Wie kann Schule endlich digitaler werden?
Nina Toller gilt als eine der digitalsten Lehrkräfte Deutschlands. Am Franz-Haniel-Gymnasium in Duisburg unterrichtet sie die Fächer Geschichte, Englisch, Latein und Informatik. Sie weiß, wie man den Unterricht mit kleinen Schritten digitaler gestalten kann. Wir haben die Lehrerin gefragt, wie es um den digitalen Nachwuchs in Deutschland steht, vor welchen Herausforderungen Lehrer und Lehrerinnen stehen und warum der Digitalpakt Schule nur die halbe Miete ist.
Die Digitalisierung steht in Schulen endlich auf der Tagesordnung, die Relevanz von digitaler Kompetenz wurde erkannt. So hat der Bund den Digitalpakt Schule auf die Beine gestellt – Gelder geflossen sind bis heute allerdings nicht. Woran das liegt? „Es ist nicht geklärt, wie Schulen die Anträge für das Geld stellen“, sagt Nina Toller. „Auch wenn der Digitalpakt von Bundesebene gekommen ist, sind Länder und Kommunen für die Umsetzung verantwortlich. Die sind meist überfordert damit, diese Umsetzung zu gestalten.“ Vor allem mit dem notwendigen Konzept gibt es Probleme. So muss vor der Beantragung genau geklärt sein, wofür das Geld ausgegeben wird, also ob das Geld in die Infrastruktur fließt, in mobile Endgeräte oder in die Fortbildung der Lehrkräfte. „Aktuell ist noch unklar, was dieses Geldpaket genau abdecken soll“, sagt Nina Toller.
Das zieht unweigerlich das nächste Problem nach sich, denn die meisten Lehrer und Direktoren haben nicht die Kompetenz, zu beurteilen, welche Maßnahmen für die Digitalisierung von Schulen tatsächlich notwendig wären. „Wahrscheinlich bräuchte man externe Berater, die bei der Planung unterstützen“, meint Toller. „Aktuell hängen wir nämlich noch in einem Teufelskreis fest. Bilden wir als erstes die Lehrerinnen und Lehrer fort, sind sie demotiviert, dass sie die erlernten Ansätze an ihren Schulen nicht umsetzen können. Statten wir die Schulen allerdings erst mit Technik aus, ohne die Lehrer mit ins Boot zu holen, weiß keiner, was pädagogisch alles möglich und sinnvoll ist.“
Es fehlt an Begeisterung für digitale Lösungen
Trotzdem hält Nina Toller es für essenziell, als erstes die Lehrkräfte für digitale Lösungen zu begeistern. Ihr ist es wichtig, die Digitalisierung des Unterrichts möglichst niedrigschwellig zu gestalten, einfache Lösungen zu präsentieren und mit einem „Bring your own Device“-Ansatz zu starten. „Dafür braucht man nämlich gar keine mobilen Endgeräte der Schule, die Kinder haben ihre Smartphones ja meist ohnehin in der Tasche“, weiß die Lehrerin. Wenn man Nina Toller fragt, wie man denn am besten startet, spricht die Lehrerin von ihren „kleinen Lieblingen“ – den QR-Codes. „Diese kleinen Codes sind superschnell erstellt, können einem aber schon viel weiterhelfen“, sagt Toller. „Man kann diverses Online-Material wie zum Beispiel Erklärvideos oder Audios auf Arbeitsblättern verlinken, die Schüler haben die Codes ruckzuck gescannt und bekommen Inhalte so ganz unterschiedlich präsentiert. Als nächsten Schritt kann man die Erklärvideos dann auch selber drehen lassen. So müssen Inhalte von den Schülern neu aufbereitet und zielgruppengerecht präsentiert werden.“
„Das ist noch nicht der digitale Unterricht schlechthin, aber immerhin ein Anfang.“
Ein entscheidender Pluspunkt an digitalem Lehrmaterial: Der Differenzierung verschiedener Leistungsniveaus kann so Rechnung getragen werden. „Man kann Zusatzmaterial für die Leistungsstarken bereitstellen und Unterstützung für die etwas schwächeren Schülerinnen und Schüler liefern. Man muss das Material nur raussuchen und verlinken. Das ist eine große Entlastung für Lehrkräfte und kann schon einige Lehrer überzeugen, die noch gar nicht auf dem digitalen Pfad sind“, sagt Nina Toller. „Klar, das ist jetzt noch nicht der digitale Unterricht schlechthin, aber immerhin ein Anfang.“
Und dieser Anfang kann schon einen großen Unterschied ausmachen. Denn digitale Lern- und Lehrinhalte zu nutzen, bedeutet vor allem, dass Unterricht und Wissen demokratisiert werden. „Es geht darum, die Schülerinnen und Schüler teilhaben zu lassen“, meint Nina Toller. „Die Lehrkraft als alleinige Wissensquelle hat ausgedient. Damit müssen sich manche Lehrer sicher noch anfreunden, diese Form des Unterrichts vermitteln aber am ehesten die ‚4K‘: die vier elementaren Kompetenzen Kreativität, Kommunikation, Kritisches Denken und Kollaboration, die für Schüler immer wichtiger werden. Da sehe ich das ganz große Potenzial der Digitalisierung.“
Die Basis muss stimmen!
