Rezo vs. AKK: Was macht Digitalisierung mit Politik?
Stell dir vor, du suchst was im Internet. Ein neues Handy, ein Kochrezept, ein Hotelzimmer in Köln – irgendwas, was dein Leben besser macht. Aber Google zeigt dir kein Handy, kein Kochrezept und kein Hotelzimmer an. Stattdessen: Ein Video von einem älteren Menschen in Sakko oder Blazer, der dir etwas umständlich erklärt, warum Google schon immer die beste Suchmaschine war, was Google in den letzten Jahren erreicht hat, warum die anderen Suchmaschinen scheiße sind und dass du bei der nächsten Suche auf jeden Fall wieder Google benutzen solltest.
Klingt absurd, aber ungefähr mit dem Modell versuchen die ehemaligen Volksparteien CDU und SPD durch die Digitalisierung zu kommen: den Leuten irgendwie sagen, dass sie gut sind – und die anderen schlecht.
Die Disruption der Politik
Bei der Europawahl kam die ehemalige Volkspartei CDU zusammen mit der CSU auf 28 Prozent, die ehemalige Volkspartei SPD auf 15. Die Rechnung scheint nicht mehr aufzugehen.
Direkt nach der Wahl haben beide Parteien eindrucksvoll bewiesen, dass sie nicht verstanden haben, was passiert ist. Sie haben sich nicht gefragt, ob das Produkt, das sie anbieten, noch zeitgemäß ist. Sie haben sich nicht gefragt, was sie den Wählern eigentlich bieten können, und wie sie ihr Angebot verbessern können.
Reaktion: Wie Konzernchefs in den 2000ern
Stattdessen benehmen sie sich wie Konzernchefs in den frühen 2000ern, die nicht verstanden haben, dass eine neue Zeit neue Konzepte braucht: Kurz vor der Europawahl wird klar, dass das Rezo-Video und die Umweltthemen ein Problem für die CDU werden. Anstatt sich irgendwie inhaltlich mit den Themen auseinanderzusetzen, fährt die CDU eben schnell ein paar Umwelt-Sharepics hoch. Bevor CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zum Angriff übergeht und über die Regulierung von Youtubern nachdenkt. CSU-Chef Markus Söder hingegen glaubt, es läge am Image. Er will, dass die Union „wieder jünger, cooler und offener“ wird. FDP-Chef Christian Lindner macht halt bisschen Grünen-Bashing, als würde das seine Position irgendwie aufwerten. Bei der SPD sägen derweil die alten Kandidaten der letzten und vorletzten Wahl am Stuhl der Partei-Chefin Andrea Nahles.
Kann man alles machen. Aber Regulierung, PR und Postengeschacher haben meines Wissens noch niemanden vor der Disruption bewahrt. Man kann es den Parteien nicht verübeln, es ging ja auch lange gut so. Taxifahren war ja auch mal ein okayes Geschäft – bis eben Uber daherkam. Aber zwischen dem analogen Konzept (Taxifahren) und dem digitalisierten Geschäft (Uber) kommt erstmal der Bruch. Die Phase, in der auffällt, dass die alten Konzepte nicht mehr zeitgemäß sind. Und das ist genau die Phase, in der die deutsche Politik gerade steckt.
Was Politik von Startups lernen könnte
Wenn Startup-Gründer etwas kommunizieren wollen, pitchen sie: Sie versuchen, ihre Idee möglichst kurz und möglichst verständlich ihrem Publikum zu erklären. Dabei weiß der geneigte Investor: Eine gute Idee ist eine Sache. Wichtiger ist die Umsetzung. „Ideas are easy, execution is everything“, sagt man.
Irgendwie ist es dann auch nicht verwunderlich: Die, bei denen es im Moment läuft, sind die, die ihre Idee kommunizieren können. Die Grünen heißen „Die Grünen“ und machen Umwelt-Politik. Man kann das gut oder schlecht finden. Aber erstmal versteht man es. (Das gilt auch für die AfD.)
Digitalisierung bedeutet: Umsetzung!
Man muss auch Greta Thunberg und Luisa Neubauer, die Organisatorin von Fridays for Future in Deutschland, nicht mögen. Aber: Wer sich für Klimaschutz einsetzten will, findet da eine politische Bewegung, die jede Woche Tausende für den Klimaschutz auf die Straße bringt und Druck auf etablierte Politik ausübt. „Execution, execution, execution“, würde Investor John Doerr sagen.
Wenn man sich vor diesem Hintergrund die Spitzenpolitiker der SPD und der CDU/CSU anschaut, sieht es eher laberig aus. Wofür stehen eigentlich AKK, Nahles und Schulz? Und haben sie in den letzten Jahren da was gerissen? Konnten sie Wählern Lösungen anbieten?
