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„Propaganda I’m not falling for“: Was hinter dem Tiktok-Trend steckt und was Marken wissen müssen

Der Propaganda-Trend auf Tiktok zeigt, wie Konsum, Ästhetik und Haltung verhandelt werden – von Oatmilk bis Indie-Feminismus. Wer die Codes versteht, wird Teil der Debatte – statt Ziel davon. Unsere Analyse kann dabei helfen.

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Der "Propaganda I'm not falling for"-Trend auf Tiktok spiegelt die Auseinandersetzung der Gen Z mit gesellschaftlichen Normen wider. (Bild: Shutterstock / Eliseu Geisler)

Was haben Botox, Hafermilch, OnlyFans, die Puppe Labubu, Beinrasur, 9-to-5-Jobs und sogar die US-amerikanische Singer-Songwriterin Gracie Abrams gemeinsam? Sie alle werden auf Tiktok als „Propaganda“ bezeichnet – allerdings nicht im politischen Sinn. Der Begriff ist Teil eines ironischen Trends, der alltägliche Phänomene in pointierte Kommentare über gesellschaftliche Normen verwandelt. Unter dem Label „Propaganda I’m not falling for“ erklären Nutzer:innen persönliche Vorlieben, Konsumtrends oder ästhetische Ideale kurzerhand zur ideologischen Beeinflussung. Dabei geht es nicht um harte Statements, sondern um spielerische Kritik. Hinterfragt wird, was heute als normal oder wünschenswert gilt – und warum.

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Ein Beispiel für diesen Trend liefert Creatorin Vanessa (@vkyosina). In einem ihrer Videos listet sie in schneller Folge auf, worauf sie nicht mehr hereinfällt – von der Antibabypille bis zum Traum vom Leben in Dubai. Ihr Ton ist nicht wütend, sondern ironisch. Die Kritik trifft trotzdem.

Dabei wird der Begriff „Propaganda“ bewusst überstrapaziert: Von Oatmilk über SkinnyTok bis hin zu Graphic Design oder der Stadt Berlin – kaum ein popkulturelles Phänomen oder Vorurteil bleibt verschont. Auch Themen wie Rechnungsaufteilung beim Dating, literarische Vorlieben oder der Sommerurlaub abseits Europas werden auf Tiktok unter diesem Label ironisch kommentiert. Was wirkt wie Entertainment, ist gleichzeitig ein präziser Kommentar auf den täglichen Druck, sich richtig zu verhalten – online, ästhetisch, politisch etc.

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Der Begriff „Propaganda“ ist in Deutschland historisch stark aufgeladen – nicht zuletzt durch seine Instrumentalisierung im Nationalsozialismus. Dass Tiktok-User ihn nun ironisch verwenden, mag auf den ersten Blick provokant wirken. Doch genau darin liegt die Spannung des Trends: Er nutzt ein schwer besetztes Wort, um auf moderne Normen und subtile Beeinflussung aufmerksam zu machen – nicht durch politische Institutionen, sondern durch Schönheitsideale, Konsumkultur und Social-Media-Algorithmen. Diese semantische Umdeutung ist nicht unproblematisch, aber auch Ausdruck einer Generation, die Sprache bewusst bricht, um Strukturen sichtbar zu machen.

Von Selfcare bis Systemkritik: Wie der Trend funktioniert

Tiktok-User verwenden den Begriff „Propaganda“ nicht wahllos. Die Videos folgen klaren ästhetischen und narrativen Mustern – von der fragmentierten Aufzählung bis hin zum wiederkehrenden Soundtrack. Besonders beliebt: der Song I think about it all the time von Charli XCX & Bon Iver, der die ironische Distanz zur Aussage unterstreicht. Leg shaving? Feminine Propaganda. Coffee-to-go als Treat? Capitalist Propaganda.

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Ein weiteres Beispiel für diesen Trend liefert die Creatorin lxyzfbxx (@lxyzfbxx): In einem ihrer Videos zählt sie eine Reihe von Phänomenen auf, die sie als Propaganda ablehnt – von gesellschaftspolitisch aufgeladenen Themen wie dem Recht auf Abtreibung bis hin zu popfeministischen Ästhetiken wie dem „Clean Girl Look“.