Die Digitalisierung des Schulunterrichts bietet also die Chance, den Nachwuchs optimal auf ihre Zukunft vorzubereiten – und das nicht nur in Bezug auf den Umgang mit technischen Devices. Viel wichtiger ist der richtige Umgang mit Informationen, kollaboratives Arbeiten und kritisches Hinterfragen. Der Weg zur digitalen Schule ist zwar vielerorts noch weit, die Lehrerin in Duisburg ist sich aber sicher: Erst wenn die Basis durch kleine Änderungen im Unterricht gelegt ist, kann über ausgeweiteten Informatikunterricht und die Auseinandersetzung mit Algorithmen gesprochen werden. „Die Begeisterung für Digitalthemen bei Lehrern und Schülern steht an erster Stelle! Und dass digitale Lehrmethoden endlich Normalität werden – das wäre schon toll.“
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Ich weiß immer nicht, warum sich die Leute so schwer tun.
In jeder Schule gibt es eine technikbegeisterte Lehrkraft.
Es gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit Eltern, die aus Informatikbereichen kommen.
Es gibt Fachkonferenzen.
Es gibt andere Schulen im Umkreis.
Da kann man überall Ideen, Erfahrungen mit Pilotprojekten, … einsammeln und Informationsaustausch betreiben und Pläne schmieden.
Wenn jede Schule versucht das Informatikrad neu zu erfinden, dann wird das nie was.
Also liebe Schulen, lauft einfach erstmal los und fragt die Lehrkräfte, die Eltern, andere Schulen – nichts tun ist keine Lösung.
Und Konzepte sind noch nie vom Himmel gefallen.
Und wartet bitte nicht auf Ministerien!
Die Schule wird dann digital, wenn es die Schüler werden. Die sind der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Systems. Ich bin froh, dass meine Kinder noch mit der Kreidetafel aufwachsen.
Vielen Dank für den Artikel. Wie am Ende richtig geschrieben worden ist, muss erst die Basis stimmen. Nur dann kann man anfangen weitere digitale Konzepte zu etablieren.
@Reaktion: Ich höhre den t3n Podcast sehr gerne, daher die Frage: Ist es geplant diese Lehrerin mal in den Podcast einzuladen? Fände ich total spannend.
Nun, wenn man mal kurz in die OECD-Erhebungen schaut sieht man dass deutsche Schulen einfach schlecht sind. Also wirklich schlecht.
– Schlusslicht bei den Bildungsausgaben pro Kopf
– Mit die größten Klassen überhaupt – fast doppel so groß wie sinnvoll (27 Schüler statt 15)
– Nur eine Lehrkraft pro Klasse (statt Lehrer plus Sozialarbeiter)
– Viel zu frühe Trennung der Schüler (Das Hirn entwickelt sich noch bis zum zwölften Lebenjahr)
– Materielle Stoffvermittlung statt Kompetenzvermittlung
– DE hat mit die meisten Schüler mit behandlungsbedürftigen psychologischen Erkrankungen
– DE hat mit die meisten Lehrer mit Burnout oder gesundheitsbedingter Frühpension
– Nur ein drittel der Lehrkräfte ist überhaupt für den Beruf geeignet, keine verpflichtende Eingangsprüfung an den Unis mit psychologischen Tests
– usw.
Insgesamt wird noch immer auf Konformität wert gelegt, statt auf Individualität und Förderung. Dazu kommt der Bias der Lehrkräfte, der Kinder aus Einkommensstarken Haushalten bevorzugt. Das beweisen diverse Studien seit Jahren immer wieder. Noch schlimmer ist der vorschulische Bereich, der nicht einmal verpflichtend ist.
Insofern: Wenn ich beschissenen Unterricht an beschissenen Schulen digitalisiere, bleibt es beschissener digitaler Unterricht an beschissenen Schulen.
Word.
Genau so sieht es aus. Den Lehrern kann man es nicht wirklich übel nehmen, das sind Vollblutbeamte die brav das wiedergeben, was von Oben vorgegeben wird. Der Bund muss handelt, da ist das Thema Digitalisierung aber Neuland…
Sollte man, bevor man sich die Frage stellt nicht erst einmal fragen ob eine „Digitalisierung“ der Schulen überhaupt etwas Gutes ist?
Der Artikel und vor allem die Überschrift stellt die Digitalisierung als zweifellos postitiv hin, obwohl diese behauptung mindestens stark umstritten ist.
Es ist bereits erwiesen das Schüler mit Tablets wesentlich schlechter lernen als mit Papier.
Was soll also dieser treudoofe, unhinterfragte Digitalisierungswahn??
Die einzigen, die davon etwas haben sind die Firmen die den ganzen Kram verkaufen, aber auch nur kurzfristig, bis die ungebildeten Schulabgänger ihre Jobs übernehmen.