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MIT Technology Review News

Rettung durch KI: So sollen verirrte Wanderer schneller gefunden werden

Such- und Rettungsdrohnen sind bereits im Einsatz, aber die Planung ihrer Route ist mehr Kunst als Wissenschaft. Künstliche Intelligenz könnte das ändern.

Von MIT Technology Review Online
4 Min.
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Drohne, hier der eher einfachen Art von DJI. (Foto: Kathrine Andi / Shutterstock.com)

Wenn sich ein Wanderer in den zerklüfteten schottischen Highlands verirrt, schicken die Rettungsteams vor Ort manchmal eine Drohne hoch, um nach Hinweisen auf den Verbleib des Wanderers zu suchen: zertrampelte Pfade, heruntergefallene Kleidung, Essensreste. Bei dem riesigen Terrain, das es abzudecken gilt, und der begrenzten Akkulaufzeit der Drohne, ist es jedoch entscheidend, von vornherein das richtige Gebiet für die Suche auszuwählen.

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Traditionell nutzen Drohnenpiloten dafür eine Kombination aus Intuition und statistischer „Suchtheorie“ – eine Strategie, die ihre Wurzeln in der Jagd auf deutsche U-Boote während des Zweiten Weltkriegs hat –, um bestimmten Suchorten Vorrang vor anderen zu geben. Jan-Hendrik Ewers und ein Team der Universität Glasgow wollen herauszufinden, ob eine künstliche Intelligenz das nicht besser kann.

Ewers wuchs als Skifahrer und Wanderer in Schottland auf und kennt daher die komplizierten Herausforderungen, die mit Rettungseinsätzen dort verbunden sind. „Als ich aufwuchs, gab es nicht viel zu tun, außer Zeit im Freien zu verbringen oder vor dem Computer zu hocken“, sagt er. „Am Ende habe ich viel von beidem gemacht.“

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Besser als der „Rasenmäher“

Zunächst sammelte Ewers Datensätze von Such- und Rettungsfällen aus der ganzen Welt. Sie enthielten Details wie das Alter einer Person, ob sie auf der Jagd, beim Reiten oder Wandern war, ob sie an Demenz litt, sowie Informationen über den Ort, an dem die Person schließlich gefunden wurde: Wasser, Gebäude, offenes Gelände, Bäume oder Straßen. Der Forscher trainierte ein KI-Modell mit diesen Daten sowie mit geografischen Daten aus Schottland. Das Modell führt Millionen von Simulationen durch, um die Routen zu ermitteln, die eine vermisste Person unter den gegebenen Umständen am ehesten nehmen würde. Am Ende spuckt es eine Art Heatmap aus, die die vorrangigen Suchgebiete anzeigt.

Mit dieser Karte aus Wahrscheinlichkeiten konnte das Team zeigen, dass Deep-Learning-Algorithmen grundsätzlich genutzt werden können, um effizientere Suchpfade für Drohnen zu entwerfen. Für die Studie, die in der vergangenen Woche als Preprint-Paper veröffentlicht wurde, aber die noch nicht von Fachkollegen geprüft wurde, testete das Team seinen Algorithmus an zwei gängigen Suchmustern: dem „Rasenmäher“, bei dem eine Drohne ein Zielgebiet in einer Reihe einfacher Streifen überfliegt, und einem Algorithmus, der dem von Ewers ähnelt, aber weniger gut mit Wahrscheinlichkeitsverteilungskarten umgehen kann.

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In virtuellen Tests übertraf der Algorithmus von Ewers diese beiden Ansätze in zwei entscheidenden Punkten: Erstens musste die Drohne weniger Strecke zurücklegen, um die vermisste Person zu finden, hat also weniger Akku benötigt. Zweitens war die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Person gefunden wurde. Während der „Rasenmäher“ und der bestehende Algorithmus die Person in acht respektive zwölf Prozent der Fälle fanden, stieg die Trefferquote mit Ewers‘ Ansatz auf 19 Prozent. Das klingt zwar nach nicht viel, aber in realen Rettungssituationen, in denen jede Minute zählt, könnte das Menschenleben retten.