Der Social-Media-Experte Matt Navarra griff den Trend kürzlich in einem Threads-Post auf und teilte eine Liste scheinbar banaler Dinge, die aktuell als Propaganda gebrandmarkt werden. Grundlage seines Beitrags ist ein Artikel der New York Times, der dem Tiktok-Phänomen nachgeht – und es als Spiegel einer Generation beschreibt, die zwischen Überforderung und Selbstbehauptung neue Ausdrucksformen findet.

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Die New York Times beschreibt die Propaganda-Listen als mehr als bloße Witze. Dahinter stecke zugespitzte Gesellschaftskritik – verpackt als Unterhaltung. Gerade in einer Zeit, in der vieles inszeniert wirkt – von Selfcare bis zur Karriere – nutzen junge Menschen Tiktok, um sich gleichzeitig zu zeigen und abzugrenzen. Ironische Labels wie „indie girl propaganda“ schaffen Nähe. Sie erzählen Persönliches, ohne zu viel zu offenbaren. Auffällig dabei: Die meisten Posts wirken beiläufig, folgen aber festen Codes. Von viralen Sounds wie dem Song von Charli XCX und Bon Iver bis zu den typischen, fast essayhaften Aufzählungen. Ironie, Popkultur und Kritik – diese Mischung prägt viele Tiktok-Formate der Gen Z. Zumindest in bestimmten digitalen Milieus.

Zur besseren Einordnung des Trends lohnt sich ein Blick auf die Begriffe, die Tiktok aktuell als Propaganda verhandelt.

Ironie mit System: 9 Propaganda-Begriffe, die den Trend erklären

Der Tiktok-Trend rund um das Schlagwort „Propaganda I’m not falling for“ etikettiert Alltagsphänomene und Popkulturelemente als vermeintliche Beeinflussung – mal witzig, mal gesellschaftskritisch. Was dabei ironisch als Propaganda gebrandmarkt wird, sagt oft mehr über Zeitgeist und digitale Identität aus als klassische Kommentare. Hier findest du neun typische Beispiele im Überblick:

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  1. Botox-Propaganda: Ironischer Begriff für den gesellschaftlichen Druck, jugendlich oder makellos auszusehen – besonders auf Social Media. Wird häufig als Kritik an normierten Schönheitsidealen verwendet.
  2. Labubu Propaganda: Gemeint ist die kleine Puppe, die plötzlich überall auf Tiktok auftaucht – ob du willst oder nicht. Sie steht stellvertretend für Hypes, die der Algorithmus so oft in den Feed spült, bis sie sich wie ein Zwang anfühlen.
  3. Hafermilch-Propaganda: Satirische Umschreibung für die moralische Aufladung eines vermeintlich gesunden Lifestyles. Hafermilch steht hier stellvertretend für urbane Ästhetik, Nachhaltigkeits-Signaling und „Clean Girl“ Culture.
  4. Onlyfans Propaganda: Hinter dem Begriff steckt die Kritik daran, wie sehr Intimität heute vermarktet wird. Viele Tiktoks stellen die Frage: Wo endet Selbstbestimmung – und wo beginnt das Ausverkaufen von Nähe fürs Publikum?
  5. Berliner-Propaganda: Ein Seitenhieb auf das Image von Berlin als progressive, kreative Metropole – gleichzeitig Ausdruck von Kritik an Gentrifizierung, Coolness-Zwang und der Überhöhung urbaner Lebensentwürfe.
  6. Gracie Abrams Propaganda: Spielerischer Begriff für den Hype um melancholische Indie-Pop-Künstler:innen wie Gracie Abrams. Steht sinnbildlich für eine emotional aufgeladene, aber marktförmige Ästhetik.
  7. Capitalist Propaganda: Bezieht sich auf den Konsum als Selbstfürsorge – etwa kleine Belohnungen wie Coffee-to-go oder Treat Culture. Der Begriff entlarvt Marketing-Rhetorik hinter scheinbar persönlichen Routinen.
  8. Indie Girl Propaganda: Ironischer Sammelbegriff für einen vermeintlich individuellen Stil, der längst als Social-Media-Kanon codiert ist: Tagebuch, Vintage-Kleidung, Soft-Girl-Vibes und melancholische Spotify-Playlists.
  9. Pronoun Propaganda: Der Begriff wird teils gezielt provokant verwendet, um Diskussionen über Gender und Pronomen ins Lächerliche zu ziehen – oft mit dem Effekt, progressive Positionen abzuwerten. Dieses Propaganda-Thema zeigt, wie schnell solche Themen zum Schauplatz ideologischer Grabenkämpfe werden – auf beiden Seiten. Ironie kann hier ebenso hinterfragen wie polarisieren.

