Schlechte Führungskräfte kosten Deutschland zwischen 77 und 103 Milliarden Euro

Vieles ist unverändert gut in der Stimmung unter Arbeitnehmern in Deutschland: „Die Stimmung ist ausgesprochen positiv“, fasst Marco Nink, Regional Lead Research & Analytics EMEA beim Beratungsunternehmen Gallup, die Ergebnisse des Gallup Engagement Index 2018 in Berlin zusammen. Doch dann folgt ein großes Aber.
Insgesamt positive Stimmung unter deutschen Arbeitnehmern
„Die wirtschaftliche Zukunft des eigenen Arbeitgebers wird seit 2012 unverändert positiv gesehen“, sagt Nink. Die klare Mehrheit der Mitarbeiter fühlt sich auch fair entlohnt. Doch Deutschland hat bei einigen Themen auch großen Nachholbedarf, insbesondere Führung, Unternehmenskultur und Agilität – Gebiete, die stark zusammenhängen. Auch angesichts des scharfen Wettbewerbs um qualifizierte Arbeitskräfte in Deutschland seien zufriedene und engagierte Mitarbeiter ein besonderer Wettbewerbsvorteil. „Die beste Werbung für das eigene Unternehmen als Arbeitgeber ist die persönliche Empfehlung“, sagt Nink.
„Die Mitarbeiter, die innerlich gekündigt haben, wirken wie ein Energiestaubsauger auf die anderen.“
Denn der Anteil in deutschen Unternehmen, der mit „Hand, Herz und Verstand“ dabei ist, wie es Nink ausdrückt, ist der Erhebung zufolge auch 2018 mit 15 Prozent wieder ähnlich groß wie der Anteil derjenigen, die innerlich gekündigt haben: 14 Prozent. Die repräsentative Umfrage wurde telefonisch unter 1.000 Arbeitnehmern ab 18 Jahren in Deutschland durchgeführt – darunter auch Führungskräfte.
Die große Mehrheit – 71 Prozent – befindet sich im Mittelfeld der Motivation und macht mehr oder weniger Dienst nach Vorschrift. Gallup nennt sie Mitarbeiter mit geringer emotionaler Bindung. Die Kosten der 14 Prozent komplett demotivierten Mitarbeiter ohne jede emotionale Bindung zum Unternehmen beziffert Gallup zwischen 77 und 103 Milliarden Euro für die deutsche Volkswirtschaft.
Demotivierte Mitarbeiter sind ein Energiestaubsauger
„Die Mitarbeiter, die innerlich gekündigt haben, wirken sich wie ein Energiestaubsauger auf die anderen aus. Um einen Mitarbeiter, der innerlich gekündigt hat, auszugleichen, braucht man vier mit Herz, Hand und Verstand“, erklärt Nink. Dabei gibt es nur sehr wenige Mitarbeiter, die schon innerlich gekündigt in ein Unternehmen kommen. Die meisten leiden unter einer schlechten Führungs- und Unternehmenskultur – ein Thema, das in deutschen Unternehmen notorisch zu wenig beachtet würde, klagt Gallup-Manager Nink. „Viele sagen, dass sie sich dem Thema widmen – doch sie gehen das Thema nur halbherzig an.“ Dabei ließe sich in Unternehmen, die ihre komplette Führungskultur umgebaut haben, der Anteil der Mitarbeiter, die mit „Hand, Herz und Verstand“ dabei sind, auf Werte bis zu 70 Prozent steigern.
Oft fehlt es in deutschen Unternehmen schon an einer regelmäßigen Feedback-Kultur der Führungskräfte. Nach einer kurzen „Honeymoon-Phase“, in der sich Arbeitnehmer noch gut betreut fühlen, werden sie oft alleine gelassen. „Das Bedürfnis nach Bestätigung und Feedback besteht unabhängig von Geschlecht oder Generation“ – die Bedürfnisse der viel diskutierten Millennials würden sich in dieser Hinsicht überhaupt nicht von anderen Generationen unterscheiden, sagt Nink.
Ein Thema, das laut Gallup insbesondere deutsche Führungskräfte umtreibe, ist Agilität –unter dem Buzzword wird allerdings ganz unterschiedliches verstanden, zeigt die Studie. Gallup selbst hat insgesamt acht Merkmale ausfindig gemacht, die mit Mitarbeiter Agilität verbinden. Unternehmen, die hier gute Werte erzielen, werden auch von ihren Mitarbeitern als viel positiver und kundenfreundlicher wahrgenommen: Kooperation, Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung, Fehlerkultur, Empowerment, Förderung neuer Technologie, Einfachheit, Wissensaustausch und Offenheit für Innovationen.
„Wenn’s im Unternehmen nicht brennt und raucht, sehen die meisten auch keinen Handlungsbedarf und es läuft so weiter.“
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Großbritannien sind deutsche Unternehmen wenig agil. Das liege vor allem an einer gewissen Veränderungsresistenz der Deutschen. „Wenn’s im Unternehmen nicht brennt und raucht, sehen die meisten auch keinen Handlungsbedarf und es läuft so weiter“, so der Gallup-Manager.
Deutsche Unternehmen sind wenig agil
„Bei der Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung und der Fehlerkultur klemmt es in Deutschland am meisten“, erklärt Nink. Dabei sei es im Falle der Fehlerkultur allerdings auch wichtig, klar zu definieren, in welchen Bereichen Fehler gemacht werden dürfen. „Für die Produktion muss klar sein, dass man hier ein Null-Fehler-Prinzip braucht.“
Vor allem aber fehle es in Deutschland an einer guten Führungs- und Unternehmenskultur. „Viel zu oft werden Führungskräfte nicht für gute Führung belohnt, sondern anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen bewertet“, kritisiert Nink. Und auch die Gründe, warum eine Führungskraft zu einer solchen werde, seien oft die falschen: „Viele Unternehmen machen zum Beispiel ihren besten Verkäufer zum Vertriebschef. Der fehlt dann im Verkauf und ist vielleicht auch gar keine gute Führungskraft.“
Seine dringende Empfehlung an Unternehmen ist es, diese „Beförderungslogik“ zu durchbrechen und Expertenlaufbahnen zu stärken. „Mitarbeiter sollten nicht daran gemessen werden, wie viele Leute unter ihnen arbeiten. Experten sollten bei Ansehen, Gehalt und Boni Führungskräften gleichgestellt werden.“ So könne man die Mitarbeiter mit den besten Leistungen belohnen, ohne sie automatisch zu Führungskräften zu machen.
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