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News MIT Technology Review

Programmierbare Flüssigkeit – dank Kügelchen

Harvard-Forscher haben ein Metafluid mit bisher einzigartigen Eigenschaften entwickelt. Und sie zeigen erste Anwendungen, unter anderem in der Robotik und der Optik.

Von Andrea Hoferichter
3 Min.
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Man sieht es ihnen nich an, aber bei den kleinen Bläschen handelt es sich um eine neue Klasse von Metafluiden. (Adel Djellouli/Harvard SEAS)

Auf den ersten Blick erinnert die neuartige Flüssigkeit an Bubble-Tea. Auf Fotos und Videoaufnahmen sind kugelige, luftgefüllte Kapseln mit Hüllen aus Silikongummi zu sehen, die in einem Silikonöl treiben. Entwickelt und getestet wurde die Mischung an der Harvard John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences (SEAS) in Massachusetts, USA. Es handele sich um eine neue Klasse von Metafluiden, schreiben die Forschenden im Fachblatt Nature. Ihre Eigenschaften lassen sich danach über mechanischen Druck regelrecht programmieren, zum Beispiel, wie zäh sie sind und wie transparent.

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Das Stoffgemisch, das Chemiker Suspension nennen, sei unter anderem für hydraulische Aktuatoren geeignet, für smarte Schockabsorber, digitale Gatter und optische Systeme, berichtet Co-Autorin Katia Bertoldi. „Das Spektrum für mögliche Anwendungen ist groß.“ Die Produktion der Suspension sei zudem problemlos skalierbar. Hunderttausende der deformierbaren, luftgefüllten Kapseln habe das Team schon produziert und mit Silikonöl gemischt.

Für die besonderen Eigenschaften sind die Kapseln verantwortlich. In einem Video zur Studie ist zu sehen, wie sich die kugeligen Hüllen plötzlich eindellen, wenn ein bestimmter Druck auf die Flüssigkeit wirkt – bis sie aussehen wie Kontaktlinsen. Der Effekt ist umkehrbar. Das Wiederaufpoppen zur Kugelform findet allerdings bei niedrigerem Druck statt als das Eindellen.

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Kollabierende Kapseln

Mit der Kapselgeometrie verändern sich die Eigenschaften des Fluids deutlich. Das Team stellte etwa fest, dass das Fluid leichter fließt, wenn die Kapseln Kugelform haben. Die eingedellten Teilchen hingegen machen die Mischung viskoser. Die kollabierenden Kapseln sind auch dafür verantwortlich, dass das Fluid – nach Angabe der Forschenden als erstes Metafluid überhaupt von einem sogenannten newtonschen in ein nicht newtonsches Fluid übergehen kann. Zu den bekannten newtonschen Fluiden zählen etwa reines Wasser, Öle und viele Gase. Ihre Viskosität ist bei gleichbleibender Temperatur konstant. Für nicht newtonsche Fluide, beispielsweise ein Speisesärke-Wasser-Gemisch oder Treibsand, gilt das nicht. Wie flüssig sie sind, bestimmen Scherkräfte, die etwa durch Vibrationen oder Rühren eingebracht werden können.

Nicht zuletzt beeinflusst die Kapselgeometrie auch die optischen Eigenschaften des neuen Fluids. Wenn die Kapseln kugelig sind, streuen sie das Licht und machen die Flüssigkeit milchig-trüb, ähnlich wie Luftblasen im Wasser. „Aber wenn Druck entsteht und die Kapseln kollabieren, fungieren sie als optische Mikrolinsen und machen die Flüssigkeit transparent“, heißt es in der Studie. Diese optischen Eigenschaften könnten unter anderem für elektronische Tinten in Displays genutzt werden.

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Roboter Intelligenz verleihen

Als erste Anwendung ihres neuen Metamaterials präsentierten die Forschenden einen hydraulischen Robotergreifer mit dem Kapsel-Öl-Gemisch als Hydraulikflüssigkeit. Der Roboter griff – bei gleichen Randbedingungen – zerstörungsfrei eine Glasflasche, ein Ei und eine Blaubeere. Zuvor hatten die Forschenden für jeden Gegenstand ermittelt, welche Volumenänderungen des Fluids im Hydrauliksystem den Greifer ausreichend stark bewegen, um die Objekte zu halten, ohne sie zu zerquetschen. Eine Volumenänderung von knapp sieben Millilitern passte offenbar für alle drei – trotz der sehr unterschiedlichen Gewichte und Beschaffenheiten.

Das Metafluid reguliere seine Nachgiebigkeit selbst und passe sich der Kraft des Greifers an, sagt Adel Djellouli, Hauptautor der Studie. „Wir können das Fluid also nutzen, um einem einfachen Roboter Intelligenz zu verleihen.“ Mit Wasser oder Luft als Hydraulikfluid sei dies nicht möglich. Bei konventionellen Greifern sei eine entsprechende Programmierung oder eine Fernsteuerung nötig, um die Kräfte des Greifers gut zu dosieren.

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Ob das neue Metafluid den Sprung in praktische Anwendungen der Robotik schafft und was es sonst noch alles kann, bleibt abzuwarten. Als Nächstes wollen die Forschenden akustische und thermische Eigenschaften untersuchen.

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