Wie Marken und User den Propaganda-Trend nutzen können – und wo es gefährlich wird

Der „Propaganda I’m not falling for“-Trend auf TikTok eröffnet sowohl für Nutzer:innen als auch für Marken neue Ausdrucksformen. Er erlaubt es, mit Humor und Ironie auf gesellschaftliche Erwartungen zu reagieren – und dabei Werte, Kritik und Identität auf spielerische Weise zu verhandeln. Für viele ist der Begriff zu einem Werkzeug geworden, um sich von Trends, Idealen oder Plattformlogiken abzugrenzen, ohne dabei angreifbar zu wirken. Der Trend schafft Nähe – gerade weil er sich Distanz erlaubt.

Aber der Trend ist nicht ohne Risiko. Die Offenheit des Begriffs, seine Dehnbarkeit und Ironie machen ihn anfällig für ideologische Vereinnahmung. In einigen Fällen wird Propaganda gezielt genutzt, um progressive Bewegungen zu diskreditieren oder um drastische Positionen unter dem Deckmantel von Satire zu verbreiten. Auch radikale Gruppen können diese Dynamik instrumentalisieren, um ihre Inhalte anschlussfähig und algorithmusfreundlich zu verpacken.

Deshalb gilt für Marken wie für User: Wer den Propaganda-Trend nutzt, sollte verstehen, in welchem kulturellen und politischen Spannungsfeld er sich bewegt. Es geht nicht nur darum, clever zu kommunizieren – sondern auch darum, Haltung zu zeigen, wenn der ironische Subtext zur gefährlichen Botschaft wird. Wer die Regeln des Spiels kennt, kann mitspielen. Wer sie ignoriert, wird womöglich Teil einer Erzählung, die sie:er nie schreiben wollte.

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Zwischen Zynismus und Zugehörigkeit: Das will der Propaganda-Trend auf Tiktok

Der Propaganda-Trend zeigt mehr als nur Tiktok-Humor mit Haltung. Er ist ein Symptom für eine digitale Kommunikationskultur, die sich ständig selbst reflektiert – und dabei neue Ausdrucksformen für Kritik, Distanz und Zugehörigkeit schafft. Tiktok wird so zur Bühne für kollektive Augenrollen, ironische Selbstverortung und kreative Subversion. Wer die Codes versteht, kann mitspielen – wer sie ignoriert, wird selbst zum Meme.

Gerade weil der Begriff „Propaganda“ so überdehnbar ist, trifft er den Nerv der Zeit: Er erlaubt Kritik an Normen, ohne sich zu stark zu exponieren. Was wie Unterhaltung wirkt, ist oft eine clevere Taktik, um Haltung durch Ironie auszudrücken – und trotzdem anschlussfähig zu bleiben. Dabei verschwimmen die Grenzen: zwischen Satire und Ernst, zwischen Plattformkritik und Selbstvermarktung.
Was heißt das konkret für das Marketing? Wer als Brand nicht zur Propaganda werden will, sollte aufhören, nur zu senden. Sondern anfangen, zuzuhören. Und sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Denn in einer Kultur, die sich ständig selbst kommentiert, gewinnt nicht die lauteste Stimme – sondern die, die den Subtext versteht.

Der Artikel stammt von Larissa Ceccio aus der OnlineMarketing.de-Redaktion und wird im Rahmen einer Content-Kooperation auf t3n veröffentlicht.

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