Revision deckt auf: Tausende Amazon-Mitarbeiter hatten Zugriff auf Marktplatz-Daten

Gut, wenn man über den eigenen Marktplatz Zugriff auf die Daten der Konkurrenz hat. (Foto: Mike Mareen/Shutterstock)
Rund 4.700 Mitarbeitende aus Amazons eigenem Verkauf konnten über Jahre hinweg auf die Verkaufsdaten von Marktplatz-Anbietern zugreifen. Sie erstellten offenbar detaillierte Datenauswertungen und nutzten die Erkenntnisse zu Amazons Vorteil. In einem Fall konnte nachgewiesen werden, dass der Amazon-Verkäufer die Datenkenntnis ganz gezielt zur Verbesserung seiner eigenen Ergebnisse genutzt hatte.
Großzügig vergebene Zugriffsrechte erlauben nahezu Vollzugriff auf Marktplatz-Daten
Politico liegt ein interner Revisionsbericht aus dem Jahre 2015 vor, der die Problematik aufzeigt und eine deutliche Warnung ausspricht. Nach Erkenntnis der Prüfer war das Problem nämlich schlicht auf zu laxe Sicherheitsvorkehrungen zurückzuführen. So hätten Mitarbeitende ein Tool namens Spoofer nutzen können. Damit sollen sie in der Lage gewesen sein, Marktplatzanbieter-Konten anzuzeigen und zu bearbeiten.
Der dadurch ermöglichte Zugriff war demnach weitreichend. So hätten Amazon-Mitarbeitende auf Profilinformationen, Lagerbestände, Produktpreise, Umsatzverläufe und weitere betriebswirtschaftlich relevante Daten zugreifen können. Sogar die Stornierung von Bestellungen oder das Verwalten von Retouren soll über das Tool möglich gewesen sein. Grund für die umfassende Datenlücke: zu schwache Berechtigungsmodelle, die zu breite Zugriffsrechte definiert hatten.
Die interne Überprüfung ergab, dass der Spoofer-Zugriff Mitarbeitenden weltweit zur Verfügung gestanden haben soll. Wie Politico herausfand, soll das Tool bis mindestens 2018 genutzt worden sein.
Ähnliche Mängel bestanden schon vor 2010
Verdachtsmomente, die auf eine wettbewerbswidrige Verwendung von Marktplatz-Daten hindeuteten, hatte es in der Vergangenheit immer wieder mal gegeben. Marktplatz-Anbieter hatten seltsame Korrelationen zwischen eigenen und Amazon-Produkten gefunden. Manch einer, wie der Betreiber des Stores „Brandkids“, hatte sich über schwindende Sichtbarkeit in den Amazon-Suchergebnissen gewundert.
Amazon hingegen hatte stets beteuert, bei der Konkurrenzbetrachtung nur auf aggregierte Daten zuzugreifen, wie es im Einzelhandel allgemein üblich sei. Das gezielte Entwickeln eigener Produkte auf der Basis erfolgreicher Angebote von Marktplatz-Wettbewerbern habe es nie gegeben.
Dem widerspricht der Revisionsbericht deutlich. Danach wusste Amazon sehr lange von den zu laxen Sicherheitseinstellungen, die den Spoofer-Zugriff auf breiter Front ermöglicht hatten. Schon anlässlich einer früheren Prüfung im Jahr 2010 wurden schließlich ähnliche Mängel gefunden.
Whistleblower werfen Amazon vor, sich nicht an Recht und Gesetz halten zu wollen
Die beschriebenen Missstände passen zu den Informationen, mit denen Ende Februar drei ehemalige hochrangige Amazon-Mitarbeiter an die Öffentlichkeit gegangen waren. Sie hatten schwerwiegende Datenschutzprobleme beim E-Commerce-Riesen angeprangert und behauptet, Amazon habe gar nicht die Absicht, sich an geltende Vorschriften zu halten.
Bei der EU-Kommission läuft bereits seit Herbst 2020 eine Untersuchung wegen des Verdachts auf wettbewerbswidriges Verhalten gegen den Versandriesen. EU-Kommissarin Margrethe Vestager hatte im November 2020 erklärt, dass Amazon seine marktbeherrschende Stellung im Onlinehandel missbrauche und nicht-öffentliche Daten von Marktplatz-Anbietern systematisch für das eigene Geschäft nutze.