Ihre immensen Gravitationskräfte machen die Regionen um Schwarze Löcher zu Umgebungen, die von einer Physik angetrieben werden, die nirgendwo sonst im Universum zu finden ist. Schwarze Löcher bringen sogar die Struktur des Raums selbst in Rotation. Das bedeutet im Klartext, dass es in der Nähe eines Schwarzen Lochs nichts gibt, das stillsteht.
Quantenwirbel soll Schwarzes Loch simulieren
Weil diese Effekte nicht gut untersucht werden können, hat nun ein Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftler:innen der englischen Universität von Nottingham einen „Quantenwirbel“ in einem auf extreme Temperaturen abgekühlten Helium-Superfluid erzeugt. Dieser Versuchsaufbau soll im Wesentlichen ein schwarzes Loch auf unserem Planeten nachbilden.
Unklar ist, ob alle bisherigen Annahmen zum Verhalten schwarzer Löcher stimmen. Aber zunächst ist es so, dass der Quantenwirbel winzige Wellen auf der Oberfläche eines Suprafluids – also einem Material, das in der Lage ist, reibungslos zu fließen – erzeugt. Zudem zeigt es ungewöhnliche Verhaltensweisen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt. Nach bisherigen Erkenntnissen ähnelt das den Bedingungen, die in der Nähe rotierender schwarzer Löcher herrschen.
„Die Verwendung von supraflüssigem Helium hat es uns ermöglicht, winzige Oberflächenwellen detaillierter und genauer zu untersuchen als mit unseren früheren Experimenten in Wasser“, erläutert Patrik Svancara, Teamleiter und Forscher an der Universität von Nottingham, in einer Erklärung. „Da die Viskosität von supraflüssigem Helium extrem klein ist, konnten wir ihre Wechselwirkung mit dem supraflüssigen Tornado genau untersuchen und die Ergebnisse mit unseren eigenen theoretischen Projektionen vergleichen.“
Versuchsaufbau geht an die physikalischen Grenzen
Alles basiert darauf, dass Schwarze Löcher nur drei bekannte Eigenschaften haben: elektrische Ladung, Masse und Drehimpuls, oder „Spin“. Ein rotierendes Schwarzes Loch oder ein „Kerr-Schwarzes Loch“ mit Drehimpuls zieht auch die Struktur der Raumzeit in Richtung seiner Rotation mit sich. Dieser Effekt wird auch „Frame Dragging“ oder Lense-Thirring-Effekt genannt und wurde nach den Wissenschaftlern, die ihn zuerst nachgewiesen haben, benannt.
Da der Lense-Thirring-Effekt die Materie um ein Kerr-Schwarzes Loch in ständige Bewegung versetzt, erscheint es plausibel, dass ein Wirbel in einer Flüssigkeit oder vielleicht ein Tornado in der Atmosphäre einer solchen Region der Raumzeit sehr ähnlich sein könnte.
Das Entscheidende an dem jüngst simulierten Wirbel ist dabei, dass er nicht in irgendeiner Flüssigkeit vorkommt, sondern in einem auf den absoluten Nullpunkt abgekühlten Superfluid erzeugt wurde. Der absolute Nullpunkt definiert theoretisch die kälteste mögliche Temperatur. Am absoluten Nullpunkt würde jede atomare Bewegung zum Stillstand kommen.
Kleinere Teile zu großem Ganzen zusammengefügt
Das Team erzeugte den „Quanten-Tornado“ letztlich in dem ultrakalten Superfluid aus einer Vielzahl kleinerer Teile. „Superfluides Helium enthält winzige Objekte, sogenannte Quantenwirbel, die dazu neigen, sich voneinander zu entfernen“, erläutert Svancara dazu. „In unserem Aufbau ist es uns gelungen, Zehntausende dieser Quanten in einem kompakten Objekt einzuschließen, das einem kleinen Tornado ähnelt, und so eine Wirbelströmung mit einer rekordverdächtigen Stärke im Bereich der Quantenflüssigkeiten zu erreichen.“
Auf diese Weise fand das Team Parallelen zwischen dem künstlichen Quanten-Tornado und der Art und Weise, wie die Schwerkraft Schwarzer Löcher die Raumzeit beeinflusst. Das Team hofft nun, damit einen Weg gefunden zu haben, die Quantenphysik in der gekrümmten Raumzeit allgemein und sogar in der gekrümmten Raumzeit von Schwarzen Löchern zu simulieren.
Experiment soll in der nächsten Stufe Vorhersagen zur Raumzeitkrümmung ermöglichen
„Als wir in unserem ersten analogen Experiment im Jahr 2017 zum ersten Mal eindeutige Signaturen der Physik Schwarzer Löcher beobachteten, war dies ein bahnbrechender Moment für das Verständnis einiger der bizarren Phänomene, deren Untersuchung auf andere Weise oft schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist“, ergänzt Silke Weinfurtner, Leiterin des Nottinghamer Black Hole Laboratory, in dem das Experiment entwickelt und durchgeführt wurde, in der Erklärung.
„Jetzt“, so Weinfurtner weiter, „haben wir diese Forschung mit unserem anspruchsvolleren Experiment auf die nächste Stufe gehoben, was uns schließlich dazu führen könnte, vorherzusagen, wie sich Quantenfelder in gekrümmten Raumzeiten um astrophysikalische Schwarze Löcher verhalten.“
Die Forschungsergebnisse des Teams wurden jüngst im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht.