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Interview
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Shippo-Gründerin: „An Amazon verkaufe ich nur unter einer Bedingung“

Sie gehört zu den deutschen Vorzeige-Gründern im Silicon Valley: Laura Behrens Wu will mit ihrem Versand-Startup Shippo niemand geringerem als Amazon Konkurrenz machen. Im Interview sagt sie, was sie von einem Übernahmeangebot des Konzerns halten würde.

Von Daniel Hüfner
8 Min. Lesezeit
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Shippo-Gründerin Laura Behrens Wu. (Foto: Shippo)

Will man deutsche Unternehmer im Silicon Valley treffen, muss man nicht lange suchen. Es hat sich herumgesprochen, dass der amerikanische Gründerteamgeist hier auch für Ausländer funktioniert. Laura Behrens Wu aber sticht in gleich mehrfacher Hinsicht aus der Masse hervor: Die 26-jährige Bonnerin mit chinesischen Wurzeln ist mit ihrem Versand-Startup Shippo derart erfolgreich, dass sie im Januar sogar von Forbes in die Liste der 30 hellsten Gründerköpfe unter 30 aufgenommen wurde.

Shippo mischt das Versandgeschäft auf

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Das Wirtschaftsmagazin teilt offenbar die Ansicht von Behrens Wu, wonach vor allem kleinere Onlinehändler zunehmend unter der Marktmacht von Amazon leiden. Das zeigt sich nicht zuletzt im Versandgeschäft: Weil die Paketmengen der Händler zu gering sind, erhalten sie von Logistikunternehmen keine Rabatte. Das wiederum macht es für kleine Händler sehr schwierig, Gratisversand anzubieten, den Besteller heute jedoch erwarten. Das Resultat: Wertvoller Umsatz geht verloren.

Das Shippo-Büro in San Francisco. (Foto: Florian Blaschke)

Shippo-Gründerin Behrens Wu will dieses Problem mit Technologie lösen: Ihre Software lässt sich in jeden Onlineshop integrieren und sorgt dafür, dass Händler im Checkout auf alle von Shippo gebündelten Versanddienste – zum Beispiel DHL, UPS oder Fedex – inklusive Rabatten zugreifen können. Kosteneinsparungen von bis zu fünf Euro pro Paket seien möglich, verspricht das Startup mit Sitz in San Francisco.

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Die Idee finden auch Investoren spannend: Erst im Oktober gab Shippo eine Anschlussfinanzierung über 20 Millionen US-Dollar bekannt, das Geld steuerte mehrheitlich Bessemer Ventures bei, eine Beteiligungsfirma, die bereits früh in Skype und Linkedin investierte. Im Interview mit t3n.de erzählt Behrens Wu, wie der Deal zustande kam und ob sie bei allem Erfolg noch ans Scheitern ihrer Idee glaubt.

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t3n.de: Laura, glaubst du noch an das Scheitern deiner Idee?

Laura Behrens Wu: Diese Frage zu verneinen, wäre fahrlässig. Mit der Finanzierungsrunde vor einigen Wochen haben wir uns zunächst einmal nur wertvolle Zeit gekauft. Eine Finanzierungsrunde bedeutet ja immer auch, dass deine Firma noch nicht profitabel arbeitet. Man experimentiert mit dem Geschäftsmodell und muss mit viel Fremdkapital auch in andere Märkte expandieren. Das Risiko des Scheiterns besteht hier zu jeder Zeit. Entscheidend ist aber, wie man als Firma damit umgeht.

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t3n.de: Wie meinst du das?

Viele Gründer kommen mit der Zeit an einen Punkt, wo sie das Scheitern nicht mehr für möglich halten. Das ist wahrscheinlich der Tag, an dem es schon zu spät ist. Einer der Werte, der die Leistung meiner Mitarbeiter prägen soll, ist deshalb: We haven’t won yet. Wir haben noch nicht gewonnen. Wir müssen jeden Tag ein bisschen mehr arbeiten, uns jeden Tag höhere Ziele stecken.

t3n.de: Wann habt ihr denn gewonnen? Gibt es einen Zeitplan?

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Das kommt drauf an. Ich schaue mir im Moment nicht die Profitabilität der ganzen Firma an, sondern die einzelner Segmente. Hier in den USA beispielsweise erzielen wir mit unserer Versandlösung bei kleinen und mittelständischen Unternehmen bereits Gewinne. Unser Anspruch ist aber, die Versandlösung Nummer eins in der gesamten Welt zu sein. Dafür müssen wir stetig neue Produkte herausbringen und in Märkte expandieren, wo man nicht auf Anhieb profitabel arbeitet.

t3n.de: Also ist noch eine weitere Finanzierungsrunde nötig?

Wir werden wahrscheinlich noch eine weitere Finanzierungsrunde aufnehmen, ja. Das wird aber sicher nicht im nächsten Jahr passieren. Die 20 Millionen Dollar aus der Finanzierung mit Bessemer Ventures reichen erstmal für ein paar Jahre.

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t3n.de: Wie kam die Finanzierung überhaupt zustande? Bessemer hat ja bereits Firmen wie Skype oder Linkedin entdeckt.

Das Angebot kam von Jeremy Levine, der mit Bessemer bereits in Pinterest und Shopify investiert hat. Durch Shopify hat er viel über das Versandgeschäft gelernt und uns schon länger auf dem Zettel gehabt. Ein Investment in Shippo scheiterte aber immer an einem Interessenkonflikt, weil Shopify selbst eine Versandlösung bauen wollte. Als Shopify vergangenes Jahr an die Börse gegangen ist, gab es diesen Konflikt nicht mehr. Daraufhin hat er uns eine E-Mail geschickt und ein Angebot gemacht.

t3n.de: Und ihr habt sofort angenommen?

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Nach einem Treffen, ja. Dabei waren wir damals eigentlich noch gar nicht aktiv auf der Suche nach einer neuen Finanzierung. Das Angebot und die Erfahrung von Jeremy Levine im E-Commerce-Bereich waren aber letztlich einfach ideal für uns.

t3n.de: Sicher habt ihr auch über Zahlen gesprochen: Wie sehen eure Umsätze denn aktuell aus?

Über Umsatzzahlen sprechen wir nicht öffentlich. Ich kann aber sagen, dass inzwischen 20.000 Kunden aus dem KMU-Bereich unsere Software nutzen. Das Versandvolumen haben wir jedes Jahr verdreifacht.

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t3n.de: Reicht das schon aus, um im Versandgeschäft ernsthaft mit Amazon zu konkurrieren? Das war ja immer euer Anspruch.

Der Vergleich mit Amazon ist ein oft von den Medien genutztes Narrativ. Tatsächlich aber sind die Verbraucher in den USA der Meinung, dass der Versand bei Online-Bestellungen nicht länger als zwei Tage dauern und grundsätzlich gratis sein sollte. Und daran trägt Amazon mit seinem Prime-Programm eine Mitschuld.

t3n.de: Wieso? Jeder kann doch Gratisversand anbieten.

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Kleine Händler können sich Gratisversand in der Regel gar nicht leisten. Sie bekommen weder Mengenrabatt von den Paketdiensten noch können sie die Kosten wie Amazon querfinanzieren. Amazon gibt über die Weihnachtszeit sieben Milliarden Dollar für den Versand von Paketen aus. Das geht nur, weil andere Sparten wie das Cloud-Geschäft die Verluste ausgleichen. Zudem ist der Gratisversand für Händler nicht nur eine Kostenfrage – daran hängen auch viele Kunden. Wenn Besucher im Shop nicht die richtigen Versandoptionen vorfinden, schließen sie das Browserfenster und gehen zu Amazon. Das wollen wir ändern.

t3n.de: Ob der Einsatz der Shippo-Lösung die Umsätze von Online-Händlern wirklich steigert, ist allerdings schwer nachzuvollziehen. Habt ihr valide Daten darüber?

Unsere Kunden konnten ihre Versandumsätze innerhalb des ersten Jahres bisher um durchschnittlich 71 Prozent steigern. Im nächsten Jahr wollen wir unsere Software aber noch tiefer im Checkout-Prozess der Onlineshops integrieren, sodass wir Händlern klar sagen können, welche Versandoption für welches Produkt am wahrscheinlichsten zur Bestellung führt.

t3n.de: InteressantHast du mal ein Beispiel?

Wenn du eine Designer-Handtasche für 1.000 Dollar verkaufst, möchte niemand noch mal 20 Dollar für den Versand zahlen. Die Erwartung des Kunden an den Gratisversand ist hier völlig berechtigt. Aber die Erwartung für so ein Luxusprodukt könnte dann auch sein, dass der Versand ausschließlich mit Premium-Dienstleistern wie UPS oder Fedex erfolgt. Womöglich sogar mit einer detaillierten Sendungsverfolgung und Unterschrift bei Entgegennahme. Anders sähe es aus, wenn du selbstgestaltete Postkarten in einem Onlineshop anbietest.

t3n.de: Da wäre Gratisversand eher von Nachteil?

Genau. Gratisversand ist ja nie wirklich gratis, die Kosten werden vom Händler einfach auf den Produktpreis draufgerechnet. Wenn du das aber bei Postkarten machst, die sonst nur einen Dollar kosten, liegt der Preis vielleicht bei 2,50 Dollar. Da werden sich viele Kunden fragen: Warum ist das so teuer? Für den Händler macht es also mehr Sinn, Versandkosten zu berechnen.

t3n.de: Gratisversand ist also nicht das Allheilmittel im Online-Handel?

