
Es war vor einigen Monaten ein Aufreger: Kamerabilder aus einem Lager eines großen E-Commerce-Händlers mit vermeintlich großen Mengen an Waren, die – so gut wie neu zurückgeschickt – einfach im Schredder gelandet sind. Doch nachdem die Empörung sich etwas gelegt hatte, wurde klar, dass der Prozentsatz der aus dem Verkehr gezogenen Retouren mit im Schnitt vier Prozent doch eher niedrig ausfällt und in vielen Fällen Waren betrifft, die ohnehin nicht erneut in den Verkehr könnten.
Dennoch: Nachhaltig ist das nicht und so lange es günstiger ist, geringwertige Rücksendungen zu entsorgen, läuft in den Workflows einiges verkehrt. Der Handel spricht hiervon übrigens insbesondere dann, wenn die Ware bis zu 20 Euro wert ist und es sich kaum lohnt, diese zu begutachten, zu prüfen und neu zu verpacken sowie ins Lager zurückzubringen. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat mit Unterstützung der Grünen daher am Mittwoch ein Gesetz abgesegnet, das die Vernichtung der Retouren nur in Ausnahmefällen, quasi als Ultima Ratio, vorsieht und erlaubt. Mit der Idee der „Obhutspflicht“ durch den Händler will man die Verbraucherrechte-Richtlinie, die EU-weit seit 2011 gilt, auffangen. Denn diese sieht vor, dass der Kunde sämtliche Waren, die er online bestellt, prüfen und gegebenenfalls zurücksenden kann.
Retourengesetz zu kurz gedacht
Doch das Gesetz gegen die Vernichtung von Retouren hat viele Lücken: Zum einen wird es nahezu unmöglich werden, die Stichhaltigkeit der Gründe, warum eine Ware vernichtet wird, nachzuvollziehen. Wenn ein Händler beispielsweise erklärt, dass eine Ware wegen Verschmutzung nicht mehr verkaufsfähig war, dann kann das im Einzelfall letzten Endes niemand verifizieren oder falsifizieren.
Hinzu kommt, dass es auch gar nicht im Interesse der Händler sein kann, einen höheren Prozentsatz als unbedingt nötig zu entsorgen. Es gehe dabei, so ein E-Commerce-Experte eines großen Versenders, um streng betriebswirtschaftliche Prinzipien. Sinnvoller wäre es daher gewesen, das unentgeltliche Weitergeben unter der Prämisse der vollständigen Abschreibung zu ermöglichen und hier die bislang anfallende Mehrwertsteuer auf Sachspenden abzuschaffen. Doch dagegen ist allen voran die Bundesregierung, die auf diese Weise weniger Steuereinnahmen befürchten müsste.
Davon abgesehen wäre eine unentgeltliche Weitergabe im Ausnahmefall für den Händler zwar die schönere Lösung, aber auch die rechtlich riskantere, solange er nicht für derartige Produkte explizit aus der Produkthaftung genommen wird. Was bei einem Kleidungsstück noch relativ überschaubar ist, gestaltet sich beim Elektrogerät nämlich schon schwieriger.
Retouren vermeiden statt verbieten
Ziel muss es vielmehr sein, Retouren zu vermeiden – und zwar mit technischen Mitteln. Das geht beispielsweise mithilfe von optimierter Größenberatung und indem man den Kunden im Vorfeld besser berät, was zu ihm passen könnte. Das ist auch im Interesse der Versender, wie beispielsweise eine Initiative von Zalando zeigt. Amazon wiederum hat zahlreiche Initiativen, die dazu beitragen sollen, dass weniger in die Schrottpresse kommt, und versucht auch, die Marketplace-Händler dahingehend zu erziehen.
Wir erinnern uns: Schätzungsweise 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel seien im Jahr 2018 in Deutschland an Onlinehändler zurückgeschickt worden – im Schnitt jedes sechste Paket. Wenn es den Unternehmen gelingt, diese Quote zu verbessern, schafft das neben weniger Retouren (und damit verbundenem Verkehr in der Zustellung) auch einen echten Mehrwert. Und fördern könnte die Bundesregierung auch vernünftige Mehrwegverpackungen im E-Commerce-Umfeld – das wäre ein besserer Anfang als ein Gesetz, das den Onlinehändlern eigentlich bloß neue Protokollierungspflichten auferlegt.
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Das sind halt Politiker. Die meisten haben noch nie richtig gearbeitet und wissen daher nicht, welche Ziele ein Betrieb verfolgt.