Umweltschutz war Thema Nr. 1
Das muss man natürlich eingrenzen, zum Beispiel auf das Thema, das die Wähler im Moment am meisten umtreibt. Laut einer Umfrage im Auftrag der Zeitung Welt kurz vor der Europawahl „betrachten deutsche Wähler den Schutz von Umwelt und Klima als größte Herausforderung der EU“. Warum, frage ich mich dann, ist niemand in den Spitzen der Wannabe-Volksparteien CDU/CSU und SPD darauf gekommen, sich ernsthaft mit Klimaschutz auseinanderzusetzen? Also, tatsächlich Politik in die Richtung zu machen, Klimaziele umsetzen, sowas. Politik, mit der sie nachher sagen können: Schaut, liebe Wähler, ihr habt Probleme, wir lösen sie, wählt uns wieder.
Statt Lösungen zu liefern, sagen die ehemaligen Volksparteien: „Okay, bald ist wieder Wahl, jetzt müssen wir uns wieder darauf konzentrieren, Plakate aufzuhängen, auf denen wir sagen, wir machen gute Politik.“ Womit wir wieder beim Beispiel vom Anfang wären und der Frage:
„Wie lange würde sich eine Suchmaschine halten, die nicht sucht, sondern sich darauf konzentriert, zu sagen: ‚Ich bin die beste Suchmaschine.‘?“
Man kann sich als Volkspartei auch nicht damit rausreden, zu sagen: „Hey, das ist unfair, woher sollten wir wissen, dass Klimaschutz plötzlich so wichtig wird?“. Well, im Oktober 2018 hat der Weltklimarat der UN einen Report veröffentlicht, in dem (stark vereinfacht) steht, das wir alle ein riesiges Problem kriegen, wenn wir es nicht schaffen, den Klimawandel rechtzeitig zu stoppen. Von Dürre, Fluten, extremer Hitze und daraus resultierender Armut ist da die Rede. So Dinge, aus denen Kriege und Migration entstehen. Ungefähr alle Zeitungen haben darüber berichtet.
Wenn man den Anspruch hat, Volkspartei zu sein, und da ein Thema anrollt, das für uns alle ein Problem ist, dann würde man doch vehement reagieren, oder? Wenn einen so ein Thema aber nur interessiert, sobald die Wähler lautstark protestieren, dann ist von der ganzen Unternehmung „Volkspartei“ offensichtlich nur noch die Marketing-Abteilung übrig geblieben.
Aber das Schöne an der Digitalisierung ist ja: In der Disruption tauchen neue, große Player auf, die Probleme pragmatischer angehen.
Die Beispiele „Rezo und NewTuber“ und „Friday for Future“ verdeutlichen, dass – bei komplexen Problemstellungen – soziale Gruppen, die sich abwägend – z.B. für den Klimaschutz – einsetzen, und Prioritäten im eigenen Verhalten setzen (Demos in der Unterrichtszeit) sowie Verantwortlichkeiten klären (in der Politik), auf der Basis persönlicher Erkenntnisse und durch Kommunikation in sozialen Netzwerken, eine kooperative Intelligenz entwickeln können, die sich als meinungsbildend durchsetzt und möglicherweise eine Änderung politischer Entscheidungen herbeiführen wird.
Kooperative Intelligenz ist jedoch ein evolutionäres Phänomen, und nicht eine Disruption, die als ein revolutionärer Mechanismus aufzufassen ist, der Ambivalenzen aufweist.
Das ist mit „Disruption“ aber auch nicht gemeint, sondern einfach die Zerschlagung des Althergebrachten durch die Digitalisierung.
Es gibt sauch Hormondisruptoren.
PET, Weichmacher, LED;…..
Alles angeblich grüne Technologien.
Scheiße wa?????
Die Grünen sind keine Lösung, sie sind ein Problem, genau so wie die Altparteien nur anders verpackt.
Glas geht ja gar nicht ist nicht CO2 neutral, aber echte grüne Pflanzen lieben CO2.
Rezzo und youtube sind auch nur Influenza, bis alle geimpft sind, oder sich antikörper gebildet haben.
Kann man so sehen wie im Artikel, ist auf jeden Fall auch etwas dran. Noch mehr ist für mich aber im Moment dran, dass das Problem hier die „digitale Jugend“ hat. Man springt von Hype zu Hype. Gestern retten wird alle Flüchtlinge, heute das Weltklima und zwischendurch erklären wir allen wie doof und zurückgeblieben sie sind. Gesellschaft, Wirtschaft und überhaupt alles sind nur dazu da überall mal möglichst fest zu rütteln. Ich denke die Jugend wird sich (wie immer) noch kräftig ändern oder ziemlich baden gehen.
Ich fände es schön, wenn medial mehr Leute aus der Jugend präsent wären, die versuchen Dinge zu verstehen – was bei der gegebenen Komplexität meistens mit viel Abwägen und Zielkonflikten zu tun hat.