Drohnen können Leben retten

„Das Such- und Rettungsgebiet in Schottland ist äußerst vielfältig und auch ziemlich gefährlich“, sagt Ewers. Notfälle können in den dichten Wäldern der Isle of Arran, in den steilen Bergen und Hängen des Cairngorm-Plateaus oder in den Felswänden des Ben Nevis, einem der bekanntesten, aber auch gefährlichsten Klettergebiete Schottlands, auftreten. „Die Möglichkeit, eine Drohne aufsteigen zu lassen und mit ihr effizient zu suchen, könnte potenziell Leben retten.“

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Auch Such- und Rettungsexperten glauben, dass der Einsatz von Deep Learning zur Entwicklung effizienterer Drohnenrouten dazu beitragen könnte, vermisste Personen in abgelegenen Gebieten schneller zu finden. Wobei das stets auch abhängig von den Gegebenheiten vor Ort ist: Ein dichtes Blätterdach macht es Drohnen beispielsweise schwieriger als offenes Gelände.

„Der Ansatz in den schottischen Highlands scheint durchaus praktikabel zu sein, vor allem in der Anfangsphase der Suche, wenn man auf weitere Helfer wartet“, sagt David Kovar, Direktor der US National Association for Search and Rescue in Williamsburg, Virginia. Kovar hat Drohnen schon für alles Mögliche eingesetzt, von der Katastrophenhilfe in Kalifornien bis hin zu Suchaktionen in der Wildnis der White Mountains in New Hampshire.

Aber es gibt Vorbehalte. Der Erfolg eines solchen Planungsalgorithmus wird davon abhängen, wie genau die Wahrscheinlichkeitskarten sind. Wenn man sich zu sehr auf diese Karten verlässt, könnte das im schlimmsten Fall bedeuten, dass die Drohnenbetreiber zu viel Zeit mit der Suche in den falschen Gebieten verbringen. Die Intuition der Rettungsteams sollte man deshalb nie außen vor lassen.

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Rechtliche Vorbehalte beim Einsatz von Drohnen

Um die Wahrscheinlichkeitskarten so genau wie möglich zu gestalten, könnte laut Jan-Hendrik Ewers die Gewinnung weiterer Trainingsdaten hilfreich sein. Er hofft, GPS-Daten aus jüngeren Rettungseinsätzen für Simulationen verwenden zu können, damit sein KI-Modell die Zusammenhänge zwischen dem Ort, an dem eine Person zuletzt gesehen wurde, und dem Ort, an dem sie schließlich gefunden wurde, besser verstehen kann.

Nicht alle Rettungseinsätze enthalten jedoch genügend Daten, mit denen er arbeiten kann. „Wir haben bei Such- und Rettungseinsätzen das Problem, dass die Trainingsdaten extrem spärlich sind“, sagt Ewers. „Wenn ein Algorithmus nicht besser abschneidet als ein Mensch, riskiert man möglicherweise das Leben eines Menschen.“

Nicht zuletzt kommt es auch auf Vorschriften an. In den USA zum Beispiel müssen Drohnenpiloten eine ständige Sichtverbindung zwischen sich und ihrer Drohne haben. In Schottland hingegen dürfen sich die Betreiber nicht weiter als 500 Meter von ihrer Drohne entfernen. Diese Vorschriften sollen Unfälle verhindern, die durch den Absturz einer Drohne auftreten könnten. Aber solche Vorschriften schränken ihre Verwendung für Rettungseinsätzen ein.

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„Oftmals haben wir es eher mit einem rechtlichen als mit einem technischen Problem zu tun“, sagt Kovar. „Drohnen können viel mehr als das, wofür wir sie einsetzen dürfen.“ Der Forscher Ewers hofft derweil, dass Modelle wie das seine eines Tages die Möglichkeiten von Drohnen erweitern könnten. Im Moment ist er im Gespräch mit der schottischen Polizei, um herauszufinden, was nötig wäre, um sein System in der Praxis zu testen und einzusetzen.

Dieser Artikel stammt von James O’Donnell. Er ist Reporter bei der US-amerikanischen MIT Technology Review. Seine Themengebiete sind KI, Robotik und autonomes Fahren.
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