Künstliche Intelligenz im Klassenzimmer: Wo steht Deutschland?

Die Fördergelder für den sogenannten Digitalpakt wurden im letzten Jahr noch einmal aufgestockt. Das sorgte dafür, dass viele Schüler*innen mit Hardware versorgt wurden, in Bremen beispielsweise bekamen alle Schüler*innen iPads. Aber was ist mit Lernprogrammen oder Leistungsanalysen? Wie steht es um den Einsatz von künstlicher Intelligenz im schulischen Bereich? Hierzu gibt eine neue Telekom-Studie einige Einblicke.
Lösungen, die KI-Technologien wie Learning Analytics, Machine Learning oder auch Face-Recognition beinhalten, haben in vielen anderen Bereichen Einzug gehalten. In der Medizin beispielsweise können dank Machine Learning genauere Diagnosen getroffen werden und im Sport wird jede Bewegung der Spieler*innen analysiert. Genau wie die Trainer*innen könnten auch Lehrkräfte die Lernfortschritte der Schüler*innen tracken, doch im Bildungssektor werden die Möglichkeiten dieser Technologie bisher eher selten genutzt.
Die Autor*innen der Telekom-Studie halten das Potential, das der Einsatz von künstlicher Intelligenz an Schulen darstellt, für immens. Auch das Thema Bildungsgerechtigkeit bleibt, insbesondere nach über fünf Monaten Online-Unterricht, relevant. Laut Verfasser*innen können KI-Anwendungen gerade benachteiligten Kindern mit Lernschwächen wie Dyslexie, Legasthenie oder Dyskalkulie genauere Analysen und Hilfestellungen bieten.
KI-Lösungen für die Schule: Was gibt es bereits?
Obwohl die Akzeptanz für KI-Lösungen auch in Deutschland steigt, wird ihr Einsatz in der Bildung weiter kontrovers diskutiert. Einige Programme sind bereits im Einsatz, wie beispielsweise das Mathematikprogramm Bettermarks. Die Software wird in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Berlin verwendet. Die Bettermarks-KI sorgt für Anpassung an den individuellen Lernprozess der Schüler*innen.
An der Uni Tübingen wird zurzeit ein interaktives Englischbuch namens Feedbook entwickelt, das ab September 2018 für ein Jahr an der Schule getestet wurde. Die KI in Feedbook liefere den Schüler*innen individuelles Grammatikfeedback und ermögliche laut der eigenen Studie der Tübinger Universität signifikante Lernfortschritte. Schleswig Holstein arbeitet seit September 2020 an einer mitlesenden App, die die Lesefähigkeit von Grundschulkindern verbessern soll. Das Ziel: Kinder sollen mithilfe der KI am Ende der Grundschulzeit 120 Wörter pro Minute flüssig lesen können. Die Lehrer erhalten präzise Informationen über den Lernfortschritt des einzelnen Kindes.
Die Telekom-Studie schlüsselt genau auf, in welchem Bereich der Einsatz von KI möglich ist: in der Schul-Organisation, dem Unterrichtsgeschehen und dem Lernprozess selbst. Die Programme sollen demnach vorrangig assistierend arbeiten und die Lehrkräfte unterstützen, nicht ersetzen. Lehrer*innen müssten im Umgang mit den Anwendungen geschult werden – und diese immer wieder kritisch hinterfragen.
China ist Marktführer
Von 99 recherchierten Programmen stammen über 50 Prozent aus China und den USA. Das liege laut der Studie daran, dass beide Nationen starke IT-Industrie besitzen. Zudem hätten in China die Persönlichkeits- und Datenschutzrechte keine so hohe Bedeutsamkeit wie in Deutschland. Bei der Entwicklung von Anwendungen mit KI stehe Deutschland an dritter Stelle. Diese Platzierung sei jedoch nur bedingt aussagekräftig, denn Anwendungen aus Skandinavien seien aufgrund der Sprachbarriere nicht mit einbezogen worden.
Um in Deutschland weiter voranzukommen seien demnach Data-Lakes nötig. Der KI müssten beständig Daten eingespeist werden, um Machine Learning zu fördern. Die Einführung neuer KI-Programme in Deutschland sei aufgrund der hohen Datenschutzstandards schwieriger. Deshalb sei die Einrichtung anonymisierter Datenbestände nötig, wie aus der Studie hervorgeht.
Andere Länder sind bereits einen Schritt weiter: In Großbritannien wurden vergangenes Jahr die GCSE und A-Levels abgesagt und ein Algorithmus sollte die Abschlussnoten errechnen. Das stieß auf viel Unmut und wurde auch deshalb nicht durchgeführt. Trotz allem seien diese Vorgänge in Großbritannien deshalb möglich, weil die Lehrer*innen den Algorithmus Ofqual mit den Daten der Schüler*innen fütterten. Regelmäßige digitale Lernstandsmessungen müssten sich in Deutschland erst noch etablieren.