fake-Bewertungen bieten und wieso auch Amazon juristisch belangt werden könnte.
Produktbewertungen bringen juristischer Sprengstoff von mehreren Seiten
Rechtlich ist die Situation nämlich eigentlich mehr als heikel – einerseits für Amazon selbst, andererseits aber auch für Unternehmen, die mit Produktbewertungen Kasse machen, diese in Auftrag geben oder durch Aktionen forcieren.
Wir haben Rechtsanwalt Christian Solmecke zur Rechtslage in diesem Zusammenhang gefragt: „Die ‚Auftraggeber‘ einer solchen Fake-Bewertung verstoßen immer dann gegen das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG), wenn sie eine positive Bewertung heimlich erkaufen. Bewertungen zu beeinflussen ist nur dann nicht illegal, wenn Händler den Gegenstand kostenlos oder vergünstigt an Nutzer zur Bewertung abgeben, die Gegenleistung nicht von einer positiven Bewertung abhängt und noch dazu ein entsprechender Hinweis auf die Umstände der Bewertung erfolgt.“ In allen anderen Fällen werde der kommerzielle Zweck der Bewertung nicht kenntlich gemacht (Schleichwerbung), zudem ist die Bewertung für Verbraucher irreführend. Auch handelt unlauter, wer Werbung als Information tarnt. Danach können aber nur konkurrierende Unternehmen, Wettbewerbsverbände oder die Verbraucherzentrale die Verkäufer abmahnen, zur Beseitigung und zukünftiger Unterlassung verpflichten und Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Dabei kann auch der Plattform- oder Portalbetreiber, in diesem Fall Amazon, gegen diese Händler aus dem Vertragsverhältnis vorgehen, Bewertungen löschen und den Account im Rahmen des virtuellen Hausrechts sperren. Die Plattform, Amazon, dürfte daran ja auch ein Interesse haben, weil Fake-Bewertungen die Glaubwürdigkeit des Unternehmens unterminieren.
Eine Ausnahme laut Amazon-AGB gilt nur, wenn das zu bewertende Produkt vor Abgabe der Bewertung dem Bewertenden zur Verfügung gestellt wird, dabei deutlich klargestellt wird, dass kritisches Feedback (positiv und negativ) erwünscht ist und der Rezensent im Rahmen der Bewertung kenntlich macht, dass er das Produkt vergünstigt zum Zwecke der Bewertung zur Verfügung gestellt bekommen hat. Gleiches gilt letztlich für das „Vine“-Programm, wo Amazon selbst „vertrauenswürdigsten Rezensenten“ als Produkttester einlädt, neue Produkte zu bewerten und ihre Rezensionen zu veröffentlichen. Die Rezensionen müssen ebenfalls ehrlich und zudem gekennzeichnet sein.
Störerhaftung: Auch Amazon kann Ärger bei Fake-Bewertungen bekommen
Doch selbst Amazon könnte, so Rechtsanwalt Solmecke, möglicherweise im Rahmen der Störerhaftung in die Pflicht genommen werden. Plattformbetreiber haben zwar nicht die allgemeine Pflicht, ihre Plattform immer auf Rechtsverletzungen hin zu kontrollieren, sie müssen aber dann prüfen, wenn sie konkret auf eine Rechtsverletzung durch Dritte aufmerksam gemacht wurden. „Wenn sie auf eine dann nicht unverzüglich reagieren, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, können sie zumindest auf Unterlassung bzw. Beseitigung gem. §§ 1004 BGB analog iVm. 823 ff BGB haften“, erklärt Solmecke.
Sollte also Amazon trotz Hinweis nichts tun, können die Verletzten zunächst kostenpflichtig abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Kommt Amazon auch dieser Aufforderung nicht nach, kann Anspruch im Wege der einstweiligen Verfügung oder der Unterlassungsklage gerichtlich geltend gemacht werden. „Allerdings könnte Amazon sich das Geld letztlich vom tatsächlichen Rechtsverletzer zurückholen“, erklärt Christian Solmecke. „Denn der hat nicht nur gegen das Gesetz, sondern auch gegen Amazons Richtlinien (AGB) verstoßen und damit das Vertragsverhältnis mit Amazon verletzt.“
Ach nö – echt jetzt? Ist gerade Saure-Gurken-Zeit bei T3N? Ist ja megapeinlich. Das Thema wurde doch schon 1000x rauf und runter diskutiert und immer wieder von links auf rechts gedreht!? Und wo ist jetzt der Mehrwert für den Leser? Alles sattsam bekannt und wieder mal abgeschrieben. Dazu auch noch völlig falsch und damit schon fast gefährlich: Auch wenn Huawai das macht, ist es dennoch nicht legal. Rabatte gegen Bewertungen, kann doch jeder 1. Klassler nachlesen, sind rechtlich n-i-c-h-t einwandfrei. Peinlich!
Trotzdem Grüße,
content-werkstatt