Nein. Es kommt wirklich auf das Produkt an. Unser Ziel ist es auch nicht, jeden Händler zum Gratisversand zu erziehen. Wir wollen unseren Kunden einfach ein breites Sortiment an verschiedenen Versandoptionen zugänglich machen. Mit unserer Software sparen die Händler außerdem noch Geld.

t3n.de: Allerdings seid ihr in einem ziemlich umkämpften Markt unterwegs. Easypost oder Postmen bieten eine ganz ähnliche Versandlösung an. Was macht ihr konkret besser?

Der Teufel steckt hier wie so oft im Detail. Anders als die Konkurrenz beschränken wir uns nicht nur auf den reinen Versand, sondern bieten Lösungen für alle umsatzrelevanten Touchpoints in einem Onlineshop. Beispielsweise für die Abwicklung von Retouren oder eine Paketversicherung für die Händler.

t3n.de: Angeblich arbeitet ihr auch an Tools basierend auf künstlicher Intelligenz. Stimmt das?

Künstliche Intelligenz ist das falsche Wort. Es geht eher um die Verarbeitung großer Datenmengen mit Hilfe von Machine Learning, um Händlern zu noch mehr Kaufabschlüssen zu verhelfen.

t3n.de: Was heißt das genau?

Viele Onlineshops in den USA zeigen ihren Kunden immer nur eine voraussichtliche Lieferzeit von drei bis fünf Tagen an. Das ist sehr ungenau und führt manchmal sogar zu Kaufabbrüchen. Das Problem können wir mit den unzähligen Versanddaten lösen, die wir in den vergangenen Jahren gesammelt haben. Wenn unsere Software zu 99 Prozent sicher weiß, dass ein Paket von San Francisco nach San José in der günstigsten Versandoption innerhalb von einem Tag ankommt, kann sie das dem Kunden verlässlich mitteilen. Andernfalls kann sie dem Kunden je nach Wunschtermin zusätzliche Optionen vorschlagen.

t3n.de: Können deutsche Online-Händler eure Versandlösung auch nutzen?

Ja. Mit DHL, Deutsche Post, GLS und DPD haben wir auch bereits einige Versandpartner aus Deutschland an Bord. Was noch fehlt, ist eine entsprechende Sprachunterstützung. Ein Büro in Deutschland wäre auch noch mal ein Traum von mir.

t3n.de: Wann und wo?

Wir sind uns noch nicht sicher, aber wahrscheinlich schon im nächsten Jahr. Auf jeden Fall geht es nach Berlin.

t3n.de: In Deutschland wartet mit Shipcloud allerdings bereits der nächste Wettbewerber. Ist dir das bewusst?

Von Shipcloud habe ich schon öfters gehört. Im Detail habe ich mir die Wettbewerber in Deutschland aber noch nicht angeschaut. Das kommt, wenn wir lokale Vertriebsstrukturen aufbauen.

t3n.de: Du gehst bald in das fünfte Jahr der Gründung. Schon mal über einen Börsengang oder einen Verkauf nachgedacht?

Ich möchte gerne eine eigenständige Firma aufbauen, die langfristig profitabel arbeitet.

t3n.de: Aber das sagt doch jeder Gründer.

Wirklich? Hier im Silicon Valley hab ich schon viele Gründer getroffen, die sagen, sie wollen nach fünf Jahren lieber verkaufen und sich an den Strand legen. Aber im Ernst: Wenn man Risikokapital von Investoren aufgenommen hat, muss man Szenarien wie einen Börsengang oder Verkauf natürlich in Betracht ziehen.

t3n.de: Und was wäre dir lieber?

Persönlich fände ich einen Börsengang schon interessanter. Zumal mit Katrina Lake, der Gründerin des Curated-Shopping-Anbieters Stitch Fix, erst im November eine Frau ein Internetunternehmen an die Börse gebracht hat. Ein Verkauf des Unternehmens käme für mich dagegen nur unter einer Bedingung infrage.

t3n.de: Welche Bedingung denn?

Dass Shippo für Händler aller Plattformen verfügbar bleibt und nicht nur für die eines einzigen Anbieters.

t3n.de: Wenn Amazon anklopft, lehnst du also ab?

Sofort ablehnen wäre sicher die falsche Reaktion. Aber man müsste sich genau anschauen, was die Strategie von Amazon bei einer Übernahme wäre. Wollen sie bloß etwas kaufen, um noch mehr Kunden an sich zu binden, oder wollen sie den Versand von Paketen für alle Händler leichter machen? Nur Letzteres wäre für mich unter Umständen eine Überlegung wert.

t3n.de: Aber ist das überhaupt realistisch?

Ebay zum Beispiel hat eine offenere Ökosystem-Philosophie, gerade im Hinblick auf Partnerschaften. Ein Übernahmeangebot gab es zwar nicht, allerdings sind wir seit dem Frühjahr offizieller Versandpartner für Nordamerika. Trotzdem dürfen wir unsere Software auch weiterhin für alle Händler auf anderen Plattformen wie Shopify, Magento oder Woocomerce anbieten.

t3n.de: Vielen Dank für das Gespräch!

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